Stand: 18.01.2019 17:09 Uhr

Der mysteriöse Tod des Großherzogs

Großherzog Adolf Friedrich VI. und das Wappen von Mecklenburg-Strelitz (Fotomontage) © NDR
Welches Geheimnis nahm Adolf Friedrich mit in den Tod?

Im Winter 1918, der Erste Weltkrieg wütet seit fast vier Jahren, ereignen sich im mecklenburgischen Neustrelitz Dinge, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Feststeht, dass Großherzog Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz am frühen Abend des 23. Februar mit seinem Hund zu einem Spaziergang aufbricht - aber nicht mehr zurückkehrt. Eine Suchaktion bleibt zunächst erfolglos, lediglich die Mütze seiner Uniform und den Hund sollen Helfer in der Dunkelheit entdeckt haben.

Erst am nächsten Morgen wird die Leiche von Adolf Friedrich gefunden. Sie treibt im Kammerkanal, einige Kilometer von der Residenz der Herzogs entfernt und weist eine Schusswunde auf. Als Todesursache wird offiziell "Ertrinken" festgehalten. Welche Umstände in seinem Leben könnten zu seinem rätselhaften Tod geführt haben?

Kindheit in der Kleinstadt

Schloss Neustrelitz auf einem historischen Foto aus der Zeit um 1935 © imago/Arkivi
Das stattliche Schloss in Neustrelitz brannte kurz vor Kriegsende 1945 ab.

Der Großherzog war Herrscher über ein kleines Reich mit rund 100.000 Einwohnern: Von seiner Geburt am 17. Juni 1882 an führt er zunächst ein Leben, wie es damals einem "Erbprinzen" zusteht. Mit seinen beiden älteren Schwestern Marie und Jutta sowie Bruder Carl Borwin wächst er in einem Palais in Neustrelitz auf, weitgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit, unterrichtet von einem Privatlehrer. Mit 16 Jahren verlässt Adolf Friedrich die Kleinstadt, besucht zunächst ein Gymnasium in Dresden und studiert später in München Rechtswissenschaften.

Häufiger Gast in London

Adolf Friedrich tritt in das Militär ein, bringt es in der Preußischen Armee bis zum Hauptmann und quittiert den aktiven Dienst 1911. Er kehrt nach Neustrelitz zurück, um sich auf seine künftigen Aufgaben als Großherzog vorzubereiten. Über seine Großmutter Augusta, eine geborene Prinzessin von Cambridge, hat das Haus Mecklenburg-Strelitz gute Verbindungen nach Großbritannien. Adolf Friedrich verbringt dort 1912 und 1913 die Sommermonate und hält sich gern in der Londoner Gesellschaft auf.

Als Großherzog in den Ersten Weltkrieg

Ein Abbild eines Gemäldes von Adolf Friedrich VI.
Hatte sich der Großherzog auf Kontakte mit den falschen Frauen eingelassen?

1914 stirbt sein Vater, Großherzog Adolf Friedrich V., im Alter von 65 Jahren. Aus dem Erbgroßherzog wird der Großherzog. Nur wenig später bricht der Erste Weltkrieg aus und Adolf Friedrich zieht in den Kampf. Nachfolger hat er ebenso wenig wie eine Ehefrau - obwohl er in adeligen Kreisen durchaus als attraktive, wohlhabende Partie gilt und mit verschiedenen Damen aus seinen Kreisen gesehen wird. Sollte Adolf Friedrich kinderlos sterben, wäre der Bestand des Herzogtums Mecklenburg-Strelitz in Gefahr. Schließlich scheint eine geeignete Kandidatin gefunden zu sein: eine Prinzessin aus München. Doch vor der geplanten Hochzeit stirbt der Großherzog.

Ein Abschiedsbrief mit vagen Andeutungen

Die Geschichte als Oper

Der ungeklärte Tod von Adolf Friedrich VI. hat Regisseur Lothar Krause dazu inspiriert, die Ereignisse in einer fiktiven Geschichte auf die Bühne zu bringen. Musikalische Grundlage für die Aufführung am Landestheater Neustrelitz ist die Oper "Ein Maskenball" von Giuseppe Verdi.

Man findet einen Abschiedsbrief, der jedoch keine konkreten Motive nennt. Offenbar hat sich Adolf Friedrich selbst getötet, am Rande des Kammerkanals eine Waffe gegen sich gerichtet, sodass er ins Wasser stürzte. Aber warum? Die Spekulationen blühen. In seinem Abschiedsbrief schreibt der Großherzog von einer Dame, von der er nicht losgekommen sei - ohne einen Namen zu nennen. Und: Er sei es nicht würdig weiterzuleben. Hatte er ein Verhältnis mit der im Abschiedsbrief erwähnten Frau? Entsprach sie nicht seinem Stand und erpresst ihn nun? Gibt es uneheliche Kinder? Jedenfalls fordert eine Dame nach dem Tod Adolf Friedrichs fünf Millionen Reichsmark von der Familie, bekommt sie aber nicht. Oder war der Großherzog homosexuell? Belegbare Antworten gibt es bis heute nicht.

Das Aus für Mecklenburg-Strelitz

Grabstätte von Großherzog Adolf Friedrich VI. auf der Liebesinsel in Mirow © imago/Norbert Fellechner
In Mirow, südwestlich von Neustrelitz, steht das Grabmal des Monarchen.

Mecklenburg-Strelitz, der kleinere Teil des mecklenburgischen Gesamtstaates, zu dem auch Mecklenburg-Schwerin gehört, steht nach dem Tod des Großherzogs ohne Thronfolger vor dem Ende. Doch wenige Monate später spielt diese Frage keine Rolle mehr: Die November-Revolution von 1918 fegt die Monarchie hinweg. Die Nationalsozialisten sorgen später für den Zusammenschluss der beiden Teile Mecklenburgs. Kulturschätze und vieles, was an Mecklenburg-Strelitz erinnert, werden aus Neustrelitz abtransportiert. Das Schloss brennt im April 1945 ab. Heute steht an dieser Stelle nur noch ein verfallener Keller. An den letzten Großherzog erinnert ein Grabmal auf der Liebesinsel in Mirow.

Weitere Informationen
Blick auf den Hebetempel im Schlosspark mit der Kopie der Skulptur der Hebe von Antonio Canova © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Monika Skolimowska

Neustrelitz: Auf den Spuren des Spätbarock

Die alte Residenzstadt liegt im Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte und beeindruckt mit ihrer einmaligen Stadtanlage. mehr

Gustav Noske spricht als Beauftragter der Reichsregierung am 5. November 1918 zu den U-Boot-Mannschaften in Kiel. © picture-alliance / akg-images

Novemberrevolution: Vom Matrosenaufstand zur Weimarer Republik

Am 9. November 1918 endet die letzte deutsche Monarchie. Begonnen hat die Revolution mit aufständischen Matrosen in Wilhelmshaven und Kiel. mehr

Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg. Postkarte von 1906. © akg-images

Revolution in Mecklenburg: Der letzte Großherzog dankt ab

In Mecklenburg dauert alles 50 Jahre länger, wird behauptet. Doch im November 1918 überschlagen sich die Ereignisse: Friedrich Franz IV. dankt ab - nur fünf Tage nach dem Kaiser. mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 13.01.2019 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Neuzeit

Mehr Geschichte

Hamburg, City Nord: Hauptverwaltung der damaligen Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW, heute Vattenfall Europe AG), nach Plänen von Arne Jacobsen ab 1966 erbaut (2020) © picture alliance / Bildarchiv Monheim Foto: Florian Monheim

Arne Jacobsen Haus: Moderner Klassiker in Hamburgs City Nord

1969 wurde in der City Nord in Hamburg ein zeitloses Bürogebäude eingeweiht. Entworfen hat es der Däne Arne Jacobsen. mehr

Norddeutsche Geschichte