Ein Mann geht an einer auf dem Boden liegenden OP-Maske vorbei. © dpa-Bildfunk Foto: Frank Rumpenhorst

Was bedeuten die Corona-Lockerungen für das Infektionsgeschehen?

Stand: 06.05.2022 06:00 Uhr

Die Corona-Beschränkungen in Deutschland sind größtenteils weggefallen, auch die Maskenpflicht ist weitestgehend aufgehoben. Was bedeutet das für das Infektionsgeschehen? Und wie verhalten sich die Menschen angesichts der Lockerungen?

von Lina Beling und Andrea Brack Peña

Bis vor Kurzem hat Yasin Zendzia noch eine Maske aufgesetzt, wenn er am Morgen seinen kleinen Gemüseladen an der Hamburger Christuskirche betreten hat. Doch seit dieser Woche bedient er seine Kundinnen und Kunden ohne. "Für uns ist das während der Arbeit natürlich viel angenehmer, weil wir den ganzen Tag hier sind", sagt Zendzia. Von den Kunden werde der Wegfall der Masken aber nicht so richtig angenommen. "Der Großteil trägt weiterhin eine Maske. Das finde ich auch gut", betont er.

Der 26-Jährige fühlt sich so sicherer. Und wenn der Laden voll wird, dann setzt auch er seine Maske wieder auf. "Es ist ja noch nicht vorbei. Und so schützt man sich auf jeden Fall weiter."

Menschen achten weniger auf Abstand und tragen seltener Maske

Gunnar Zimmermann bei einer NDR-Umfrage auf dem Hamburger Isemarkt © NDR
Gunnar Zimmermann aus Schleswig-Holstein trägt im Freien keine Maske mehr, aber weiterhin in Innenräumen.

Auch auf dem Hamburger Isemarkt sind die Menschen noch etwas vorsichtig unterwegs. An den bunten Ständen laufen immer wieder Menschen mit Masken vorbei. Viele tragen sie aber nicht mehr. "Hier im Freien finde ich das vertretbar. Es ist ja nicht zu voll", sagt Markt-Besucher Gunnar Zimmermann. Aber in geschlossenen Räumen würde er weiterhin eine Maske tragen, so der Unternehmer. "Das mache ich auch aus Respekt vor anderen."

Freiwillig halten sich immer weniger Menschen an die Maske und andere Corona-Schutzmaßnahmen. In einer letzten Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung gaben zwar immer noch 87 Prozent an, in den vergangenen zwei Wochen Masken getragen zu haben. Vor Ostern waren es allerdings noch 94 Prozent.

Experte: Maske ist effektivstes Instrument gegen Ansteckung

Epidemiologe Prof. Dirk Brockmann © Monika Keiler Foto: Monika Keiler
Für Epidemiologe Dirk Brockmann ist die Maske das effektivste Instrument gegen eine Ansteckung.

Der Wegfall der Masken habe einen negativen Effekt auf das allgemeine Infektionsgeschehen, sagt Dirk Brockmann von der HU Berlin. Der Physiker leitet am Robert Koch-Institut eine Arbeitsgruppe, die mathematische Modelle und Computersimulationen über die Ausbreitung und Dynamik von Infektionskrankheiten entwickelt. "Die Maske ist eines der effektivsten Instrumente, um Ansteckungen zu verhindern", betont er. Die Gefahr sich anzustecken, sei ohne Maske höher. Über den Sommer könne es aber sein, dass die Zahlen erst einmal nicht weiter steigen, weil wärmere Temperaturen und der bestehende Impfschutz dies ausgleichen.

Dass derzeit die Inzidenzzahlen schwanken, verunsichert die Menschen. Das sagen auch die Kundinnen und Kunden auf dem Hamburger Isemarkt. "Das ist ja so ein Auf und Ab, ich komme da nicht mehr mit", erzählt eine Frau. "Ich schaue mir die Zahlen noch an, aber ich entscheide selbst, ob ich jetzt eine Maske trage oder nicht", sagt eine andere. Was zwei Jahre lang so wichtig wie der Wetterbericht war, scheint langsam als tägliche Informationsquelle ausgedient zu haben.

Inzidenz bildet nicht mehr aktuelle Lage ab

Gilt das auch in der Wissenschaft? Dirk Brockmann differenziert: "Es ist nicht richtig klar, ob die Inzidenz immer noch das Infektionsgeschehen richtig gut abbildet, weil durch Omikron eine höhere Diskrepanz entsteht zwischen dem, was gemeldet wird und zwischen dem, was wirklich passiert."

Omikron verbreitet sich schnell. Vielerorts kommen Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung nicht hinterher. Testkapazitäten sind knapp und Infektionen werden oft nicht mehr per PCR-Test bestätigt. Daher liefere die Inzidenz kaum ein vollständiges Bild des Infektionsgeschehens.

Zahlen bleiben für die Langzeitbeobachtung wichtig

Dennoch sei es wichtig, die Inzidenz zu betrachten, sagt Brockmann. An ihr ließe sich immer noch eine Dynamik ablesen. "Man kann noch sehen, ob die Zahlen hochgehen oder ob sie runtergehen und daraus wichtige Informationen ableiten."

Vor allem im Hinblick auf den Herbst. "Wenn beispielsweise im Herbst eine neue Welle kommt, dann werden wir wieder eine Diskussion haben zur Impfpflicht, zur Maskenpflicht und über Kontaktbeschränkungen." Dann könnten wir wie in den letzten Jahren wieder lange auf eine Antwort der Politik warten. "Diese Diskussion könnte man schon vorher führen und sich einigen, was passiert, wenn", sagt Brockmann. Jetzt sei die Zeit auf die Zahlen zu schauen und anhand dessen Pläne für die kommenden Monate zu erstellen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 05.05.2022 | 07:23 Uhr

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Ein Smartphone mit einem eingeblendeten NDR Screenshot (Montage) © Colourbox Foto: Blackzheep

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