Klimawandel: Mücken und Zecken breiten sich aus

Im Zuge des Klimawandels wird es wärmer - und das begünstigt auch die Verbreitung von Mücken- und Zeckenarten im Norden, die gefährliche Erreger übertragen können. Dabei kommen mehrere Faktoren zusammen: Je milder der Winter, desto bessere Bedingungen haben Mückenarten, die eigentlich in exotischen Regionen heimisch sind, sich hierzulande anzusiedeln. "Es ist durchaus möglich, dass sich als Folge der Klimaerwärmung neue - wärmeliebende - Stechmückenarten in Deutschland etablieren", heißt es dazu beim Umweltbundesamt. "Damit steigt auch die Gefahr, dass in Deutschland Stechmückenarten vorkommen, die potente Überträger gefährlicher Krankheitserreger sind."
Extremwetter fördert Ausbreitung
Dabei fördern nicht nur wärmere Winter die Ausbreitung der Insekten, sondern auch Extremwetterereignisse mit heftigen Regenfällen: "Wetterbedingungen, in denen sich lange warme Perioden mit Starkregenereignissen abwechseln, können die Vermehrung von Stechmückenpopulationen begünstigen", heißt es beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.
Tigermücke gilt als Überträger tropischer Krankheiten
Die Asiatische Tigermücke steht seit vielen Jahren im Zentrum wissenschaftlicher Forschung, denn sie ist ein Vektor - also ein Überträger - für rund 20 Tropenkrankheiten. Dazu gehören das Chikungunya- und das Dengue-Fieber sowie das Zika-Virus. Seit Ende der 1980er-Jahre ist die aus dem asiatisch-pazifischen Raum stammende Stechmückenart in Südeuropa heimisch und wird über den globalen Reise- und Lkw-Verkehr aus Italien oder Frankreich nach Deutschland eingeschleppt. Schon kleinste Wasseransammlungen, zum Beispiel in Regentonnen oder Friedhofsvasen, reichen den Insekten, um ihre Eier abzulegen und sich fortzupflanzen.
Höhere Temperaturen schaffen günstige Bedingungen
Im Norden kommt die Tigermücke bislang nicht vor, rund um Freiburg und Heidelberg konnten aber bereits Populationen heimisch werden. "Wenn die Temperaturbedingungen im Norden günstiger werden, muss man damit rechnen, dass sich die Art auch dort etablieren kann", erklärt Dr. Renke Lühken vom BNITM. Bereits in der Region Hannover angekommen ist die Japanische Buschmücke, die potenzieller Überträger des West-Nil-Virus ist.
Risiko für Infektionen steigt
Gefährlich sind die invasiven Mückenarten an sich zunächst nicht. Sie müssen erst tropische Krankheitserreger von einer infizierten Person aufnehmen, können sie aber dann auf andere Menschen übertragen. Im Mittelmeerraum, wo die Tigermücke verbreitet ist, habe es bereits Chikungunya-Ausbrüche gegeben, sagt Lühken. Das Risiko für die Übertragung exotischer Krankheitserreger steige, wenn die Populationen invasiver Mückenarten größer würden: "Aktuell ist das Risiko, durch eine Tigermücke mit einem Erreger infiziert zu werden, extrem gering. Langfristig dürfte diese Gefahr aber steigen." In einem Forschungsbericht zur Vektorkompetenz von Mücken und Zecken im Zuge des Klimawandels halten die beteiligten Wissenschaftler einen Ausbruch des Chikungunya-Virus in Deutschland zumindest für möglich. Das Auftreten von Dengue- und Zika-Fieber dagegen sei deutlich weniger wahrscheinlich.
Auch heimische Mückenarten übertragen Krankheiten
Nicht nur invasive Arten wie die Asiatische Tigermücke können Krankheiten übertragen, sondern auch heimische Mücken der Gattung Culex. Ob sie Tropenkrankheiten wie das Dengue-Fieber und das Chikungunya-Virus von Mensch zu Mensch übertragen können, wird derzeit noch untersucht. Klar ist aber bereits, dass einige Culex-Arten das West-Nil-Virus und das Usutu-Virus auf Vögel und andere Tiere, aber auch den Menschen übertragen können.
Usutu-Virus tötet Zehntausende Vögel
Im Hitze-Sommer 2018 starben Zehntausende Vögel, vor allem Amseln, am Usutu-Virus, das von Mücken auf Vögel übertragen wird. Das Virus trat in Deutschland in etlichen Gebieten auf, erstmals wurde es dabei auch in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen sowie in einigen Regionen in Niedersachsen nachgewiesen. Die Symptome beim Menschen sind mit Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschlägen eher unspezifisch. In seltenen Fällen ist laut BNITM aber auch Gehirnentzündung möglich.
Ansteckung beim Menschen nur durch Mücken möglich
Eine Ansteckung mit dem Usutu-Virus ist nur durch einen Mückenstich, nicht durch den Kontakt mit infizierten Vögeln möglich. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich das Virus, das seit 2010 in Deutschland kursiert, bereits etabliert hat. Es überwintere vermutlich in den Mücken und werde jedes Frühjahr neu in die Vogelpopulation eingetragen, sagt Lühken: "Die Entwicklung des Virus in der Mücke ist temperaturabhängig. Je wärmer es ist und je milder der Winter, desto besser kann das Virus zirkulieren."
West-Nil-Fieber bei Vögeln und Pferden
Das West-Nil-Virus zirkuliert normalerweise zwischen Mücken und Vögeln, kann aber auch auf andere Säugetiere und den Menschen übertragen werden. 2018 kam es in Deutschland zu mehreren Ausbrüchen des West-Nil-Fiebers bei Vögeln und auch Pferden, die vor allem Gebiete auf einer Achse von Rostock bis München betraf. Infektionen beim Menschen wurden nicht bekannt. Ebenso wie beim Usutu-Virus bleibt eine Infektion bei Menschen oft unbemerkt, es kann aber ebenfalls zu einer gefährlichen Gehirnentzündung kommen. 1999 war der ursprünglich aus Afrika stammende Erreger erstmals in den USA nachgewiesen worden. In den vergangenen Jahren verbreitete sich das West-Nil-Virus rasant vom äußersten Südosten Europas aus.
Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken
Heimische Zecken sind schon lange als Überträger von Borrelien-Erkrankungen und der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) bekannt. Zecken mögen milde, feuchte Winter. Für Schweden konnten Forscher feststellen, dass sich die Zeckenpopulation in den vergangenen Jahren immer weiter nach Norden ausbreitete. Für Deutschland halten Wissenschaftler einen Anstieg der Zeckenpopulation und damit der Fallzahlen von Lyme-Borreliose im Zuge des Klimawandels zumindest für möglich.
Emsland ist FSME-Risikogebiet im Norden
FSME hat sich in Deutschland bisher vor allem im Süden und Osten ausgebreitet, allerdings wurden zuletzt auch im Nordosten Fälle verzeichnet: Zwischen 2004 und 2011 gab es mindestens fünf FSME-Fälle in Mecklenburg-Vorpommern beim Menschen, nachdem es dort 19 Jahre gar keine Nachweise gegeben hatte. Das Robert Koch-Institut führt seit diesem Jahr mit dem niedersächsischen Emsland erstmals eine norddeutsche Region als FSME-Risikogebiet.
Etabliert sich die Hyalomma-Zecke?
Zudem halten es Wissenschaftler für möglich, dass sich invasive Arten wie die Hyalomma-Zecke im Zuge des Klimawandels hierzulande etablieren könnten. Diese sehr große Zecke, die unter anderem im Mittelmeerraum und auf dem Balkan vorkommt, kann das Krim-Kongo-Fieber übertragen, das zu einer erhöhten Blutungsneigung führt und in schweren Fällen tödlich sein kann. Im Gegensatz zum Gemeinen Holzbock, der im Norden heimisch ist, ziehen Hyalomma-Zecken Trockenheit vor. Daher können trockene Sommer den Forschern zufolge die Ausbreitung von Zecken nach Mitteleuropa begünstigen.
Zugvögel schleppen einzelne Tiere ein
Einzelne Hyalomma-Zecken wurden in Deutschland bereits gefunden, die allerdings keine Erreger des Krim-Kongo-Fiebers in sich trugen. Vermutet wird, dass sie von Zugvögeln eingeschleppt wurden. Bei einem in Niedersachsen gefundenen Exemplar gehen Wissenschaftler davon aus, dass es in Deutschland überwintert hat.
Vor Mücken- und Zeckenstichen schützen
Die globale Erwärmung verbessere insgesamt die Fähigkeit von Mücken und Zecken, Infektionen zu übertragen, schlussfolgern Wissenschaftler des Forschungsberichts zur Vektorkompetenz von Mücken und Zecken. Sie raten, bei Infektionen unklarer Ursache künftig vermehrt an tropische Erreger zu denken.
Lühken rät den Menschen, nicht panisch zu werden und nicht bei jedem Mückenstich gleich an gefährliche Krankheiten zu denken. Am besten sei generell, sich vor Stichen zu schützen.
