Korruptionsaffäre in Hannover: Staatsanwalt weist Vorwürfe zurück
Im Prozess gegen den mutmaßlich korrupten Staatsanwalt Yashar G. hat der Beschuldigte am Montag vor Gericht Stellung bezogen. Er äußerte den Verdacht, dass der eigentliche Maulwurf im LKA Niedersachsen zu suchen sei.
Der angeklagte Yashar G. hat am Montag alle Vorwürfe gegen ihn vor dem Landgericht Hannover zurückgewiesen. Diese entbehrten jeder Grundlage, sagte er. Bei seiner mehrstündigen Einlassung wirkte G. ruhig und gefasst. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im größten Kokainverfahren der europäischen Geschichte mit den Tätern zusammengearbeitet zu haben. Für sensible Informationen soll G. von der Drogenbande eine Vergütung von 5.000 Euro im Monat erhalten haben und weitere 5.000 Euro für besonders relevante Informationen.
Erster Verdacht im LKA bereits 2019
Vor Gericht erklärte G. nun, dass im Landeskriminalamt Niedersachsen bereits im Oktober 2019 der Verdacht aufgekommen ist, dass ein Polizeibeamter Informationen an eine Drogenbande weitergeben könnte. Gegen die Bande wurde zu diesem Zeitpunkt unter dem Namen "Ermittlungsverfahren Belarus" ermittelt. Teile der Bande sollen einige Jahre später auch bei dem Schmuggel von 16 Tonnen Kokain eine zentrale Rolle gespielt haben ("Ermittlungsverfahren Adios").
Eigentlicher Maulwurf soll Teil des LKA Niedersachsen sein
Nach Angaben von Yashar G. habe ihn das LKA bereits 2019 darüber informiert, dass es beim LKA einen Maulwurf geben soll, der gegen Geldzahlungen vertrauliche Informationen weitergebe. Dies hätte eine Vertrauensperson den Ermittlerinnen und Ermittlern gesagt. Die Aussage sei auch deshalb glaubwürdig gewesen, da die Täter offenbar über zahlreiche Ermittlungsschritte informiert gewesen seien. So hätte das LKA bereits frühzeitig einen Überwachungsbeschluss für das Auto eines mutmaßlichen Haupttäters erwirkt. Anschließend hätten die Täter das Auto kaum noch genutzt und wenn, dann kaum noch miteinander gesprochen. Kurze Zeit später hätte der Haupttäter den Wagen verkauft.
LKA-Mitarbeiter soll Verwandter des Haupttäters sein
Erschwerend komme hinzu, dass es beim Einbau der "Wanze" in den Wagen der Täter Anfang 2020 zu einer Panne gekommen sein soll. Bei dem Techniker des LKA, der die Wanze in das Auto eingebracht hat, soll es sich ausgerechnet um einen Verwandten des mutmaßlichen Haupttäters der Drogenbande gehandelt haben. Das LKA sei hierüber informiert gewesen, dennoch soll der LKA-Mitarbeiter bis heute an gleicher Stelle arbeiten.
Angeklagter Staatsanwalt: LKA wolle von Leck in eigener Behörde ablenken
Weiter seien bei den LKA-Ermittlungen gegen den Maulwurf zwei Polizisten in den Fokus geraten. Es sei ihm unklar, was aus diesen Ermittlungen inzwischen geworden sei, erklärte der Angeklagte. Yashar G. machte in der Verhandlung deutlich, dass er in seinen Ermittlungen besonders akribisch vorgegangen sei und alles darangesetzt habe, auch solche Täter zu ergreifen, die sich ins Ausland abgesetzt hatten. "Wieso hätte ich das tun sollen, wenn ich der Maulwurf gewesen bin?" Aus seiner Sicht würden die Vorwürfe gegen ihn vor allem einen Zweck haben, nämlich von dem eigentlichen Leck im LKA abzulenken. Eine Sprecherin des Landeskriminalamts Niedersachsen erklärte auf Nachfrage des NDR, man äußere sich grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren.
In der Vergangenheit Razzia bei IT-Unternehmen
In den Ermittlungsakten finden sich nach NDR Informationen Hinweise darauf, dass es mehrere Lecks in den Ermittlungsbehörden gegeben haben könnte. In diesem Zusammenhang wurde im vergangenen Jahr auch eine Hannoversche IT-Consulting-Firma durchsucht, die als Dienstleister des LKA Niedersachsen tätig war. Die Firma wurde von einem der Hauptbeschuldigten des 16-Tonnen-Kokain-Verfahrens gegründet und wurde in den vergangenen Jahren von dessen Mutter geleitet.
Verfahren bis Herbst angesetzt
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Yashar G.besonders schwere Bestechlichkeit sowie Verletzung von Dienstgeheimnissen und Strafvereitelung im Amt vor. Sie stützt ihre Anklage unter anderem auf zahlreiche Beweismittel, die bei Yashar G. sichergestellt wurden, darunter dutzende Fotos aus sensiblen Ermittlungsakten. Auch belasten mehrere Zeugen den angeklagten Staatsanwalt. Yashar G. wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die gegen ihn aufgefahrenen Zeugen größtenteils von ihm zuvor verurteilt worden seien. Als deren Motiv ließe sich unter anderem Rache vermuten. Der Prozess gegen Yashar G. ist bis Herbst 2025 angesetzt.
