Abschied von Ulrich Mädge: Der ewige Oberbürgermeister geht
Er ist einer der dienstältesten Hautpverwaltungsbeamten Niedersachsens: 30 Jahre lang ist Ulrich Mädge Oberbürgermeister in Lüneburg. Jetzt ist Schluss.
Ein bisschen stolz blickt Ulrich Mädge über den St.-Stephanus-Platz in Kaltenmoor. Das ist sein Lüneburger Stadtteil, sagt er. Hier hat er begonnen, sich politisch zu engagieren. Das war in den 1980er-Jahren in einer Bürgerinitiative. Seit 1991 ist der Sozialdemokrat Oberbürgermeister in Lüneburg. Zuerst ehrenamtlich, seit 1996 hauptamtlich. Lüneburg war lange Zeit geprägt von der Bundeswehr. Mädge selbst kam als Soldat nach Lüneburg. Als die Kameraden nach der Wende abzogen, musste sich etwas ändern. Von Anfang an hatte Mädge eine Vision von seiner Stadt. "Wir waren fünf Leute, 'n paar Sozis, ein paar von der CDU und FDP waren dabei. Und wir haben uns dann Anfang der 90er-Jahre hingesetzt, als klar war, eine Kompanie, ein Bataillon nach dem anderen geht. Und haben gemeinsam versucht, die Stadt zu verändern. Mit viel Engagement in der Innenstadt und mit ein bisschen Ärger, als wir diese verkehrsberuhigt hatten", erinnert sich Mädge heute.
Handwerker-Kind mit Freude am Gestalten
Die Autos aus der Innenstadt verbannen, das kam zunächst nicht bei jedem gut an. Aber wenn Mädge entschieden hatte, dann galt das erst mal. So ist das auch nach 30 Jahren: "Allen wohl und keinem weh, das wird nicht gehen. Dann kommt man nicht voran", sagt Mädge. Entscheiden können, das sei eine Kernkompetenz eines Oberbürgermeisters. Aber genauso müsse er wissen, wie eine Verwaltung funktioniere, mit Menschen umgehen können und natürlich etwas vom Geld verstehen. Für Mädge war es der bekannte Mix aus allem, der das Amt des Oberbürgermeisters so lange attraktiv machte. "Ich habe immer gesagt, ich will gestalten in meiner Zeit. Ich komme aus einer Handwerksfamilie und ich freue mich am meisten, wenn etwas fertig ist."
Mädge steht trotz Kritik zu Libeskind-Bau
Fertig ist inzwischen auch das Zentralgebäude der Leuphana Universität. Bei diesem Projekt gab es besonders laute Gegenstimmen. Mädge steht bis heute hinter der Entscheidung für den teuren Bau des Stararchitekten Daniel Libeskind. "Man hätte auch einen Schuhkarton bauen können. Aber wir sind ja immer in der Diskussion mit dem Land, welche der kleinen Universitäten geschlossen werden soll. Mir war klar: Wenn wir hier ein Gebäude von Libeskind errichtet haben, das reißt auch keiner so schnell weg."
Kulturstadt Lüneburg: "Sind da gut unterwegs"
Wer nach etwas sucht, das Mädge anders gemacht hat als Kolleginnen und Kollegen in anderen Städten, der wird bei der Kultur fündig. Da hat Mädge nie gespart, im Gegenteil, sogar doppelt so viel Geld investiert wie vergleichbare Städte. Ein Erfolgsrezept, sagt er selbst. "Die Leute kommen auch von außerhalb in die Stadt. Trotz Hamburg, trotz Elphi, sind wir da gut unterwegs." All das führe dazu, dass sich Lüneburg heute auch Kulturstadt nennen dürfe.
OB ist lieber unterwegs als am Schreibtisch
Im Büro des Oberbürgermeisters steht noch der alte Schreibtisch, den Mädge von seinem Vorgänger übernommen hatte - Massivholz. Vergleichsweise sitze er nur wenige Stunden hinter dem Schreibtisch, sagt Mädge. Viel lieber sei er unterwegs, draußen, bei den Bürgern. "In Gespräche gehen, in Bürgerversammlungen zu gehen, für sein Projekt zu kämpfen, sich auch beschimpfen zu lassen und immer wieder dieses Ziel vor Augen zu haben, das war für mich immer mindestens genauso wichtig."
Schwierige Entscheidung beim Großbrand am Stint
Fragt man Mädge nach Ereignissen in seiner Amtszeit, die in Erinnerung bleiben, dann denkt er an den Großbrand am Stintmarkt in der Altstadt im Dezember 2013. Der Eigentümer war nicht da, deshalb musste Mädge entscheiden, ob das brennende Haus abgerissen werden soll oder nicht. Keine leichte Entscheidung, denn das Haus prägte das Lüneburger Stadtbild. "Ich stand plötzlich ziemlich alleine da", erinnert sich der Oberbürgermeister. "Meine Leute ringsherum hatten alle was anderes zu tun, um ja nicht mit eingebunden zu werden." Er entschied sich für den Abriss, um die Nachbarhäuser vor dem Feuer zu schützen. Im Nachhinein habe er alles richtig gemacht, sagt er heute. Das Haus ist wieder aufgebaut.
Nach 30 Jahren Weg frei für Nachfolger
Aber solch schnelle Entscheidungen seien wahrlich nicht einfach zu treffen. Von der Garnisonsstadt Lüneburg zur Universitäts- und Kulturstadt, auf diesem Weg hat der Soldat Mädge Lüneburg 30 Jahre als Oberbürgermeister begleitet. Jetzt wird er seinen Platz frei machen, für ein neues Gesicht im Rathaus. Die Spuren, die Mädge hinterlässt, sind in Lüneburg zwar nicht unumstritten, aber unumstritten groß.
