Wir ziehen Bilanz: Kultusminister Grant Hendrik Tonne
Einige Baustellen hat Kultusminister Grant Hendrik Tonne in seiner Amtszeit nicht abgeschlossen: Lehrermangel, Unterrichtsausfall, Digitalisierung. Mit dem beitragsfreien Kindergarten hat er jedoch einen Meilenstein gesetzt.
In keinem anderen Themenbereich können Landespolitiker so viel selbst entscheiden wie in der Bildungspolitik - denn Bildung ist Ländersache. Gleichzeitig ist kein anderes Politikfeld so umstritten. Gute Schulen, gute Kitas, da wollen Eltern, Schüler, Lehrkräfte und Parteien ein Wörtchen mitreden. Seit 2017 ist Grant Hendrik Tonne (SPD) Kultusminister in Niedersachsen.
Größte Erfolge
Mit Grant Hendrik Tonne ist der beitragsfreie Kindergarten verknüpft. Auch wenn die Gratis-Kita nicht überall auf Gegenliebe stößt, ist sie ein bildungspolitischer Meilenstein. In der Schulpolitik hat der Minister den ersten Schritt gemacht, um den Lehrerberuf attraktiver zu machen: Grund-, Haupt- und Realschullehrer werden dank Tonne (etwas) besser bezahlt. Auch die schrittweise Einführung der dritten Betreuungskraft pro Kita-Gruppe fällt in seine Amtszeit. Sein größter Pluspunkt: Er ist abgebrüht und hat ein dickes Fell. In der hart umkämpften Bildungspolitik bewahrt Tonne Ruhe und lässt sich auch durch Attacken nicht aus der Ruhe bringen.
Als Grant Hendrik Tonne vor fünf Jahren Kultusminister wurde, brannte es in der Bildungslandschaft. Der Minister trat als Feuerwehrmann auf. Wieder Ruhe reinbringen, das war Tonnes Hauptaufgabe. Er ist nicht unbedingt der Mann für Visionen - sein Job war es von Anfang an, den Laden am Laufen zu halten. Seine Vorgängerin Frauke Heiligenstadt lag oft im Clinch mit den Lehrerverbänden. Die Ministerin war zwar inhaltlich stark, allerdings fand sie oft nicht den richtigen Draht zu den Verbänden. Tonne setzte auf Dialog, brachte die Akteure der Bildungslandschaft wieder zusammen.
Zu jeder Bilanz einer Amtszeit gehören auch Bilder. Wir haben deshalb den Minister gebeten, uns Fotos aus seiner Amtszeit zur Verfügung zu stellen, die ihm - aus welchen Gründen auch immer - wichtig sind.
Größte Angriffsfläche
Auch wenn der Minister ein Aktivposten in der Landesregierung war: Tonne hat es nicht geschafft, die großen bildungspolitischen Baustellen abzuarbeiten. Die größten Probleme: der Lehrermangel und der Unterrichtsausfall. Tonne trägt nicht die alleinige Schuld, aber seine SPD regiert seit fast zehn Jahren - da hätte mehr kommen müssen. Kurz vor Ablauf der Legislaturperiode ein "Lehrkräftegewinnungspaket" zu präsentieren, kommt zu spät, zumal der Minister auf noch mehr Quereinsteiger setzt. Das ist an den Schulen umstritten. Zwar hat der Minister in seiner Amtszeit mehr Lehrer eingestellt, als in den Ruhestand gehen - aber auch das reicht nicht. Weitere Probleme: Lehrer fühlen sich überlastet. Außerdem werden Grund-, Haupt- und Realschullehrkräften weiter schlechter als Gymnasiallehrer bezahlt. Trotz leichter Verbesserungen - der große Wurf lässt weiter auf sich warten. Auch die Probleme bei der digitalen Ausstattung der Schulen sind nicht gelöst. Eltern von Kita-Kindern bemängeln die dünne Personaldecke und fehlende Investitionen in die Qualität der frühkindlichen Bildung. Allerdings war Tonnes Amtszeit von der Corona-Krise und den Folgen des Ukraine-Kriegs geprägt - das hat Kraft gekostet und Zeit gebunden. Zugutehalten muss man dem Minister auch, dass er die meisten Probleme geerbt hat und dass der Finanzminister nicht mehr Geld rausgerückt hat.
Sympathiepunkte
Tonne versteckt sich nicht, auch wenn der Wind heftiger wird. Wenn er Schulen besucht, begegnet er Lehrkräften und Schülern auf Augenhöhe. Er hört zu und ist an der Sicht der Schulen interessiert. Er denkt pragmatisch, nicht ideologisch. Und er steckt tief in den Themen. Grant Hendrik Tonne benennt die Probleme in Schulen und Kitas inzwischen klar und deutlich - das haben Vorgänger und Vorgängerinnen nicht gemacht.
Kommunikation
Die Kommunikation kann besser werden. Tonne steckt so tief in den Details der Bildungspolitik, dass er Außenstehende manchmal mit langen Erläuterungen und trockenen Pressekonferenzen quält. Tonne klingt oft technisch. Ein Grund: Der Kultusminister hat sich beim Sprechen stets unter Kontrolle - über seine Lippen kommt kein unbedachtes Wort. In der Corona-Pandemie setzte er darauf, Lehrkräfte, Eltern und Schüler mit Minister-Briefen zu informieren. Eigentlich eine gute Idee, allerdings verpuffte die Info-Kampagne, weil die Nerven blank lagen. Eltern ärgerten sich über das holprige Homeschooling, und Schulleiter waren genervt, weil sie Corona-Testkits zusammenstellen mussten. Mehrfach verärgerte Tonne die Schulen in der Corona-Krise mit Hals-über-Kopf-Entscheidungen. Lehrkräfte wussten Freitag nicht, was Montag gilt. Allerdings waren dem Minister da manchmal auch die Hände gebunden: Er konnte erst mit neuen Regeln rausgehen, wenn Bund und Länder mit der Kanzlerin getagt hatte.
Karriereaussichten
Tonne ist Vollblut-Politiker. Er ist gut organisiert, denkt schnell und hat politisches Gespür. Als parlamentarischer Geschäftsführer hielt er die SPD-Fraktion zusammen, er brachte Ruhe in die Schulpolitik. Für Ministerpräsident Weil ist Tonne einer der wichtigsten Männer. Er ist universell einsetzbar und könnte auch andere Ministerien übernehmen. Regiert die SPD weiter, ist Tonnes Platz am Kabinettstisch sicher.
Und sonst so?
Als Vater von vier Kindern weiß Tonne, wie seine Bildungspolitik vor Ort wirkt. Er ist bekennender Fan des SV Werder Bremen und auch selbst ziemlich sportlich. Tonne spielte lange Tischtennis beim TuS Leese, weitere Hobbys sind Laufen und Badminton. Außerdem spielt er Schach.