Stand: 01.10.2019 22:30 Uhr

Chat-Protokoll: Stent oder Bypass?

Prof. Ingo Kutschka zu Gast bei Visite.
Prof. Ingo Kutschka hat im Visite Chat Fragen zum Thema Stent und Bypass beantwortet.

Sechs Millionen Menschen in Deutschland haben Durchblutungsstörungen am Herzen. Die Adern, die den Herzmuskel mit Blut und Sauerstoff versorgen, sind verstopft. Es kommt zu einem Engegefühl in der Brust, das Risiko für einen Herzinfarkt wächst. Um einzelne Engstellen zu weiten, können mithilfe von dünnen Kathetern kleine Gefäßstützen, Stents, am Herzen platziert werden. Sind jedoch mehrere Adern betroffen, ist eine offene Bypass-Operation häufig die bessere Lösung. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile, die bei jeder Patientin und jedem Patienten individuell abgewogen werden müssen, damit das Herz langfristig wieder gut durchblutet wird.

Der Herzchirurg Prof. Ingo Kutschka hat im Visite Chat Fragen zum Thema Durchblutungsstörungen am Herzen beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen:

Melly S.: Mein Vater, 67, hat häufiger eine Arterienverkalkung, aber es werden immer nur Stents gesetzt. Ist das normal? Vergangenes Jahr hatte er einen Herzinfarkt mit RCA-Verschluss. RCA-Rekanalisation wurde gemacht, zwei Monate später wurden noch mal zwei bis drei Engstellen mit einem Stent bearbeitet. Würde ein Bypass nicht mehr Sinn machen? Oder ist er zu alt für einen Bypass?

Prof. Ingo Kutschka: Wenn auch die Herzkranzgefäße der linken Herzseite betroffen sind, sollte man tatsächlich gegebenenfalls eine Bypass-Operation in Erwägung ziehen. Dazu müsste man den Herzkatheter-Befund genau ansehen und dann entscheiden. Damit am besten in ein Herzzentrum gehen, wo Ärztinnen und Ärzte der Kardiologie und Herzchirurgie gemeinsam die Entscheidung treffen können.

Cor: Gibt es eine Konkurrenz zwischen Kardiologen und Herzchirurgen bei der Behandlung mit Stents beziehungsweise Bypässen?

Kutschka: Es sollte im Interesse der Patienten keine Konkurrenz, sondern ein gutes Miteinander geben. Dies trifft zum Beispiel bei uns im Herzzentrum Göttingen zu.

Jochen R.: Ich führe gerade ein Blutdruck-Protokoll durch. Mein Blutdruck ist okay, der Puls viel zu niedrig (abends immer nur 45). Ich fühle mich häufig schlapp und der Kardiologe hat bei mir entdeckt, dass eine Herzklappe nicht so richtig schließt. Was sollte ich in dieser Situation machen?

Kutschka: Bezüglich des niedrigen Pulses sollte man mittels eines Langezeit-EKGs feststellen, ob gegebenenfalls die Implantation eines Schrittmachers erforderlich ist. Gegebenenfalls können auch Herzmedikamente wie Betablocker für einen niedrigen Puls verantwortlich sein. Bezüglich der Herzklappe muss man den Schweregrad mittels einer Ultraschalluntersuchung beurteilen und kann dann entscheiden, ob an der Herzklappe eine Therapie erforderlich ist. Dies kann eine Reparatur oder auch ein Herzklappenersatz sein.

Marcus: Ich hatte vor einem Jahr den plötzlichen Herztod mit drei Gefäßverschlüssen. Es wurden vier Stents in zwei Gefäßen und drei Wochen später noch ein Stent im dritten Gefäß gesetzt. Fühle mich prima und treibe viel Sport. Belastung mit 250 Watt ist kein Problem. Wäre eine Bypass-Operation hinsichtlich der Lebenserwartung besser gewesen?

Kutschka: Die Stents sind bei Ihnen richtigerweise bei akutem Gefäßverschluss gesetzt worden. Somit war die Therapie absolut richtig. Dennoch sollten Sie in regelmäßigen Abständen kardiologische Untersuchungen durchführen lassen. Sollte Ihre koronare Herzerkrankung fortschreiten und es gegebenenfalls zu erneuten Engstellen oder Stent-Verschlüssen kommen, kann gegebenenfalls eine Bypass-Operation noch sinnvoll sein.

Schura: Bei HOCM und Diabetes bei Gefäßverschluss - Stent oder Bypass?

Kutschka: Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten und hängt vom Ausmaß und der Verteilung der Gefäß-Stenosen / -Verschlüsse ab.

Juliana: Vor zwei Jahren hatte mein Mann einen Herzinfarkt, wobei ihm insgesamt acht Stents gesetzt wurden. Er ist Diabetiker Typ 1. Welche Untersuchungen sollten in Abständen erfolgen, um neue Infarkte / einen Schlaganfall rechtzeitig zu erkennen?

Kutschka: Ihr Mann sollte sich mindestens einmal jährlich beim Kardiologen vorstellen und das Herz mittels EKG und Ultraschall untersuchen lassen. Auch die Halsschlagadern sollten mit Ultraschall (Doppleruntersuchung) evaluiert werden. Bei schwerer KHK (Koronarer Herzkrankheit) und Diabetes kann bei Fortschreiten der Erkrankung auch noch eine Bypass-Operation erforderlich werden.

Sonne: Ich bin starke Bluthochdruckpatientin mit familiärer Hypercholesterinämie. Ist hier die Vorbeugung schon so wichtig, wenn man noch recht jung ist?

Kutschka: Ja, unbedingt. Strenge Blutdruckeinstellung, cholesterinsenkende Medikamente, Gewichtskontrolle und moderat Sport.

Inko: Ich habe sehr viele Extrasystolen. Können diese auch von meinen HWS-Problemen kommen? Ich habe Verengungen und bemerkt, dass sich, wenn ich auf dem Rücken liege und nur den Kopf zur Seite neige, die Systolen ändern. Kann sie leider aber nicht wirklich beeinflussen. Es ist eine große Belastung für mich und ich habe die Extraschläge nicht immer.

Kutschka: Sehr wahrscheinlich haben die Extrasystolen mit Ihrer Halswirbelsäule nichts zu tun. Möglicherweise nehmen Sie die Extraschläge im Liegen einfach eher wahr. Dennoch empfehle ich ein Langzeit-EKG, sodass man sehen kann, ob die Herzrhythmusstörungen nachts vermehrt auftreten.

Mulle: Merkt man, dass man einen Stent hat?

Kutschka: Nein, man merkt es nicht, dass man einen Stent hat.

Hinrich S.: Ich habe drei Bypässe und würde gern wissen, wie lange die halten.

Kutschka: Bypässe können sehr lange halten. Wir sehen Patienten, bei denen Bypässe, die vor 15 Jahren und länger angelegt wurden, noch gute Funktion haben.

Mulle: Ich habe vor zwei Monaten einen Stent erhalten. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder verstopft?

Kutschka: Ob ein Stent wieder verstopft, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel, wie groß das Gefäß ist, in dem sich der Stent befindet und wie viel Blut über den Stent fließt. Sie selbst können das Überleben eines Stents beeinflussen, indem Sie die Risikofaktoren für KHK (Bluthochdruck, Blutfettwerte, Übergewicht, Nikotin) möglichst reduzieren.

Wagner: Meine Tochter ist 13 Jahre alt und wurde mit acht Wochen am Herzen wegen einer Aortenisthmusstenose operiert. Am operierten Bereich ist wieder eine Engstelle vorhanden. Kann man dies auch mit einem Stent erweitern?

Kutschka: Diese Frage ist so schwer zu beantworten. Dazu muss man den Befund genau kennen. Bitte wenden Sie sich an Ihr kinderkardiologisches Zentrum.

Helgi: Ich bin weiblich und 67 Jahre alt. Bei mir wurde nach einer Hüft-Operation ein Takotsubo (Broken-Heart) festgestellt. Ich habe jetzt ein Stress-MRT gemacht und da wurde mir geraten, eine TEE (Transösophageale Echokardiographie) zu machen. Zusätzlich, HKU (Herzkatheteruntersuchugn) bei formal pathologischer Dopaminbelastung zu diskutieren. Ich habe immer noch Beschwerden, was soll ich tun?

Kutschka: Wenn sich Ihre Herzfunktion im Ultraschall erholt und in der Herzkatheter-Untersuchung keine hochgradigen Engstellen zu sehen sind, sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Bitte jährliche Kontrollen bei Ihrem Kardiologen.

Tina: Kann man einen Stent austauschen?

Kutschka: Einen Stent kann man nicht wieder entfernen. Man kann gegebenenfalls einen neuen Stent in einen alten einsetzen oder bei einem Stentverschluss und Beschwerden gegebenenfalls auch einen Bypass anlegen.

Josef: Frage zur Bypass-Operation: Wachsen entnommene körpereigene Venen nach und können später bei eventueller nochmaliger Operation verwendet werden?

Kutschka: Nein, die Venen wachsen nicht wieder nach. Aber es gibt in der Regel genug anderes Bypass-Material, um eine nochmalige Bypass-Operation durchzuführen, zum Beispiel die linke Arm-Arterie oder die rechte Brustwand-Arterie. Gegebenenfalls ist auch am anderen Bein noch geeignete Vene vorhanden.

Jeppejo: Ich habe im vergangenen Jahr drei Stents bekommen. Jetzt, ein Jahr später, drei Bypässe. Ich leide seit eineinhalb Jahren an schlimmer Schlaflosigkeit. Ist es möglich, dass sich mein Zustand innerhalb eines Jahres durch die Schlaflosigkeit dermaßen verschlimmert hat?

Kutschka: Nein, es sollte kein Zusammenhang Ihrer Herzerkrankung mit der Schlaflosigkeit bestehen.

Pastor: Kann ein Stent auch an einer Gefäßknickstelle gut plaziert werden? Ich möchte keinen Bypass am offenen Herzen.

Kutschka: Dazu muss man den Herzkatheterfilm kennen. Wenn die Engstelle kurzstreckig ist und nicht schwer verkalkt, sollte auch ein Stent möglich sein.

Steffen: Ich bin 55 Jahre alt. Hatte schon zwei Herzinfarkte, die mit Stents behandelt wurden. Mittlerweile waren schon zweimal Stents verschlossen. Meine Herzpumpleistung beträgt nur noch 35 Prozent. Es bahnen sich erneut Brustschmerzen an. Was raten Sie mir?

Kutschka: Aufgrund Ihrer eingeschränkten Herzfunktion und offensichtlich einer koronaren Mehrgefäßerkrankung könnte bei Ihnen gegebenenfalls eine Bypass-Operation sinnvoll sein. Dies sollte anhand einer neuen Herzkatheteruntersuchung entschieden werden.

F.A.: Bei mir ist vergangenes Jahr durch einen Herzkatheter eine mikrovaskuläre Herzkrankheit festgestellt worden. Ich bin 55 Jahre alt. Ich möchte wissen, ob sich die kleinen Herzkranzgefäße wieder öffnen können? Ich habe ASS und Statine verordnet bekommen.

Kutschka: Sehr kleine Herzkranzgefäße kann man in der Regel nicht wieder eröffnen. Auch eine Bypass-Anlage ist dann nicht geeignet. Hier sollte man die optimale konservative Therapie durchführen (Cholesterinsenkung, Blutdruckeinstellung, Gewichtsreduktion, Nikotinkarenz). Als Medikamente sind ASS, Statine und Betablocker empfehlenswert.

Stephan: Ich habe acht Stents bekommen. Bypass oder Stent war angeblich als gleichwertig anzusehen. Habe mich für den Stent entschieden. Wenn es eines Tages Probleme gibt, kann dann noch eine Bypass-Operation durchgeführt werden?

Kutschka: Ja. Man kann in der Regel noch eine Bypass-Operation durchführen, wenn es zu Stent-Stenosen oder -Verschlüssen kommt. Möglicherweise wäre tatsächlich bereits früher eine Bypass-Operation empfehlenswert gewesen.

Tina S.: Mein Mann hatte mit 38 einen Herzinfarkt und es wurden drei Stents gesetzt. Das ist mittlerweile drei Jahre her. Wäre eine Bypass-Operation besser gewesen? Mein Mann war bis dahin gesund - kein Bluthochdruck, nichts. Er arbeitet körperlich im Metallbau und ist nicht sehr übergewichtig (95 Kilogramm bei 1,80 Meter).

Kutschka: Da man den genauen Befund Ihres Mannes nicht kennt, ist das schwer zu beurteilen. Es sollte aber unbedingt bei erneutem Auftreten von Beschwerden eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden - am besten in einem Zentrum, in dem Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam entscheiden können, welches weitere Vorgehen empfehlenswert ist.

Dieses Thema im Programm:

Visite | 01.10.2019 | 20:15 Uhr

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