Das Landtagsgebäude mit seinem gläsernen Parlamentssaal. © picture alliance/dpa Foto: Markus Scholz

Zurück im Parlamentsalltag

Stand: 30.06.2022 18:00 Uhr

Gestern war der Tag der neuen Regierung - am Donnerstag hatte die neue Opposition ihren ersten Auftritt. In einer Aktuellen Stunde griff sie die Regierung scharf an.

von Constantin Gill

Thomas Losse-Müller geht zielstrebig in den Plenarsaal. Als SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer ist er der erste, der nun die Regierung angreift. Am Tag nach deren Vereidigung. Nachdem es für die neue Landesregierung gestern noch eine Art Feiertag war - und die Regierungsbank voll mit Blumensträußen war - wird es jetzt wohl ungemütlicher.

So zumindest der Plan der Oppositionsfraktionen. SPD, FDP und SSW haben eine Aktuelle Stunde beantragt. Sie wollen es dem Ministerpräsidenten nicht durchgehen lassen, dass der erst nach der Sommerpause seine Pläne erklären will.

Von "Wohlfühlpopulismus" spricht Losse-Müller angesichts des schwarz-grünen Koalitionsvertrages. Es gebe viele Worte, Versprechungen und Prüfaufträge. Die Koalition sage aber nicht, "wie es gehen soll", so Losse-Müller. Auch an Aufbau und Zahl der Ministerien und am Personal übt der SPD-Fraktionschef scharfe Kritik.

Gute Stimmung bei Schwarz-Grün, Attacken von der FDP

Ministerpräsident Daniel Günther fehlt krankheitsbedingt - Finanzministerin Heinold wird ihn vertreten. Doch zuvor hält noch ein bestens gelaunter Tobias Koch eine Festrede auf die neue Regierung und den höheren Frauenanteil im Landtag. Als der CDU-Fraktionschef doch noch auf die Inhalte des Koalitionsvertrages zu sprechen kommt, reagieren Abgeordnete der Oppositionsfraktionen mit gespielter Begeisterung.

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Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter lobt am Koalitionsvertrag vor allem, dass der Klimaschutz in der Verfassung verankert wurde. Der SPD wirft er voreilige Kritik vor - so habe die Partei das Papier schon wenige Minuten nach dessen Veröffentlichung kritisiert. Zudem gebe es sehr wohl konkrete Pläne: Eine Solardachpflicht für Neubauten ab 2025 etwa und einen Klimaschutzfonds. Unsinnig sei der Vorwurf, bei Schwarz-Grün fehle das Soziale.

Die Attacken der FDP fallen noch etwas schärfer aus. Vielleicht, weil die Liberalen, wie es Fraktionschef Christopher Vogt mit Blick auf das Jamaika-Aus sagt, "gerne weiter mitgemacht" hätten. Mit den gestrigen Dankesworten des Ministerpräsidenten an die ehemaligen Minister Heiner Garg und Bernd Buchholz kann Vogt jedenfalls nichts anfangen, schließlich habe Günther ja selbst entschieden, "diese Leistungsträger vor die Tür zu setzen."

Nordfriesland-Opposition?

Dass es zusätzliches Regierungspersonal gibt, hält Vogt für nicht vermittelbar - und verweist auf den Mangel an Sitzplätzen: "Es passen noch nicht mal alle auf die Regierungsbank, meine Damen und Herren. Vielleicht hätten Sie vorher mal mit der Landtagsverwaltung sprechen sollen."

Lars Harms vom SSW seziert dann regelrecht eine Passage des Koalitionsvertrages, in der es um Planungsbeschleunigungen geht. Ergebnis: Es bleibe unklar, was die Menschen erwarte. Für die neuformierte Opposition hat der SSW-Mann noch einen Vorschlag: Passend zu den Farben des nordfriesischen Wappens sollten sich SPD, FDP und SSW künftig "Nordfriesland-Opposition" nennen. Schließlich gelten die Nordfriesen laut Harms als eigenständig, könnten aber auch zusammenhalten und Gas geben.

Finanzministerin Monika Heinold betont schließlich die großen Herausforderungen, die auf das Land warten. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, dann der russische Krieg in der Ukraine, eine Wirtschaftkrise drohe. Die Kritik an den gestiegenden Personalausgaben in der Regierung lässt sie nicht gelten: "Gerade in Zeiten multipler Krisen, gerade in Zeiten großer Herausforderungen, müssen wir uns insgesamt gut aufstellen. In der Verwaltung, auf allen Ebenen, aber auch in unserer Gesellschaft, denn viele Menschen sind sehr belastet in der jetzigen Situation, und darüber müssen wir sprechen, das dürfen wir nicht verdecken", so Heinold.

CCS-Technologie und der alltägliche Wahnsinn

Nach der Aktuellen Stunde folgen eine Reihe von Anträgen, die den Finger in die Wunde legen sollen: Wohnraum, Straßenausbaubeiträge, Grundsteuer - alles vieldiskutierte Dauerbrenner. Viele der neuen Abgeordnete halten ihre Jungfernreden.

Doch es gibt auch Verbindendes an diesem Tag. So bekräftigen die Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag zum Thema Fracking ihre "ablehnende Haltung gegenüber der Nutzung der CCS-Technologie in Schleswig-Holstein" - vor allem aber sind sie über die Parteigrenzen hinweg froh, dass in der 20. Wahlperiode keine Rechtspopulisten mehr im Landtag sitzen.

In der Mittagspause konstituieren sich noch einige Ausschüsse. Am Ende des Tages haben im Landtag manche ihre gewohnten Rollen eingenommen, andere haben neue gefunden oder suchen sie noch. Und parteiübergreifend spürt man so etwas wie Vorfreude auf den Alltag - manche nennen es auch den alltäglichen Wahnsinn - im neuen Landtag.

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Schleswig-Holstein Magazin | 30.06.2022 | 19:30 Uhr

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