Doktorandin geschlagen: BGH kippt Urteil gegen Professor

Stand: 08.03.2023 19:30 Uhr

Vor gut einem Jahr hatte das Landgericht Göttingen einen Professor zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er Frauen geschlagen hat. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil teilweise aufgehoben.

von Wieland Gabcke

Nötigung - ja oder nein? Um diese Frage ging es in dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof in Leipzig. Genauer gesagt, um zwei Vorfälle von Gewalt, die das Landgericht Göttingen nicht als Nötigung verurteilt hatte. Der Professor hatte seine damalige Doktorandin mehrfach dazu gedrängt, sich von ihm mit einem Bambusstock auf das nackte Gesäß schlagen zu lassen. Er drohte ihr nach Ansicht der Richter, ihre Promotion scheitern zu lassen. So habe er die Frau unter Druck gesetzt. In zwei Fällen sprach er diese Drohung aber nicht aus. Das Landgericht sah diese Fälle deshalb nur als Körperverletzung an, nicht aber als Nötigung.

BGH fordert Landgericht auf, Nötigung erneut zu prüfen

Dieses Urteil wollte die Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren. Sie überreichte den Fall der Bundesanwaltschaft, die zog dann vor den Bundesgerichtshof. Und der BGH gab der Bundesanwaltschaft recht. Das Landgericht hätte auch diese beiden Fälle auf Nötigung prüfen müssen, urteilen die Richter in Leipzig. Deshalb wurde das Urteil aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts Göttingen zurück verwiesen. Die muss nun neu verhandeln.

Bundesanwaltschaft kritisiert das Urteil des Landgerichts als zu milde

In der Verhandlung am Mittwoch fand die Bundesanwaltschaft zu dem Landgerichtsurteil deutliche Worte. "Beim ersten Durchlesen des Urteils springt ins Auge, dass das Landgericht eine überaus große Milde dem Professor gegenüber hat walten lassen", so die Bundesanwältin. Steffen Hörning, der Anwalt der ehemaligen Doktorandin, ergänzte, dieses Verfahren könne an keinem passenderen Tag als am Weltfrauentag verhandelt werden. "Geht es doch um Frauen in erster Linie".

Nebenklage scheitert mit Antrag zu sexueller Nötigung

Mit seinem Antrag, die Taten des Professors auch als sexuelle Nötigung zu verurteilen, scheiterte Nebenklage-Anwalt Hörning jedoch. Zwar hatte das Landgericht Göttingen bereits eine sexuelle Motivation vermutet. Da sich die Vorfälle aber vor 2016 ereigneten, hätten sie nach dem alten Sexualstrafrecht verurteilt werden müssen. Da sah das Landgericht keine rechtliche Handhabe. Dieser Ansicht schloss sich der Bundesgerichtshof an und lehnte den Revisionsantrag der Nebenklage ab.

Nebenklage hofft auf härteres Urteil

Steffen Hörning ist dennoch zufrieden. Denn er hofft, dass der Professor in dem neuen Verfahren am Landgericht Göttingen härter bestraft werden wird. "Die Einzelstrafe würde sich natürlich erhöhen, wenn man eine Nötigung feststellen würde, und damit hätte das einen Einfluss auf die Gesamtstrafe", so Hörning. Für seine Mandantin und die beiden anderen betroffenen Frauen sei das lange juristische Verfahren allerdings sehr belastend.

Universität Göttingen begrüßt BGH-Entscheidung

Auch die Universität Göttingen begrüßte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Universität versucht schon seit Jahren den Professor loszuwerden. "Wir halten die Disziplinarklage auf Entfernung des Professors aus dem Amt, die wir 2018 eingereicht hatten, unverändert aufrecht", teilte die Hochschule mit. Dazu liegt ein Verfahren am Verwaltungsgericht Göttingen, das derzeit ruht. Sollte der Professor vom Landgericht im neuen Verfahren zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden, wäre dieses Verfahren hinfällig. Denn dann würde der Professor automatisch seinen Beamtenstatus verlieren.

Anwältin des Professors beklagt Vorverurteilung

Nach Ansicht von Susanne Frangenberg, der Anwältin des Professors, ist ein härteres Urteil keinesfalls sicher. "Ob die Gesamtstrafe von dem neuen Verfahren betroffen ist, das steht sowieso in Frage", sagte sie nach der BGH-Entscheidung am Mittwoch. Sie sieht einen Teilerfolg für ihren Mandanten, weil er nun nicht mehr wegen sexueller Nötigung belangt werden kann. Auch für ihren Mandanten sei das Verfahren belastend. "Das ist ein medialer Super-GAU für meinen Mandanten, denn er war immenser Vorverurteilung ausgesetzt", kritisierte die Anwältin.

Landgericht muss erneut über Beamtenstatus entscheiden

Nun ist das Landgericht Göttingen wieder am Zug. Der Richter am Landgericht hatte in seiner Urteilsbegründung am 30. März 2022 das vergleichsweise geringe Strafmaß auch damit begründet, dem Professor den Verlust seines Beamtenstatus nicht zumuten zu wollen. Die Entscheidung über eine möglicherweise härtere Strafe liegt demnächst bei einer anderen Kammer des Landgerichts wieder auf dem Tisch.

Dieses Thema im Programm:

Niedersachsen 18.00 | 08.03.2023 | 18:00 Uhr

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