Mehrere Artilleriegranat liegen gesichert auf dem Boden. © Kampfmittelbeseitigung Eggers GmbH

Spezialeinsatz Baustelle: Wenn Baggerschaufeln auf Granaten treffen

Stand: 07.07.2022 07:55 Uhr

Eine neue Brücke soll über den Vierstieg-Hufener-Kanal bei Sankt Margarethen im Kreis Steinburg gebaut werden. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, doch dann stößt der Baggerführer Mitte Juni auf eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg.

von Oliver Kring

Was der Baggerführer und die hinzugerufene Polizei damals noch nicht wissen: Es ist nur die Spitze des Eisberges. Im Uferbereich des Kanals entdecken die Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes später eine Kiste mit Hunderten Schuss Munition sowie Waffenteile, eine Panzerfaust und 38 weitere Granaten.

Die Baustelle wird daraufhin erst einmal stillgelegt. Zu groß sei die Gefahr, dass sich noch mehr Munition und Waffen auf und unter der Erde befinden, so die Polizei.

Noch mehr gefährliche Fundstücke

Um weitere Gefahren auszuschließen beauftragt der Kreis Steinburg eine Fachfirma mit der Untersuchung des Baubereichs etwa 400 Meter östlich von Sankt Margarethen.

"Wir haben sowohl den Uferbereich des Kanals als auch das Gelände der Baustelle weiträumig untersucht", erklärt Leif Nebel, einer der Geschäftsführer der Firma Eggers Kampfmittelbergung GmbH. "Dabei haben wir weitere Waffen- und Munitionsteile aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gefunden."

Einsatz unter Wasser

Mit Gummianzug, Helm und Sauerstoffflasche steigt auch am letzten Tag der Suche noch einmal ein Taucher in den Kanal. "Dichtigkeitsprüfung - okay", ruft Einsatzleiter Werner Schütze von den Kampfmittelbeseitigern seinen Kollegen zu.

Die Teams bestehen immer aus drei Personen: Dem Taucher, dem Signalgeber - er hält über Funk den Kontakt zum Taucher - und dem Einsatzleiter, der die gesamte Verantwortung trägt.

Munitionssuche unter Wasser ist Handarbeit

"Wir legen für den Einsatzbereich eine Laufleine. Daran arbeitet sich der Taucher entlang und spült sich mit einer Spüllanze Gräben", erklärt Schütze. "Unter Wasser sieht er praktisch nichts. Er hat dennoch zehn Augen - seine Augen sind praktisch seine zehn Finger. Und dann durchsucht er das Material, was er freigespült hat."

"Wenn er fühlt, dass es sich um Schrott handelt, lege der Taucher das zur Seite", so Schütze. Wenn es sich um etwas Verdächtiges handeln könnte, legt er die Gegenstände nach Angaben des Einsatzleiters in einen Eimer, den sie später genauer untersuchten. "Drei bis vier Tauchgänge mit einer Dauer von jeweils einer bis anderthalb Stunden erledigen die Männer pro Tag", ergänzt Geschäftsführer Nebel.

Gepanzerter Bagger und Sonden an Land

Auch an Land an der Baustelle untersucht ein Team das Gelände: Schicht für Schicht hebt ein gepanzerter Bagger Boden aus. "Wir untersuchen jede Baggerschaufel", sagt Räumstellenleiter Rick Born. Im Anschluss gehen wir mit einer Sonde den Boden ab.

"Ein falscher Handgriff und die Munition tut das, was ihre Aufgabe ist", umschreibt er die Explosion. Die geborgenen Granaten, Waffen und Munitionsteile sind in schlechtem Zustand. Sie sind durch die lange Zeit im feuchten teils wässrigen Untergrund verwittert, stark verrostet und zum Teil auseinander gebrochen. "Je länger es dauert, desto gefährlicher wird es", sagt Born.

Offenbar eilig weggeworfenes Gefahrengut

Am Ende kommen bei den Bergungsarbeiten noch einmal sieben Granaten dazu - außerdem Nebelgranaten, MG-Teile und weitere Munition. Leif Nebel, der Chef der Kampfmittelbeseitiger, spekuliert: "Vermutlich haben deutsche Soldaten beim schnellen Ausweichen vor dem anrückenden Feind die Munitionsteile einfach weggeworfen, um sich schneller bewegen zu können." Schnell weitergehen soll es jetzt auch auf der Baustelle. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht, aber immerhin sollten die zukünftigen Arbeiten an der Brücke über den Vierstieg-Hufener-Kanal bei Sankt Margarethen jetzt sicherer sein.

Weitere Informationen
Eine Bombe schlummert auf dem Meeresboden. © PIZ Marine

Munition in Ostsee: Zu wenig Geld für Bergung da

Für den Beginn der Bergung werden 75 Millionen Euro benötigt. Der Bund plant nur 58 Millionen ein. Das Land sieht gar keine Mittel vor. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 06.07.2022 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Kreis Steinburg

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Ein computergeneriertes Bild zeigt die künftige Batteriefabrik von Northvolt bei Heide bei Sonnenlicht. © Northvolt

Northvolt bei Heide: Wohnungsbau ist die größte Herausforderung

Ein Wohnraumkonzept gibt es bereits. Die hohen Grundstückspreise sind schon jetzt ein Problem und dies könnte noch größer werden. mehr

Videos