Zwei Männer tragen ein Möbelstück in einer Wohnung. © NDR

Sylt: Für Abriss vorgesehene Wohnblocks für Geflüchtete

Stand: 24.03.2022 18:10 Uhr

Die Zahl der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine Schutz in Schleswig-Holstein suchen, nimmt täglich zu. Kommunen richten weiter Notquartiere her - auch auf der Insel Sylt.

von Simone Mischke

Wohnraum ist seit Jahrzehnten schon knapp auf der Nordseeinsel - Geflüchtete bekommt Sylt trotzdem zugewiesen. Täglich kommen Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, mit dem Zug in Westerland an. Deshalb hat die Gemeinde entschieden, Geflüchtete in zwei Wohnblocks aus den 60er- oder 70er-Jahren, die eigentlich für den Abriss vorgesehen sind, unterzubringen. Die Wohnungen werden von Helfern wieder so hergerichtet, dass die Geflüchteten erst einmal menschenwürdig untergebracht werden können.

Konkurrenzsituation soll vermieden werden

Der knappe Wohnraum ist ein sensibles Thema auf Sylt. "Wir bringen die Flüchtlinge überwiegend in Abrisshäusern unter. Natürlich sind die noch bewohnbar. Mit diesem Modell schaffen wir keine Konkurrenzsituation zum regulären Wohnungsmarkt. Weil wir nur Wohnungen nutzen, die ohnehin irgendwann entfallen", erklärt die Leiterin des Ordnungsamts, Gabriele Gotthardt.

Allein die Abriss-Wohnungen zur Verfügung zu stellen reicht aber nicht aus. "Wir haben außerdem vorübergehend Platz für die Geflüchteten in einem Schullandheim in Hörnum und in der Volkshochschule Klappholtal in List", sagt Gabriele Gotthardt weiter. Langfristig wohnen können die Kriegsflüchtlinge weder in den Abrisshäusern noch in den anderen Unterkünften.

Ein leerstehender Wohnblock auf Sylt © Simone Stienhardt Foto: Simone Steinhardt
Dieser Wohnblock auf Sylt sollte eigentlich abgerissen werden, jetzt wird er saniert, damit Ukraine-Geflüchtete einziehen können.
Wohnungen unter Hochdruck hergerichtet

Weil die Gemeinde Sylt nicht weiß, wann genau und wie viele Geflüchtete auf der Insel ankommen, müssen jetzt insgesamt 28 Wohnungen so schnell wie möglich hergerichtet werden. Dafür sind die beiden Flüchtlingshelfer der Gemeinde zuständig. Sie besorgen unter anderem Küchenutensilien, Handtücher, Betten, Matratzen, Schränke und koordinieren die Handwerker.

"Wir sorgen hier für die Erstausstattung, dass die Menschen sich selbst versorgen und kochen können. Die Sachen können sie behalten, wenn sie hier rausgehen", erzählen Ralf Kwiattek und Naqibullah Naim, der vor 30 Jahren selbst aus seiner Heimat Usbekistan geflohen ist. "Ich bin froh, dass ich helfen kann, auch mit meiner eigenen Erfahrung", sagt er.

Gemeinde vergibt Wohnungspatenschaften

Doch in ihrem kleinen Team kommen sie an ihre Grenzen, weil sie sich auch um die angekommenen Menschen kümmern müssen. Deshalb hat die Gemeinde für vier Wohnungen über den Förderverein "Gesucht Gefunden Sylt" Patenschaften vergeben. Der Wohnungspate bekommt von der Gemeinde den Schlüssel und ist dann dafür verantwortlich, die Wohnung zum vereinbarten Zeitpunkt bezugsfertig zu übergeben.

Dirk Effler ist einer von ihnen. "Das ist doch das Mindeste, was wir tun können, unsere Zeit hier reinzugeben", sagt der Insulaner. Zusammen mit seinen Helfern richtet er eine der Wohnungen bis zum Wochenende her. "Zwei Kommoden brauchen wir noch, sonst sieht es ganz gut aus", sagt er zufrieden. Die Ausstattung ist zum großen Teil gespendet, kleinere Sachen wie Toilettensitz und -bürste haben sie gekauft. "Hier aktiv zu sein, lindert ein bisschen das Gefühl der Ohnmacht", sagt Dirk Effler.


24.03.2022 18:10 Uhr

In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass der Abriss der Wohnblocks für die Geflüchteten verschoben wurde. Das ist nicht korrekt. Das Abrissdatum der Häuser steht noch nicht fest. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

 

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 24.03.2022 | 19:30 Uhr

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