Ein Gaszähler im Keller zeigt den Verbrauch an. © imago images/Future Image Foto: Christoph Hardt

Was bedeutet der "Notfallplan Gas" für Schleswig-Holstein?

Stand: 30.03.2022 16:28 Uhr

Die Bundesregierung bereitet sich wegen des Kriegs in der Ukraine auf mögliche Gas-Engpässe vor. Konsequenzen hätte das in Schleswig-Holstein vor allem für die Chemieindustrie und die Landwirtschaft. Die Versorgung privater Haushalte sei gesichert, könnte aber teuer werden.

Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine sind längst in Schleswig-Holstein angekommen. Am deutlichsten wird das an den steigenden Energiepreisen sichtbar. Tanken macht längst keinen Spaß mehr und viele Menschen fürchten nun auch explodierende Preise bei den Heizkosten oder gar Engpässe bei der Gasversorgung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat nämlich die Frühwarnstufe des "Notfallplans Gas" ausgerufen.

Gasversorgung momentan für alle gewährleistet

Das schleswig-holsteinische Energiewendeministerium beobachte die Lage nach eigenen Angaben genau. "Es ist gut, dass der Bundeswirtschaftsminister diese Stufe ausgelöst hat, denn es bedeutet, dass wir vorbereitet sind für einen möglichen Ernstfall", sagt Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht (Grüne). Ob und wann dieser Ernstfall eintreffe, sei von vielen Faktoren abhängig, unter anderem vom Vorgehen des russischen Präsidenten Putin.

Die Politik stimmt laut Albrecht aktuell mit der Bundesnetzagentur ab, wer im Falle einer Knappheit Priorität bei der Gasversorgung hat. Klar sei, dass Gaslieferungen zur Wärmeversorgung der Privathaushalte nicht eingeschränkt wird. "Dann muss geschaut werden, welche Zweige in der verarbeitenden Industrie zum Beispiel runtergefahren werden können, ohne dass enorme Folgen zu erwarten sind", sagt Albrecht. In Schleswig-Holstein gebe es wie in ganz Deutschland noch Gasreserven, die für einige Wochen reichen würden.

Chemiepark Brunsbüttel ist Großverbraucher

Auch im größten zusammenhängenden Industrie- und Hafengebiet Schleswig-Holsteins in Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) schaut man genau auf die Entwicklung am Gasmarkt. Allein der dort angesiedelte Chemiepark verbraucht nach Angaben von Frank Schnabel, Chef der Werkleiterrunde des Chemcoastparks, rund ein Prozent des gesamtdeutschen Gasbedarfs.

"Es gibt natürlich Pläne in den Firmen, wie man sich auf Alternativen einstellen könnte", sagt Schnabel. Dort wo Gas zur Energiegewinnung genutzt wird, könnte man auf Kohle ausweichen. Schwieriger werde es da, wo Gas auch ein Rohstoff für die Stoffproduktion ist. Dort ist es laut Schnabel denkbar, auf Flüssiggas umzustellen - also LNG. "Da gibt es auch Bestrebungen sehr kurzfristig Flüssiggas zu importieren, sodass man im Herbst vielleicht Lösungen hätte."

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Raffinerie Heide arbeitet unverändert weiter

Durch die erste Stufe des Notfallplans Gas gibt es in der Raffinerie Heide nach eigener Auskunft keine Auswirkungen auf den Betrieb. Auch eine Anpassung der Produktionsprozesse sei bislang nicht geplant. Allerdings teilt die Raffiniere mit, dass sie als Teil der kritischen Infrastruktur auf Gasengpässe vorbereitet ist.

So sei es möglich, den Großteil des externen Erdgasbedarfs durch andere Brennstoffe zu ersetzen. Man sei allerdings bemüht, den Gasbedarf künftig zu minimieren.

Gaspreise werden explodieren

Nach Ansicht des Handelsexperten am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), Rolf Langhammer, sei entscheidend, in welchen Industriebereichen Gas im Ernstfall rationiert wird. Das gelte für die Chemieindustrie genauso wie für die Düngemittelhersteller. Die stellen unter anderem aus Erdgas Ammoniak zur Weiterverarbeitung her. Insofern sieht Langhammer nicht nur die Chemiebranche in Schleswig-Holstein von einem möglichen Engpass betroffen, sondern folglich auch die Landwirtschaft.

Was die Privathaushalte betrifft, sinkt nach Meinung des Experten der Gasbedarf in den Sommermonaten ohnehin, weil im Sommer eben nicht so viel geheizt wird. Trotzdem werde der Gaspreis in den kommenden Monaten explodieren. "Es wäre also sehr gut für die Konsumenten zu wissen, was eigentlich im Winter an Nachzahlung auf sie zukommt", sagt Langhammer. Transparenz sei da wichtig, um Ängste abzubauen.

Stadtwerke SH richten Krisenstab ein

Bei den Stadtwerken SH, einem Zusammenschluss der Stadtwerke Schleswig, Rendsburg und Eckernförde, spricht man in der aktuellen Situation von einer Sensibilisierung der Gaswirtschaft und Kunden.

Geschäftsführer Wolfgang Schoofs zieht einen Vergleich zum Warnsystem für Waldbrände: "Wird eine Waldbrandgefahr erkannt, werden in der ersten Waldbrand-Warnstufe die Förster sensibilisiert. Schaut bitte danach, ob ihr besondere Auffälligkeiten habt." So sei es auch in der aktuellen Frühwarnstufe des Notfallplans Gas. Nichtsdestotrotz richte man in den kommenden Tagen einen Krisenstab mit den technischen Leitern und der Kommunikationsabteilung ein. Heizkraftwerke würden beispielsweise darüber informiert, dass sie ihren Betrieb von Gas auf Öl umstellen könnten. Ein Engpass für die Kunden droht laut Schoofs nicht.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 30.03.2022 | 17:00 Uhr

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