Rückstände von Medikamenten landen täglich im Abwasser
Die Forscher der Ausbildungskläranlage der Technischen Hochschule Lübeck wollen neue Technologien testen, um Chemikalien aus dem Abwasser zu filtern. Die Kläranlagen in Schleswig-Holstein leiten derzeit Wirkstoffe von Schmerzmitteln und andere Schadstoffe in die Gewässer.
Die Versuchs- und Ausbildungskläranlage ist wohl die kleinste Kläranlage in Schleswig-Holstein. 1.000 Liter Wasser pro Stunde kann die Anlage reinigen. Die Reinigungstechnik entspricht den 700 Kläranlagen im Land. Doch der derzeitige Stand der Technik reiche nicht, um die sogenannten Spurenstoffe aus dem Abwasser zu entfernen, sagt Kai Wellbrock, Leiter der Ausbildungsanlage in Reinfeld.
Umweltbelastung durch Spurenstoffe des täglichen Lebens
Im Abwasser finden sich hunderte von Chemikalien, die täglich über die Toiletten und Abflüsse in die Kläranlagen in Schleswig-Holstein gespült werden. Sie stammen unter anderem aus Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln, Waschmitteln, Geschirrspültabs oder Duschgels. Die Rückstände, die sogenannten Spurenstoffe, sind überall im Abwasser zu finden. Da die Kläranlagen die Schadstoffe nicht zurückhalten, belasten sie Flüsse und Seen und gelangen somit ebenfalls potenziell wieder in die Nahrungskette.
"Diclofenac" und andere Medikamente nachgewiesen
In einem Projekt untersuchten die Wissenschaftler der Technischen Hochschule (TH) Lübeck unter anderem, welche Spurenstoffe aus 54 Kläranlagen im Land emittiert, also abgelassen, werden. Aus den Daten lässt sich eine mittlere Belastung der Gewässer in Schleswig-Holstein wiedergeben, erklärt Kai Wellbrock. So zeigt die Analyse zum Beispiel, dass vom Schmerzmittel "Diclofenac" täglich 0,361 Milligramm pro Einwohner in die Gewässer abgegeben werden. Anders ausgedrückt: Eine Kläranlage an der 10.000 Einwohner angeschlossen sind, leitet jeden Tag 144 Schmerztabletten Diclofenac direkt in die Gewässer.
Im Monitoring zeigten sich noch weitere Arzneistoffe wie "Carbamarzepin" (zur Behandlung von Epilepsien) oder "Ibuprofen" (Schmerzmittel). Insgesamt gebe es in Deutschland 30.000 zugelassene Chemikalien, die das Wasser verunreinigen können. "Nur die wenigsten werden gezielt aus dem Abwasser entfernt. Genau das muss geändert werden", so Matthias Grottker, Leiter des Labors für Siedlungswasserwirtschaft der TH Lübeck.
Kläranalagen benötigen eine weitere Reinigungsstufe
Für Arzneistoffe im Abwasser gibt es derzeit keine gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte. Die Kläranlagen müssen sie noch nicht filtern. Wir sollten aber handeln, meint Wellbrock, denn die Kläranlagen seien der beste Ort, um die Spurenstoffe aus dem Wasser zu holen. Sind sie erst in der Natur, wird es viel schwieriger und noch teurer, sie wieder zu entfernen. In Schleswig-Holstein sind derzeit alle Kläranlagen mit drei Reinigungsstufen ausgestattet: einer mechanischen Stufe, einer biologischen Stufe und einer chemischen Stufe. "Alles was nicht biologisch abbaubar ist, verbleibt im Abwasser", erklärt Kai Wellbrock, Leiter der Ausbildungsanlage. Um die Schadstoffe aus dem Abwasser zu filtern, benötigt jede Kläranlage eine vierte Reinigungsstufe.
Reinfeld sucht die beste Filter-Methode
Zwei unterschiedliche Methoden gibt es derzeit, um Spurenstoffe aus dem Abwasser rauszufiltern, die in anderen Bundesländern bereits eingesetzt werden. Auch in der Versuchsanlage in Reinfeld sollen sie nun getestet werden. Wellbrock erklärte, er gehe davon aus, dass eine Kombination der Techniken auf die Kläranlagen im Land angewandt werden könne. Doch bis es soweit ist, sagen die Wissenschaftler, dauert es noch Jahre. Das Land fördert das Projekt mit 750.000 Euro.