Windräder der Superlative gehen in der Wilstermarsch ans Netz
Die Windräder der neuesten Generation werden immer größer. In Nortorf im Kreis Steinburg montieren Arbeiter aktuell Anlagen, die zu den leistungsstärksten Deutschlands gehören. Der Bau war schwierig, weil der Boden in der Wilstermarsch sehr weich ist.
Da die Montage der Rotorblätter nur bei schwachem Wind möglich ist, mussten die Techniker lange warten, bis die Windverhältnisse passten. Am vergangenen Wochenende war es nun so weit. Der aus England stammende Bauleiter Graham Purves überwacht die Montage des letzten Rotorblattes. "Wir haben ideale Bedingungen, um das letzte, 76 Meter lange Rotorblatt zu montieren. Es ist trocken und es weht nur ein schwacher Wind von drei bis maximal sieben Meter pro Sekunde." Zwei Arbeiter haben das Rotorblatt noch einmal sauber gewischt, bevor der Kran es in Richtung Nabe hebt. Dort oben in 122 Meter Höhe warten zwei Kollegen im Inneren des Turms, um das Rotorblatt zu verschrauben.
Deutschland-Premiere in der Wilstermarsch
Eine der derzeit leistungsstärksten Onshore-Windkraftanlagen der Welt feiert Deutschland-Premiere: Die beiden Windräder leisten jeweils 6,6 Megawatt und übertreffen damit alles, was bislang in Deutschland an Land installiert wurde. "Mit knapp 200 Metern Gesamthöhe gehören sie zu den größeren Windrädern, die im Land gebaut werden", sagt Marco Lange, Sprecher von Siemens Gamesa. "An anderen Orten ist der Turm noch circa 45 Meter höher." An der Westküste sei es aufgrund des flachen Landes und der guten Windbedingungen aber nicht notwendig, so hoch zu bauen.
Auf die Größe des Rotors kommt es an
Die Windräder der neuesten Generation zeigen, wie sich die Windkraft technisch entwickelt hat. Das Vorgängermodell erzeugte nur 4 Megawatt. "Der Leistungszuwachs lässt sich durch die größeren Rotoren erklären. Je größer der Rotor ist, desto mehr Wind kann die Anlage einfangen", erklärt Lange. Ein Modell-Upgrade mit sieben Megawatt Leistung hat das Unternehmen kürzlich vorgestellt. Ein Rotorblatt misst dann noch einmal knapp 7,5 Meter mehr. Nur Offshore-Windräder sind noch größer - und haben mit bis zu 15 Megawatt noch mehr Leistung.
Fertigstellung verzögerte sich um mehrere Monate
Die Inbetriebnahme der beiden neuen Windräder in Nortorf war eigentlich für den Sommer 2022 geplant. Wegen Lieferschwierigkeiten hat sich der Termin bis in den November verschoben. "In den Anlagen stecken diverse Teile, die unter anderem in China gefertigt werden. Und wenn wegen eines Corona-Lockdowns die Schiffe den Hafen nicht verlassen können, fehlen die Komponenten eben auch bei uns in den Werken, wo die Maschinen zusammengebaut werden", so Lange.
Vier alte Anlagen werden abgebaut
Die beiden neuen Anlagen ersetzen vier ältere Windräder, die zusammen auf eine Leistung von 8,45 Megawatt kamen. Also rund fünf Megawatt weniger. "Das verdeutlicht, wie gewaltig der Sprung in der Leistung ist", sagt Mario Mehrens. Er ist Geschäftsführer des Windparks Nortorf II. Sein Unternehmen investiert 13 Millionen Euro.
Der Bau war eine Herausforderung, denn der Boden ist sehr weich. Es war sehr aufwendig, ihn zu stabilisieren. Trotzdem wird sich der Aufwand lohnen, hofft er. "Das Land Schleswig-Holstein hat die Fläche als geeignet ausgewiesen. Und das ist ein sehr guter Windstandort hier. Wir erzielen einen hohen Windenergieertrag pro Hektar Fläche", erklärt der Unternehmer. In spätestens 20 Jahren, so seine Berechnung, hat sich die Millionen-Investition refinanziert.
Rotor-Montage dauert zwei Stunden
Nach 20 Minuten dockt das dritte Rotorblatt an der Nabe an. "Jetzt dauert es noch ungefähr 90 Minuten, bis alle 65 Bolzen mit der Nabe verschraubt sind", erklärt Bauleiter Purves. In den kommenden Tagen müssen die Techniker dann unter anderem die Elektrik überprüfen. Insgesamt zehn Tage dauert es noch, bis das Windrad dann den ersten Strom produziert.