Wir ziehen Bilanz: Innenminister Boris Pistorius
Auch wenn im Titel des Ministeriums nur "Inneres" und "Sport" stehen: Pistorius hat Verantwortung für viele wichtige Bereiche - die Migrationspolitik, die Cybersicherheit, die Polizei und die Kommunen.
Und all das seit bereits neun Jahren. Pistorius gilt als Schwergewicht der Landesregierung. Nach dem Ausbruch des Syrien-Krieges 2015 war er durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg auch in dieser Regierungsperiode gefordert, die Auswirkungen zweier weltweiter Krisen zu bewältigen.
Größte Erfolge
Pistorius pflegt sein Image als Anpacker, der seine Aufgaben erledigt, dabei über den Tellerrand blickt; auch nach Europa und auf die Bundespolitik. Als sein Lieblingsprojekt gilt die Polizei. Zu sehen ist das am Personalbestand: In den letzten Jahren sind viele Beamte in den Ruhestand gegangen - sie wurden durch junge Beamte ersetzt. Außerdem wurde die Polizei in Pistorius' Amtszeit nach dem Konzept der "Bürgerpolizei" weiterentwickelt. Es sieht die Polizei als wichtige Säule in der Demokratie und als offene Ansprechpartnerin für alle gesellschaftlichen Gruppen. Sein Projekt, die Polizei nachhaltig gegen extremistische Bemühungen stark zu machen, ist bundesweit einmalig. Sicherheitspolitische Pannen haben Pistorius nicht geschadet: Bei der Polizei verschwanden geheime Akten und auch Waffen; beim Verfassungsschutz wurde statt eines Neonazis ein vollkommen Unbeteiligter abgehört. In der Migrationspolitik hat Pistorius Akzente gesetzt: Eine Reise auf die griechische Insel Lesbos führte etwa dazu, dass er sich nachdrücklich für hilfsbedürftige Kinder einsetzte - und auch andere Geflüchtete. Das tat er nicht nur im Rampenlicht, sondern auch hinter den Kulissen mit klarem Kurs.
Zu jeder Bilanz einer Amtszeit gehören auch Bilder. Wir haben deshalb den Minister gebeten, uns Fotos aus seiner Amtszeit zur Verfügung zu stellen, die ihm - aus welchen Gründen auch immer - wichtig sind.
Größte Angriffsfläche
Der Krieg Russlands hat klar gemacht: Der Katastrophen- und Bevölkerungsschutz ist schon seit Jahrzehnten vernachlässigt worden, auch in Niedersachsen. Offenbar braucht es den Krieg in der Ukraine, um Defizite anzuerkennen und zu akzeptieren. In seiner Zeit entließ Pistorius mehrere politische Beamte. Das hinterließ Fragen, die nie ganz beantwortet wurden. Seine frühere Begeisterung für den Verfassungsschutz ist einer Routine gewichen. Baustellen im Ministerium für die kommenden Jahre sind sicherlich das Thema Cybersicherheit - bisher eher als Nebensache behandelt - und die Digitalisierung der Verwaltung. Hier rügt der Landesrechnungshof, dass das Innenministerium seiner Aufgabe nicht gerecht werde.
Sympathiepunkte
Pistorius ist humorvoll und gilt als blitzschneller Denker. Deutlich wird das etwa in Situationen wie dieser in der Lobby des Bundesrates: Ein Reporter trat auf ihn zu und verwechselte ihn mit Armin Laschet (CDU), der damals Bundeskanzler werden wollte. Anderer Mann, andere Partei - und natürlich große Pläne, jedes Wort wurde seinerzeit auf die Goldwaage gelegt. Im Glauben, Pistorius sei Laschet, fragte der Reporter nach einem Live-Interview. Der Schalk blitzte aus Pistorius' Augen, er "spielte" mehrere Minuten lang Laschet und löste die Situation erst kurz vor dem Live-Interview auf. Am Ende hat auch der Reporter gelacht.
Kommunikation
Pistorius gilt als ungeduldig, tritt gelegentlich forsch auf und kann es manchmal kaum verbergen, wenn er sich über andere ärgert. Zwischenzeitlich machte er den Eindruck, als würde ihn Niedersachsens Politik langweilen. Er suchte neue Herausforderungen, erlitt aber eine Schlappe, als er sich um das Amt des SPD-Bundesvorsitzenden bewarb. Die Asyl- und Sicherheitspolitik seiner Partei hat Pistorius als Sprecher der SPD-Innenminister seit Jahren geprägt.
Karriereaussichten
2021 hatte Pistorius Chancen, in der Ampel Bundesinnenminister zu werden. Das klappte nicht. Doch das dürfte weniger an ihm als an dem Proporz innerhalb der Partei gelegen haben. Boris Pistorius macht kein Geheimnis daraus: Er möchte weiter Innenminister bleiben und kandidiert erneut für ein Landtagsmandat in seiner Heimat Osnabrück. Gäbe es die Chance für einen Wechsel auf die Bundes- oder Europaebene, würde Pistorius aber vermutlich nicht zögern.
Und sonst so?
Boris und Doris - das war im Landtag ein besonderer Hingucker. Der verwitwete Boris Pistorius und Doris Schröder-Köpf waren seit 2016 privat ein Paar, bis sie sich vor einiger Zeit trennten. Offenkundig verstehen sich beide weiterhin gut. Pistorius ist Fan des VfL Osnabrück und hat in diesem Sommer für sich und seine Touren mit Freunden das Elektrorad entdeckt.
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