Aus für 2G im Einzelhandel: Weil plant Anhörung vor OVG
Die niedersächsische Landesregierung hat mit dem Aus für 2G im Einzelhandel eine Verordnungs-Schlappe vor Gericht kassiert. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält dies dennoch für den richtigen Weg.
"Ich habe nicht die Absicht, Richterschelte zu betreiben", sagte Weil am Freitag in Hannover auf einer Pressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das niedersächsische Sozialministerium werde allerdings im Zusammenhang mit der Gerichtsentscheidung zu 2G im Einzelhandel vom Donnerstag eine Anhörung vor dem OVG beantragen, so Weil. Der Landeschef erhofft sich durch die Unterstützung führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Niedersachsen, den Richtern das Risiko der Omikron-Variante und eine daraus resultierende Begründung für 2G besser vermitteln zu können. Weil wies zudem darauf hin, dass Niedersachsen nun das einzige Bundesland sei, in dem nicht die 2G-Regelung gelte.
FFP2-Pflicht in Geschäften kommt
Derweil geht Niedersachsen dazu über, die bisherigen Maßnahmen zu überarbeiten. Am Sonnabend hat sich der Koalitionsausschuss getroffen und Einzelheiten besprochen. In der neuen Verordnung wird auch eine FFP2-Maskenpflicht für Kundinnen und Kunden des Einzelhandels enthalten sein. Diese soll ab Dienstag gelten. Das OVG hatte unter anderem mit dieser Option argumentiert: "Zudem könnten die Kunden, wie in vielen anderen Alltagssituationen, auch im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen", schrieb das Gericht.
Einzelhandelsverband sieht Hygienekonzepte bestätigt
Mark Alexander Krack vom Einzelhandelsverband Niedersachsen zeigte sich nach dem Lüneburger Urteil erleichtert. Er freue sich über die Feststellung des Gerichts, dass Shoppen sicher sei. Hygienekonzepte und Maskenpflicht funktionierten gut in den Geschäften, sagte Krack. Das Aus für 2G sei ein gutes Signal. Das Weihnachtsgeschäft sei mit diesem Beschluss vielerorts allerdings nicht zu retten, so Krack. Es gebe in einigen Gegenden 40 Prozent weniger Kundinnen und Kunden als zur selben Zeit vor der Pandemie.
Oldenburg-Schmidt: "Unzumutbare Belastung"
Einige Kommunen sind genervt vom Durcheinander - und kritisieren die Landesregierung. Man bedauere dieses Hin und Her sehr, so Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt (parteilos) in einer Mitteilung. "Die aktuelle Verordnungslage führt für alle Beteiligten mittlerweile zu einer unzumutbaren Belastung, die nicht mehr nachzuvollziehen ist", so Oldenburg-Schmidt. In Buxtehude war für den Einkauf mit 2G-Regel unter großem Aufwand eine Bändchen-Regelung erarbeitet worden, so Oldenburg-Schmidt. Die Stadt Oldenburg hat ebenfalls auf eine Bändchen-Lösung gesetzt. "Die Ausgabe der Armbändchen, mit der der 2G-Nachweis angezeigt werden konnte, wird eingestellt", teilte die Stadt mit.
Behrens von der Regel weiter überzeugt
Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) bedauerte in einer Stellungnahme am Donnerstag die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts: "Ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die Fortführung dieser Maßnahme der Bedrohungslage angemessen und auch infektiologisch notwendig gewesen wäre." Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund der fortschreitenden Ausbreitung der Omikron-Variante. 2G im Einzelhandel sei ein Baustein gewesen, um die Kontakte unter ungeimpften Personen zu reduzieren, so Behrens.
FDP begrüßt das Urteil aus Lüneburg
Die FDP im Landtag begrüßte dagegen das Urteil. In einem Beitrag beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb der Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner: "Zu versuchen, die Impfquote auf Kosten bestimmter Branchen und ohne Blick auf das Infektionsgeschehen zu steigern, ist falsch." Für die Landesregierung in Niedersachsen sei dies ein weiteres Zeichen ihrer plan- und ziellosen Corona-Politik, so Birkner weiter. Nach mehreren Niederlagen vor Gericht müsse die Regierung endlich lernen, ihre Maßnahmen rechtlich besser zu begründen.
Grüne: Eile statt Sorgfalt bei der Regierung
Mit dem OVG-Beschluss räche sich einmal mehr, "dass die Landesregierung Eile vor Sorgfalt als oberste Maxime hat", sagte die Grünen-Fraktionschefin Julia Willie Hamburg am Donnerstagabend in Hannover. Die Regierung müsse jetzt schnell eine mit mehr Sorgfalt erarbeitete neue Verordnung vorlegen, "damit hier kein regelungsfreier Raum entsteht".
OVG: 2G im Einzelhandel nicht verhältnismäßig
Die Lüneburger Verwaltungsrichter hatten am Donnerstag beschlossen, dass 2G-Regeln im Handel nicht verhältnismäßig seien und Geschäfte in der Pandemie keine Infektionsherde darstellten. Daher sei die Regelung zu sofort aufzuheben. Der Beschluss ist laut Oberverwaltungsgericht (OVG) nicht anfechtbar. Geklagt hatte nach Angaben eines Anwalts die Kaufhauskette Woolworth. Das OVG blieb mit dem 2G-Beschluss seiner kritischen Linie zu den von der Landesregierung verhängten Einschränkungen treu. Mitte Dezember hatte das Gericht bereits die 2G-Plus-Regel für Besuche beim Friseur, bei der Fußpflege und bei anderen körpernahen Dienstleistungen gekippt. Ende November hatte das Gericht geurteilt, dass die Corona-Verordnungen des Landes bislang immer auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhten. Aber einzelne Maßnahmen seien überzogen gewesen, zum Beispiel die Schließung von Autowaschanlagen im Frühjahr 2020.
