SH stellt sich auf 20.000 Flüchtlinge ein

Stand: 05.11.2022 13:17 Uhr

Schleswig-Holstein erwartet bis März kommenden Jahres 20.000 weitere Flüchtlinge. Das Land will Kommunen stärker als bisher bei der Unterbringung von Geflüchteten unterstützen. Darüber verständigte sich die Landesregierung auf einem gemeinsamen Flüchtlingsgipfel in Kiel.

Die Plätze in den landeseigenen Unterkünften sollen um 1.500 auf 7.000 erhöht werden. Außerdem können die Geflüchteten mindestens vier Wochen lang dort bleiben und werden erst dann auf Städte und Gemeinden verteilt. Das Land will auch mehr Schulklassen mit Deutsch als Zweitsprache schaffen.

Ulf Kämpfer, Kieler Oberbürgermeister und Präsident des schleswig-holsteinischen Städtetages, sieht das Spitzentreffen am Freitag als guten Start: "Wir haben uns wechselseitig versprochen, gemeinsam diese unglaublich schwierige Aufgabe zu meistern. Ich bin zufrieden mit der Gesprächsatmosphäre und dem Sinn der Solidarität." Außerdem seien Zusagen gemacht worden, dass bei den finanziellen Aufwendungen, die die Kommunen bislang alleine tragen, noch mehr Geld fließen soll. "Da müssen wir jetzt nachweisen, was wir an Kosten haben und dann gehe ich davon aus, dass das Land uns da nicht im Regen stehen lässt", so Kämpfer.

Mehrere ukrainische Flüchtlinge, die auf einer Straße unterwegs sind © picture alliance / Photoshot | - Foto: picture alliance / Photoshot | -
AUDIO: Flüchtlingsgipfel: Land sichert mehr Unterstützung zu (1 Min)

Ministerpräsident Günther: Planungssicherheit und Zusammenarbeit

Es sei ein Stück Planungssicherheit, das die Landesregierung gibt, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach dem Gipfel. "Wir haben den Kommunen zugesichert, dass wir bei der Schaffung von Plätzen in den Kommunen auch Möglichkeiten der Unterbringung von Seiten des Landes mit eigenen Kapazitäten helfen werden." Darüber hinaus habe man sich mit den Kommunen darauf verständigt, das Vorhaben in den nächsten Wochen weiter präzisieren zu wollen.

"Das ist ein kümmerliches Ergebnis" ärgert sich der migrationspolitische Sprecher der FDP, Bernd Buchholz nach dem Gipfel. Die Landesunterkünfte müssten nach seinen Worten auf 10.000 Plätze aufgestockt werden - also 3.000 mehr als von der schwarzgrünen Regierung geplant. Ähnliche Kritik kommt von der SPD. Landeschefin Serpil Midyatli wirft der Regierung vor, sich nicht rechtzeitig um ausreichend Unterkünfte gekümmert zu haben. Sie fordert, dass das Land für die Unterbringung der Flüchtlinge mehr Geld locker machen soll.

Insgesamt wollen Land und Kommunen nun flexibler zusammenarbeiten, sagte Sozialministerin Aminata Touré (Grüne): "Dass wir uns also überlegen, wie können wir beispielsweise Liegenschaften, die dem Land gehören, nutzen, so dass Kommunen beispielsweise dort auch Menschen unterbringen können."

51 Millionen Euro vom Bund zugesagt

Unklar ist noch, wieviel Geld die Kommunen aus dem Topf des Bundes bekommen sollen. Dieser hatte Schleswig-Holstein 51 Millionen Euro für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten zugesagt. Dazu soll es bald neue Gespräche geben.

Kommunen klagen seit langem

Flüchtende warten auf eine Unterbringung. © NDR
Für viele geflüchtete Menschen ist es nicht leicht, Unterkünfte zu finden.

Die schleswig-holsteinischen Städte und Gemeinden klagen seit langem darüber, dass sie nicht genug Wohnraum für die ankommenden Flüchtlinge finden. Mehr als 40.000 ukrainische Geflüchtete hat Schleswig-Holstein in diesem Jahr bereits aufgenommen. Das sind schon mehr als 2015. Bei ihrer Unterbringung stoßen viele Kommunen mittlerweile an ihre Grenzen. "Die Lage ist äußerst angespannt", teilt die Stadt Kiel mit. "Wohnraum für Geflüchtete zu beschaffen ist aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes äußerst schwierig." Im Kreis Pinneberg stehen die Kommunen vor der gleichen Herausforderung: Die Zahl der Geflüchteten steigt stetig an, der Wohnraum wächst nicht mit. "Die Unterbringung in privaten Haushalten ist meistens nur eine vorübergehende Lösung", so Katja Wohlers, Pressesprecherin des Kreises Pinneberg.

"Unterbringungsmöglichkeiten sind erschöpft"

Im Kreis Segeberg überlegen einzelne Kommunen bereits, Geflüchtete wieder in Turnhallen unterzubringen: "In diesem Jahr werden mehr Geflüchtete bei uns ankommen als in den Jahren 2015, 2016 und 2017 zusammen. Das heißt, dass für einige Kommunen die Möglichkeiten der Unterbringung nahezu erschöpft sind", teilt der Kreis mit. In Kiel gibt es dagegen noch Hoffnung auf mehr Platz für Geflüchtete: Die Landeshauptstadt verhandele mit Investoren sowie Hauseigentümern und akquiriere stetig neue Unterbringungsmöglichkeiten, so ein Sprecher der Stadt.

Fehlende Betreuung gefährdet Integration

Ein weiteres Problem bei der Versorgung von Geflüchteten im Land: Es gibt Engpässe bei ihrer Betreuung, das gilt vor allem für minderjährige Flüchtlinge. Aus der Ukraine sind viele Kinder angekommen, die Plätze in Kitas und Schulen brauchen. Die Diakonie Schleswig-Holstein berichtet von einer "zunehmenden Überlastung" bei der rechtlichen und sozialen Beratung, die für die Integration unbedingt notwendig sei.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 04.11.2022 | 18:00 Uhr

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