Das Bild zeigt ein Modell der Einfahrt in den geplanten Fehmarnbelttunnel. © Femern A/S

Urteil zur Fehmarnbelt-Querung: Das müssen Sie wissen

Stand: 03.11.2020 15:33 Uhr

Es ist eines der größten Infrastrukturprojekte in Europa: Der dänisch-deutsche Tunnel zwischen Fehmarn und Lolland. NDR Schleswig-Holstein beantwortet die wichtigsten Fragen.

18 Kilometer lang, ursprünglich mit 5,6 Milliarden Euro Kosten geplant - inzwischen sind es knapp acht Milliarden, die die Dänen alleine tragen wollen. Die deutsche Seite muss allerdings ihr Straßen- und Eisenbahnnetz für etwa zwei Milliarden Euro ausbauen. Zunächst gab es einen Planfeststellungsbeschluss in Dänemark, die wenigen Klagen (46) wurden abgewiesen. In Deutschland gab es für den Tunnel ein Planfestellungsverfahren mit 12.600 Klagen. Dazu kommt ein Raumordnungsverfahren für die Schienenanbindung auf deutscher Seite.

Wie kam der Plan für einen Tunnel zustande?

Die dänische Seite träumt schon seit den 1960er-Jahren von einem besseren Anschluss an Europa, um aus der peripheren Lage des Landes dichter ins Zentrum zu rücken. Eine deutsch-dänische Studie über Nutzen und Kosten wurde 1999 erstellt - damals dachten die Verantwortlichen noch an eine Brücke. Nach Schätzungen sollten die Kosten von knapp fünf Milliarden Euro durch Mauteinnahmen zurückfließen. Das ist inzwischen laut Experten eher unwahrscheinlich. Die Dänen hielten dennoch an dem europäischen Verkehrsinfrastrukturprojekt fest. Am 3. September 2008 unterzeichneten Deutschland und Dänemark den Staatsvertrag über die feste Fehmarnbelt-Querung - ein Jahr und drei Monate später wurde der Vertrag ratifiziert.

Wie soll der Tunnel konkret aussehen?

Geplant ist ein 18 Kilometer langer Absenktunnel zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rödby auf Lolland. Der Tunnel besteht aus fünf separaten kleinen Tunnelröhren: Der Absenktunnel ist laut der dänischen Planungsfirma Femern A/S 42 Meter breit und neun Meter hoch. Ein Bauelement ist 217 Meter lang und 70.000 Tonnen schwer. Die Experten rechnen für die knapp 18 Kilometer mit 79 Bauelementen. Dann gebe es noch zehn weitere Spezialelemente mit Untergeschoss für technische Anlagen, so Femern A/S. Es gibt zwei Röhren für Autos und zwei für Züge. Außerdem gibt es noch zwischen den beiden Straßentunneln einen Wartungskorridor. Man fährt ohne Gegenverkehr in einem etwa elf Meter breiten Tunnel inklusive Standstreifen mit dem Auto. Die Zugröhren sind etwa sechs Meter breit.

Was wurde in Leipzig verhandelt?

Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurden sechs Klagen gegen den vorliegenden Planfeststellungsbeschluss verhandelt. Es wurde geprüft, ob der Bau des Tunnels die Interessen von Klägern beziehungsweise deren "Mandanten" so stark beeinträchtigen, dass der Tunnel nicht gebaut werden darf oder nur unter bestimmten Auflagen (Stichwort: Ausgleichsflächen). Es ging aber auch um den Lebensraum der Haselmaus und die Kosten für den Brandschutz des Tunnels. Das Bundesverwaltungsgericht lehnte schließlich alle sechs Klagen ab. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Planfeststellungsbeschluss habe der Überprüfung standgehalten, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier bei der Urteilsbegründung in Leipzig. Die vorgesehenen Auflagen stellten sicher, dass weder für die Schifffahrt noch für die Natur große Risiken oder Beeinträchtigungen zu erwarten seien, so das Gericht. Eine weitere Klage eines Landwirts wurde bereits kurz vor der Urteilsverkündung für erledigt erklärt.

Wer waren die Kläger, was wollten sie?

Die Kläger sind Naturschützer wie der NABU sowie Fährunternehmen wie Scandlines und Stena Line. Die Naturschützer befürchten eine Zerstörung der Flora und Fauna in der Ostsee. Sie monieren, der Lärm der Bauarbeiten gefährde Schweinswale. Die Umweltschützer kritisieren auch, dass Riffe im fertigen Planfeststellungsbeschluss zum geplanten Tunnel nicht berücksichtigt sind. Das Fährunternehmen Scandlines, das derzeit zwischen Rödby und Puttgarden pendelt, befürchtet finanzielle Einbußen durch den Tunnel und sorgt sich um die Arbeitsplätze. Aber auch Fragen zur Schiffsicherheit seien nicht geklärt. Naturschützer und Fährunternehmen bestreiten zugleich, dass eine feste Verbindung für den Verkehr notwendig ist.

Was sagen die Befürworter?

Die dänische Regierung und ihr Planungsunternehmen Femern A/S verweisen auf den gültigen Staatsvertrag. Sie akzeptieren die rechtliche Situation in Deutschland und sind nach eigenen Angaben froh, dass sie jetzt vor dem Verwaltungsgericht alle strittigen Fragen klären können. Femern AS verspricht, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den Tunnel umweltfreundlich zu bauen.

Welche Argumente für den Tunnel gibt es?

Die Wirtschaft hofft auf einen Schub für die regionale Entwicklung. Der Tunnel soll die Fahrzeit verkürzen: zwischen Rödby und Puttgarden von 45 Minuten mit der Fähre auf etwa 10 Minuten Fahrt mit dem Auto durch den Tunnel. Reisezüge zwischen Hamburg und Kopenhagen wären laut DB Netz statt über fünf Stunden nur knapp drei Stunden unterwegs.

Warum darf auf dänischer Seite schon gebaut werden?

Auf dänischer Seite darf gebaut werden, weil die Dänen den Tunnel alleine - abgesehen von den EU-Fördergeldern - selbst bezahlen und das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, sodass es Baurecht für den Tunnel gibt. Die Dänen sind auch zuversichtlich, dass es bald auch auf deutscher Seite eine baurechtliche Grundlage gibt. Die dänische Regierung kündigte an, am 1. Januar 2021 mit dem Bau des Fehmarnbelt-Tunnels zu beginnen.

Inwiefern spielt die dänische Mentalität eine Rolle?

In Deutschland sind die Bestimmungen im Baurecht wesentlich komplizierter als auf dänischer Seite. In Deutschland werden den Betroffenen mehr Partizipations- und Klagemöglichkeiten eingeräumt, deshalb sind die Planungsverfahren länger. Anders als in Deutschland würden große Infrastrukturprojekte in Dänemark vom Parlament entschieden, sagt Denise Juchem von Femern A/S.

Wie viel Geld ist bislang schon in Planung und Bau geflossen?

Femern A/S sagt, dass die bisherigen Planungs- und Baukosten bisher bei etwa 670 Millionen Euro liegen. Die Gesamtkosten gibt die Planungsgesellschaft mit 7,1 Milliarden Euro an - gerechnet mit dem Preisniveau von 2016. Darin sei ein Risikopuffer in Höhe von einer Milliarde Euro enthalten.

Wer bezahlt das Milliardenprojekt?

Die dänischen und europäischen Steuerzahler finanzieren den Tunnel. Er soll dann aber durch eine Maut für die Benutzer abbezahlt werden. Auf den deutschen Steuerzahler kommen Kosten in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro für den Ausbau der Schiene und der Autobahn sowie für eine neue Fehmarnsundbrücke zu. Bei Abschluss des Staatsvertrages zwischen Deutschland und Dänemark war Deutschland noch von Kosten in Höhe von 817 Millionen Euro für die Hinterlandanbindung ausgegangen. Das Projekt wurde aber später erweitert.

Wann könnte der Tunnel fertig sein?

Im Staatsvertrag steht noch, dass eine Fertigstellung im Jahr 2018 angestrebt wird. Geplant ist nun, dass der Tunnel 2029 fertig ist.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 22.09.2020 | 08:00 Uhr

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