Die Kinderwagen-Fee aus Wahlstorf
In der Realität findet sich nicht viel Feenhaftes, außer man schaut genau hin - wie bei Susanne Schaefer aus Wahlstorf. In ihrer Freizeit repariert sie Kinderwagen, um sie an bedürftige Familien zu verteilen. Im Dorf nennt man sie deswegen "die Kinderwagen-Fee".
Feenhaft ist sie nicht so ganz, die Musik, die aus dem Lager von Susanne Schaefer schallt. Aber das kennen ihre Nachbarn schon. Wenn Kiss, Motörhead oder Sabaton aus der umgebauten Scheune tönen, arbeitet Susanne Schaefer an einem Kinderwagen, sortiert ihr Lager oder faltet Kinderkleidung zusammen. Nicht etwa für ihre eigenen fünf Kinder - die sind inzwischen erwachsen. Neben ihrem Job als Tagesmutter hat sie ein ganz besonderes Ehrenamt: Sie engagiert sich für den Kinderschutzbund Ostholstein.
Mit Kleinanzeigen hat alles angefangen
Nach einer Knie-OP hatte Susanne Schaefer viel Freizeit. "Da habe ich Ebay-Kleinanzeigen für mich entdeckt", erzählt die Tagesmutter. Die Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund ist durch einen Nachbarn zustande gekommen. Angefangen hat es mit einem Kinderwagen aus den Kleinanzeigen. "Und dann nahm alles so seinen Lauf", erzählt Susanne Schaefer, als sei es das Normalste der Welt seine Freizeit und viel Geld für ein Ehrenamt zu investieren.
Sie sammelt auch gebrauchte Baby- und Kinderkleidung, wäscht und näht an den nötigen Stellen. In ihrer Scheune liegen Spielzeuge und Kuscheltiere neben Ersatzteilen von Kinderwagen. In den gut gefüllten Regalen findet sich alles, was ein kleiner Mensch gebrauchen kann. "Ich bin ein fester Bestandteil des Kinderschutzbundes. Es gibt nur eine Kinderwagen-Fee, die so verrückt ist", erklärt Susanne Schaefer mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, während sie Kinderkleidung nach Größe sortiert.
Kinderwagen reparieren - ein ganz besonderes Hobby
Und dann stehen in ihrem Lager natürlich auch die Kinderwagen. Sieben Stück verstecken sich unter Kisten und Kartons. Es sind keine No-Name-Wagen, ganz im Gegenteil. Markenkinderwagen sind in der Neuanschaffung alles andere als günstig. Manche kosten schon mal bis zu 1.200 €. Gebrauchte Kinderwagen hingegen landen oft auf dem Sperrmüll oder in den Kleinanzeigen. An dieser Stelle schlägt Susanne Schaefer zu und fährt dafür auch viele Kilometer durch ganz Schleswig-Holstein.
Der Kinderwagen, den sie zuletzt abgeholt hat, ist alles andere als schick. Die Felgen sind dreckig, das schwarze Gestell hat Wasserflecken und der Lack blättert teilweise ab. Im Innenfutter vom Verdeck hat sich Schimmel gebildet, weil der Kinderwagen zuletzt in einem Carport stand und nass geworden ist. Mit geübten Griffen trennt sie das Futter und die Bezüge von jedem beweglichen Teil. Das Gestell muss sie mit warmem Wasser und einem Stahlschwamm säubern. Mit ihrem "Schummelstift", einem schwarzen Autolackstift, übermalt sie einige Macken. Danach sieht das Gestell wie neu aus.
Enge Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund
Seit 2015 arbeitet Susanne Schaefer intensiv mit dem Kinderschutzbund Ostholstein zusammen. Vier Jahre später, noch vor Corona, hat sie zusammen mit Andrea Belitz vom Kinderschutzbund knapp 150 Kinderwagen an bedürftige Familien ausgeliefert. Das Ganze passiert anonym, über die Familienzentren.
Andrea Belitz und Susanne Schaefer haben schon ausprobiert, wie viele fertige Kinderwagen sie in einen VW-Bus laden können, um sie in die Zentren des Kinderschutzbundes zu verteilen. Bei elf war Schluss. Den Namen Kinderwagen-Fee hat sich auch Andrea Belitz ausgedacht. Susanne Schaefer findet das witzig. "Eigentlich ist eine Fee ja in rosa gekleidet und nicht in schwarz und fährt nicht nach Wacken. Aber Kinderwagen-Hexe würde ja nicht passen", sagt sie lachend.
Andrea Belitz schätzt an der Arbeit mit Susanne Schaefer vor allem die Unkompliziertheit: "Wenn wir Bedarf haben und bei ihr anrufen, geht alles relativ zügig. Und was auch ganz großartig ist, dass sie nicht nur den passenden Kinderwagen, sondern auch Kleidung dazu hat, da wird die Erstausstattung quasi mitgeliefert."
Ein ganz anderes Hobby: Wacken
Es gibt nur eine Zeitspanne, in der Susanne Schaefer nicht für den Kinderschutzbund zu erreichen ist. Im Sommer, wenn Festivals stattfinden und Wacken ist. Heavy Metal hört sie schon von Kindesbeinen an, "weil das bei uns verboten war", erzählt sie grinsend über das Missfallen ihrer Eltern.
In ihre eigene Familie hat sie aber die Liebe zur Rock- und Heavy-Metal-Musik hineingetragen, mit ihren Kindern fährt sie regelmäßig nach Wacken. Auch da hat sie eine ganz besondere Rolle - sie ist dann die "Camp-Mutti", die "Mädel-Muddi". Für ihre Kinder ist sie die coolste Mutter der Welt. Für viele bedürftige Familien ist sie ein Engel in der Not. Aber sie selbst sieht sich einfach als die Kinderwagen-Fee, die auf Kiss, Motörhead und Sabaton steht.
