Überwachungskamera an einem Pfahl in Hannover. © NDR Foto: Julius Matuschik

Smart Cities: Verheißungsvolle Zukunft oder perfekte Überwachung?

Stand: 06.11.2021 06:00 Uhr

Die Smart City verspricht, den Verkehr effizienter zu lenken, Energie sparsamer einzusetzen, das Leben der Stadtbewohner nachhaltiger und sicherer zu gestalten. Aber ist die Smart City auch eine demokratischere Stadt oder drohen neue Gefahren der Überwachung des öffentlichen Lebens wie in China?

von Jochen Rack

"Smart City" heißt ein Zauberwort, mit dem IT-Unternehmen seit einigen Jahren Stadtplaner und Urbanisten bezirzen, um ihre Technologien an den Mann zu bringen. Die digital aufgerüstete, intelligente Stadt verspricht, das Leben in den Städten in vieler Hinsicht zu verbessern. Smart soll der Verkehr werden: reibungsloser, effizienter, umweltfreundlicher. Smart soll die Energieversorgung der Stadt in der Zukunft sein: sparsamer und vernetzter. Smart soll die Verwaltung der Städte werden: leichter zugänglich für den Bürger, transparenter, demokratischer. Und smart soll die City sein im Blick auf ihre Sicherheit: besser gerüstet gegen Naturkatastrophen, Unfälle aller Art, auch gegen Kriminalität. Die digitale, intelligente Stadt gilt ihren Befürwortern als Antwort auf die ökologischen Probleme der Gegenwart: um die Klimakrise und die schädlichen Auswirkungen von schlechter Luft und Lärm in den Griff zu kriegen.

Denn die Smart City soll eine Green City sein. Intelligente Lichtmasten, die Umwelt- und Verkehrsdaten messen, und Apps, die den Zugriff auf elektrische Mobilitätsangebote ermöglichen, sind nur der Anfang. Die große Vision ist die Stadt als kybernetische Maschine, in der alle Abläufe technokratisch optimiert sind. Das setzt einen großflächigen Umbau der Städte voraus, ihre Ausrüstung mit digitaler Infrastruktur, Sensoren im öffentlichen Raum, Kameras und Messstationen überall. Ziel ist die Vernetzung all der gewonnenen Daten durch IT-Systeme, die eine Art dreidimensionaler Karte erstellen, die die urbanen Ereignisse in Echtzeit erfasst und damit der Steuerung zugänglich macht.

Ein technologischer Wunschtraum

Jochen Rack © Jochen Rack
Jochen Rack, geboren 1963, lebt als freier Autor, Kritiker, ARD-Hörfunkjournalist und Mitarbeiter der Redaktion Kulturkritik des Bayerischen Rundfunks in München.

Am liebsten würden die Smart-City-Apologeten die Stadt von Grund auf neu bauen; ihre Spielwiese sind Städte, die auf dem Reißbrett entstehen: nicht im alten Europa, wo die Stadt schon viele Jahrhunderte, gar Jahrtausende Geschichte auf dem Buckel hat, sondern in asiatischen oder arabischen Ländern, wo man Städte unbehindert von den historisch gewachsenen Strukturen und Infrastrukturen errichten kann.

In der technologischen Utopie der Smart City lässt sich ihre digitale Infrastruktur bereits beim Aufbau integrieren - am besten auch in den Häusern, die als Smart Homes konzipiert werden. Die Smart City ist ein technologischer Wunschtraum: ein Ensemble von Smart Homes, Smart Streets, Smart Mobility, Smart Grids - eine ungeheuer effiziente Maschine, ein tolles High-Tech-Produkt.

Alles läuft wie geschmiert

Das alles braucht natürlich auch Smart Citizens, die sich entsprechend den Vorgaben der technischen Vernunft verhalten. Sie steigen nur ins Auto, wenn es ihnen die Smart App empfiehlt, und fahren vom Navi ausgewiesene Umwege, um Staus zu vermeiden. Sie nehmen den Elektrobus oder die U-Bahn, wenn die Smart City meldet, dass die Abgaswerte in der Stadt zu hoch sind. Die Vernetzung aller Verkehrssysteme macht Staus und Verspätungen seltener, alles läuft wie geschmiert. Weniger Stress, weniger Lärm, weniger Umweltverschmutzung sind die Folge.

In den Stadtverwaltungen der Smart City sind ganz neue Abteilungen entstanden, die die Kompetenzen von bislang getrennten Bereichen bündeln: Verkehr, Energie, Umwelt, Sicherheit werden nun vernetzt geplant. Intelligente Mülltonnen, die per Internet melden, ob sie voll oder leer sind, erlauben es der Müllabfuhr, nur dann zu kommen, wenn es sich lohnt. Intelligente Lichtmasten messen die Luftfeuchtigkeit sowie die Luftqualität und melden den Bewohnern der Stadt, wann es besonders sinnvoll ist, die Wohnungen zu lüften - und wann man es besser sein lassen sollte. Die schöne neue Welt der Smart City ist ein urbanes Universum der Sicherheit, des Wohlbefindens, einer nachhaltig-grünen Lebensweise.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Gedanken zur Zeit | 06.11.2021 | 13:05 Uhr

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