Ein Rentner holt Kleingeld aus einem Portemonnaie. © picture alliance/dpa Foto: Stephanie Pilick

Immer mehr Rentner in Schleswig-Holstein gehen arbeiten

Stand: 05.06.2022 06:00 Uhr

Die Zahl der arbeitenden Senioren ist im Zehn-Jahres-Vergleich deutlich gestiegen. Das geht aus Statistiken der Arbeitsagentur hervor. Sozialverbände beobachten diese Entwicklung mit Sorge.

von Johannes Tran

Sie tragen Zeitungen aus, geben Nachhilfe, arbeiten als Fahrer oder gehen putzen: In Schleswig-Holstein gehen immer mehr Menschen im Rentenalter arbeiten. Der NDR hat dazu Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Die jüngsten Daten stammen aus dem September 2021. Damals gab es in Schleswig-Holstein rund 39.000 Beschäftigte im Alter von mindestens 67 Jahren.

Zum Vergleich: Fünf Jahre zuvor, also im September 2016, registrierte die Arbeitsagentur rund 33.000 arbeitende Senioren. Im September 2011 lag die Zahl noch bei rund 27.000. Im Zehn-Jahres-Vergleich ging die Zahl der arbeitenden Seniorinnen und Senioren also deutlich nach oben.

Höheres Armutsrisiko für Frauen

Im Jahr 2020 lag die durchschnittliche Rente einer Frau in Schleswig-Holstein bei 767 Euro im Monat. Männer erhielten deutlich mehr: Ihre Durchschnittsrente lag bei 1269 Euro. Das geht aus einer Statistik der Deutschen Rentenversicherung hervor. Dementsprechend sind Seniorinnen öfter von Altersarmut betroffen als Senioren. Laut dem Sozialbericht Schleswig-Holstein waren im Jahr 2018 rund 14,4 Prozent der älteren Frauen einem Armutsrisiko ausgesetzt, bei den älteren Männern waren es 11,6 Prozent.

Die meisten der arbeitenden Senioren sind Minijobber

Laut Statistikamt Nord leben heute zwar mehr ältere Menschen in Schleswig-Holstein als noch vor zehn Jahren. Aber zugleich ist der Anteil derjenigen, die sich etwas hinzuverdienen, gestiegen - nach NDR-Berechnungen von 4,9 auf 6,3 Prozent.

Was auch aus den Zahlen der Arbeitsagentur in Schleswig-Holstein hervorgeht: Die meisten der arbeitenden Senioren sind geringfügig beschäftigt, haben also einen Minijob. Nur etwa jeder fünfte Rentner, der sich im September 2021 etwas dazuverdiente, war sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

VdK Nord: "Viele brauchen das für ihren Lebensunterhalt"

Für Sozialverbände bietet diese Entwicklung grundsätzlich Anlass zur Sorge. "Die meisten dieser Menschen sehen sich gezwungen, Geld hinzuzuverdienen", sagt Ronald Manzke, Geschäftsführer beim VdK Nord. Zwar gebe es Rentner, die aus Spaß weiterarbeiten wollten. "Aber viele brauchen das tatsächlich für ihren Lebensunterhalt. Dass sie überhaupt Essen und Medikamente kaufen können. Dass sie sich ihre Wohnung leisten können", so Manzke.

Wenn Menschen höheren Alters aus finanzieller Not weiterarbeiten müssen, geht das nach Auffassung des VdK Nord oft zulasten ihrer Gesundheit. Der Verband fordert, das Rentenniveau auf deutlich über 50 Prozent zu steigern. Zugleich dürfe aber die Regelaltersgrenze nicht angehoben werden.

Sozialverband: "Manche Rentner arbeiten aus Scham weiter"

Auch der schleswig-holsteinische Sozialverband in Deutschland (SoVD) schlägt kritische Töne an. "Wenn eine 70-Jährige aus wirtschaftlicher Not noch Zeitungen austragen muss oder ein 70-Jähriger die Einkaufswagen im Discounter 'einsammelt', stimmt etwas nicht in unserer Gesellschaft", schreibt der Landesvorsitzende Alfred Bornhalm auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein.

Manche Senioren, erklärt er, würden aus Scham weiterarbeiten, um keine Grundsicherung zur kargen Rente beantragen zu müssen. "Das wird unter Rentnerinnen und Rentnern immer noch als Stigma gesehen." Deshalb meint der SoVD-Landesvorsitzende, dass niemand mit einer Hungerrente abgespeist werden dürfe, der sein ganzes Leben lang gut gearbeitet habe.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 05.06.2022 | 08:00 Uhr

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