Ein Schild der Landespolizei Schleswig-Holstein vor dem Eingangsbereich der Ausbildungsstätte in Eutin. © NDR

Grote und die Polizeispitze: Führung bot selbst Versetzung an

Stand: 04.12.2020 15:16 Uhr

Der ehemalige Innenminister Grote wird am Montag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur "Rocker-Affäre" befragt. Ein Papier aus dem Innenministerium zeugt von einem schwierigen Verhältnis zwischen ihm und der Polizeiführung.

Sommer 2017. Es geht um den Ruf der Landespolizei und ihrer Führung. Die Behördenspitze sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert. Es gibt Berichte über Mobbing. Zwei Beamte hätten sich über Aktenmanipulation bei den Rocker-Ermittlungen beschwert und seien versetzt worden. Von einer "Rocker-Affäre" ist die Rede.

Im Juli berichten die Kieler Nachrichten dann sogar vom Verdacht, Journalisten seien abgehört worden - dieser schwere Vorwurf richtet sich einmal mehr gegen die Landespolizei. Die Pressestelle des Innenministeriums wird im Artikel dazu zitiert: "Man wisse nichts von einer Überwachung von Journalisten."

Viel zu wenig, finden der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Jörg Muhlack, und Landespolizeidirektor Ralf Höhs, sowie LKA-Chef Thorsten Kramer. Dem Papier zufolge hätten sie sich mehr Unterstützung vom Haus des damals neuen Innenministers Grote gewünscht. Die Formulierung biete Interpretationsspielraum. Die Beamten stellten dem Minister deshalb die Frage, ob sie dessen Vertrauen hätten. Sollte das nicht der Fall sein, boten sie an, Gespräche über eine anderweitige Verwendung zu führen.

Unterschiedliche Auffassungen über Kommunikation

Dazu kommt es erst einmal nicht. Doch das schwierige Verhältnis zwischen Innenminister und Polizeispitze bekommt offenbar weitere Risse: Der Minister fühlt sich nicht ausreichend über Einsätze der Polizei informiert. Etwa, als ein terrorverdächtiger Syrer im September durch die Bundesanwaltschaft festgenommen wird. Das Innenministerium wird darüber nicht vorab von der Polizeispitze informiert.

Die Polizeiführung wiederum mahnt jedoch, der Minister möge bitte nicht selbsttätig bei Dienststellen anrufen, um sich zu informieren. Als der Minister darum bittet, in einen Mailverteiler zum Thema Flüchtlingskriminalität aufgenommen zu werden, lehnt Muhlack das ab und bittet stattdessen um ein Gespräch.

Höhs lehnt Posten auf Bundesebene ab

Im Herbst wird dann ein Posten auf Bundesebene frei: Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Das Innenministerium sieht darin die Möglichkeit, Höhs aus der Schusslinie der negativen Schlagzeigen zu nehmen und schlägt ihm vor, auf diesen Posten zu wechseln. Doch das will Höhs nicht - aus seiner Sicht käme es einem Schuldeingeständnis in der "Rocker-Affäre" gleich.

Und Muhlack stellt gleichzeitig klar: Wenn Höhs gehen sollte, möchte er seinen Posten nicht weiterführen. Daraufhin sprechen Grote und Muhlack über dessen möglichen Wechsel ins Justizministerium. Das Innenministerium versetzt ihn am Ende, Höhs wird beurlaubt.

Drei Jahre später geht es wieder um den Ruf der - inzwischen ehemaligen - Polizeiführung. Ralf Höhs hat Klage gegen das Innenministerium eingereicht. Grund: Grote habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Der - inzwischen ehemalige - Innenminister Grote wird am Montag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur "Rocker-Affäre" befragt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 04.12.2020 | 17:00 Uhr

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