Stand: 03.04.2013 12:16 Uhr

Café Keese: Von Damenwahl zum Räucheraal

Männer und Frauen tanzen und flirten  Foto: Günter Zint
"Denken Sie stets an die These, es regiert die Frau im Keese": So rät der "Knigge" im traditionsreichen Hamburger Ballhaus.

Fein onduliert sitzt die Dame im knielangen Kostüm im roten Plüschsessel. Nur oberflächlich ins Gespräch mit der Freundin vertieft, lässt sie den Blick über den Rand ihres Sektglases schweifen. Da: Der an Tisch 11, der mit dem dezenten Oberlippenbärtchen, der wäre doch was - zumindest für einen Schwof. Sie greift zum Hörer. "Klingeling" - "Darf ich bitten, der Herr?" - "Mit Verlaub, die Dame." Der Oberlippenbart steht auf, rückt den Zwirn zurecht und kommt an ihren Tisch. Ein leichter Diener, dann geht es Richtung Parkett. Die Freundin hätte ihm zwar besser gefallen. Doch ablehnen darf er die Aufforderung zum Tanz nicht. Das besagt der rosafarbene "Knigge", der auf jedem Tisch neben dem Telefon liegt: "Denken Sie stets an die These, es regiert die Frau im Keese".

Unzählige Male hat sich obige Szene im Hamburger Café Keese so und ähnlich abgespielt. Dank seines "Ball Paradox", bei dem Damenwahl angesagt war, entwickelte sich das Tanzlokal im Hamburg der Nachkriegszeit zu einer Institution. 50.000 Ehen sollen hier in die Wege geleitet worden sein.

Am Anfang steht die Neukrönung der Dame

Am 1. November 1948 eröffnet der Hamburger Gastronom Wilhelm Bernhard Keese zunächst an der Fruchtallee in Eimsbüttel das erste Tanzlokal - eine Art Single-Börse für Kriegswitwen und andere Damen im besten Alter. Der von ihm erfundene "Ball Paradox" wird ein Riesenerfolg - und ist ein Schritt Richtung Gleichberechtigung. Keese damals: "Die Dame soll wieder gekrönt, soll reinthronisiert werden, soll wieder die Achtung und Verehrung erhalten, die ihr zukommt. Um das zu erreichen, muss die Initiative beim Tanz von ihr ausgehen."

Von Außen schon weithin sichtbar, symbolisiert die anvisierte Neu-Adelung der Frau eine hell erleuchtete, weiß gewandete Prinzessin - fortan das Markenzeichen des Keese. "Honi soit qui mal y pense" ("Ein Schelm, der Böses dabei denkt") lautet das vom Hosenbandorden übernommene Motto, unter dem sie den Saum ihres Rocks lupft. Dass es bei der Damenwahl im Keese stets "reizend und kultiviert" zugeht, verspricht zudem der Schriftzug über dem Eingang.

Dreiste Konkurrenz - da zieht Keese vor Gericht

Das Cafe Keese Ende der 1950er Jahre © St. Pauli Archiv
Im März 1953 zieht Keese mit seinem Café an die Reeperbahn.

Weniger kultiviert wird es, als im August 1950 am Neuen Pferdemarkt das Café Rena eröffnet und Keeses Erfolgsmodell direkt kopiert. Nicht nur lädt es zum "Exklusiven Ball Verkehrt" ein, auch die Portiers sind in ähnliche Uniformen wie die Keeses gekleidet, als Firmenlogo prangt das Bild einer gekrönten Frauenfigur am Café. Rena-Mitarbeiter verteilen Werbezettel direkt vor Keeses Ballhaus. Zunächst schreitet dessen Portier ein, "runde 1,90 groß und mit gesundem Kreuz", wie es im "Abendblatt" heißt.

Wenig später zieht Keese selbst wegen unlauteren Wettbewerbs gegen das Rena erbost vor Gericht. Er erwirkt zwar eine einstweilige Verfügung, die das Verteilen der Werbezettel in unmittelbarer Nähe seines Ballhauses untersagt. Seine Klage ob der offensichtlichen Ähnlichkeiten bei Geschäftszeichen und Portieruniformen wird indes abgelehnt.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 22.03.2013 | 19:30 Uhr

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