1988: Abzug der Atomraketen aus Warenshof
Es war ein großer Bahnhof vor 25 Jahren in Waren an der Müritz: mit Blasmusik, roten Fahnen und Spruchbändern, die die unzerbrechliche Freundschaft zwischen der DDR und der Sowjetunion beschworen und eigens aus den umliegenden Betrieben abgeordneten Jublern. Auf einem langen Güterzug im Bahnhof der Stadt warteten derweil atomare Mittelstreckenraketen des Typs SS-12 (sowjetische Bezeichnung OTR-22) auf ihren Abtransport nach Kasachstan.
Selbst die West-Presse war geladen, handelte es sich doch um eine einseitige Abrüstungsmaßnahme der DDR, so zumindest die Propaganda. Denn der 1987 von Michael Gorbatschow und Ronald Reagan vereinbarte Abrüstungsvertrag über die Vernichtung der atomaren Kurz- und Mittelstreckenraketen war zwar unterschrieben, aber noch nicht inkraft getreten.
Seit 1983 nächtliche Unruhe
Seit 1983 bedrohten die Warenshofer Raketen mit ihrer Reichweite von 900 Kilometern Städte in der Bundesrepublik und ihrer Verbündeter, sogar die französische Hauptstadt Paris lag im Radius der SS-12. Sie waren in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges in den Warener Ortsteil gebracht worden. Trotz strenger Geheimhaltung sickerte die Stationierung trotzdem in der Bevölkerung durch. Anwohner beschwerten sich über den Lärm, wenn die Raketetn nachts hin- und hergefahren wurden, um die Ortung zu erschweren. Experten schätzen, dass rund 1.500 Militärs, 200 Fahrzeuge und 20 mobile Raketen dort stationiert waren.
Honeckers Angst vorm "atomaren Teufelszeug"
Neben allem propagandistischem Getöse, das in der DDR üblich war, handelte es sich bei dem Abzug aber vielleicht tatsächlich um ein Zeichen dafür, dass man es mit der atomaren Abrüstung ernst meinte. Schließlich hatte der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker schon Jahre zuvor von "atomarem Teufelszeug" gesprochen - wissend, dass im Falle eines Atomkriegs beide deutschen Staaten zur nuklearen Wüste geworden wären.
Grüner Strom auf grüner Wiese
Nach dem Abzug der Raketen folgte der Umbau der Sowjetkaserne zu einem FDGB-Ferienheim. Dies geschah sehr zum Missfallen der Warener, die lieber ein Krankenhaus in dem Ortsteil gehabt hätten. Nach der Wende blieben die Urlauber aus, es gab Pläne für ein "Piratendorf"-Erlebniscenter, schließlich kamen die Abrissbagger. Heute stehen dort, wo einst Atomsprengköpfe lagerten, Photvoltaikanlagen und produzieren grünen Strom.
