Eine FFP2-Maske in der Hand einer Person. © picture alliance/dpa Foto: picture alliance/dpa | Marijan Murat

Corona-Experten: Endemische Phase erreicht

Stand: 30.06.2022 17:20 Uhr

Die aktuelle Corona-Welle hat große Auswirkungen auf die Personalsituation in den Krankenhäusern und bei der Polizei. Einige Experten glauben, dass die zu niedrigschwelligen Tests dafür verantwortlich sind. Auch die Isolationsregeln sollten demnach gelockert werden.

Immer mehr Menschen müssen mit einer Corona-Infektion behandelt werden. Das Virus habe nochmal an Fähigkeit zugenommen, sich zu übertragen, sagt Infektiologe Prof. Jan Rupp vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Dennoch ist er nicht beunruhigt: "Alle Rufe, wir müssen die Inzidenz wieder runterbringen, gehen an der Thematik vorbei. In einer endemischen Phase gibt es hohe Inzidenzen, aber wenig schwer Kranke." Daher müsse man jetzt sehen, dass mit den Testungen nicht über das Ziel hinaus geschossen werde. Die Tests seien zu niedrigschwellig, sagt der Infektiologe. Infizierte ohne Symptome könnten mittlerweile durchaus zur Arbeit erscheinen - idealerweise mit einer FFP2-Maske, denn die Erfahrung aus der Pandemie zeige, dass die Maske eine Ansteckung verhindere.

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Polizei behält Pandemie im Auge

Das könnte zum Beispiel auch der Polizei helfen. In der vergangenen Woche lag die Zahl der Erkrankten landesweit in einem niedrigen dreistelligen Bereich. Aber die Zahlen steigen - auch in der Direktion in Lübeck. "Sollte sich eine stärke Steigerung der Zahlen entwickeln und das absehbar sein, dass mehr Kollegen sich infizieren, dann würden wir entsprechend reagieren und unser Hygiene-Konzept anpassen", sagte Mark Seidel von der Polizei Lübeck. Dann könnte es wieder eine Maskenpflicht in Streifenwagen und feste Besatzungen der Fahrzeuge geben. Die Einsatzbereitschaft werde aber flächendeckend gewährleistet sein, so Seidel.

Rupp: Sind in endemischer Phase

Rupp rechnet damit, dass sich in den kommenden Monaten noch deutlich mehr Menschen mit dem Virus anstecken werden. Dennoch sei für ihn die Pandemie vorbei, es handle sich um eine endemische Phase. Er geht davon aus, dass im Herbst vor allem die Risikogruppen ihre Impfung auffrischen müssen. "Ich bin fest der Meinung, dass auch in die öffentliche Wahrnehmung kommen muss, dass jeder sein eigenes Risiko wieder in die Hand nimmt und abschätzt und nicht immer auf generelle Maßnahmen schielt", sagt der Infektiologe.

Lockdowns und Schulschließungen sind aus seiner Sicht wissenschaftlich aktuell nicht zu begründen. Daher fordert Rupp neue Maßnahmen, die an die endemische Phase angepasst sind.

Personalnot in Krankenhäusern wegen Corona

Einen regulären Klinikbetrieb wird es in vielen Krankenhäusern im Land in den nächsten Tagen und vermutlich auch Wochen nicht geben. Der Grund: Zu viele Mitarbeiter sind an Corona erkrankt. Das Westküstenklinikum in Heide kann einige Betten nicht mehr belegen. Das Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster spricht von Personalproblemen "ungeahnten Ausmaßes". Hier müssen Operationen, die nicht akut sind, teilweise verschoben werden. Am UKSH dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr auf Dienstreisen. An den beiden Standorten in Kiel und Lübeck müssen gleich mehrere Stationen geschlossen werden. "Es wird zu Wartezeiten und Einschränkungen in der Versorgung planbarer, nicht verschiebbarer Eingriffe kommen", teilte das UKSH auf Nachfrage mit. Dazu gehöre auch, dass gegebenenfalls nur Patienten einbestellt werden, deren Eingriffe dringlich sind und nicht verschoben werden können.

Die neue Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) appelliert an alle: Wer keine hochbedrohlichen Erkrankungen hat, solle bitte nicht in die Notaufnahmen gehen. Die würden sonst völlig überlastet - beziehungsweise stünden schon an der Belastungsgrenze.

Gesundheitsamtsleiter Ott: "Bürgertests sind überflüssig."

Auch der Leiter des Gesundheitsamtes Rendsburg-Eckernförde, Stephan Ott, spricht sich dafür aus, die Isolationsmaßnahmen zu lockern. Die Verläufe seien meist milde. Was Probleme bereite, seien aber die Arbeitsausfälle durch Corona. "Und da denke ich, müsste man nachsteuern und sagen: Wir kippen die Isolationsmaßnahmen und geben eine Empfehlung, dass Menschen, die wirklich krank sind, zuhause bleiben." Auch die Bürgertests hält Ott inzwischen für überflüssig, denn Corona werde nicht mehr verschwinden: "Irgendwann müssen wir uns damit abfinden. Und dann ist es nicht mehr wichtig ob wir bei jedem Halskratzen wissen, ob Corona dahinter steckt oder nicht." Irgendwann könnten die Menschen in die Situation geraten, an leichten Infektionen schwer zu erkranken, weil ihr Immunsystem durch das Maskentragen kaum Kontakt zu anderen Viren habe.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 29.06.2022 | 19:30 Uhr

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