Vier-Tage-Woche ist nicht gleich Vier-Tage-Woche

Stand: 17.04.2023 20:04 Uhr

Ist die Vier-Tage-Woche zeitgemäß? Kann sie eine Lösung für die viel beschworene Work-Life-Balance sein? Viele Arbeitgeber setzen neuerdings auf dieses Arbeitszeit-Modell. Bei der Ausgestaltung gibt es aber große Unterschiede.

von Marc-Oliver Rehrmann

Grob gesagt lassen sich drei Arten ausmachen. Modell Nummer eins: eine Vier-Tage-Woche, ohne dass sich die Wochenarbeitszeit ändert. So schwebt es beispielsweise der Stadtverwaltung in Wedel bei Hamburg vor. Als bundesweit eine der ersten Städte führt Wedel eine Vier-Tage-Woche ein. Die Beschäftigten der Stadtverwaltung können ihre Arbeitszeit dann auf vier statt auf fünf Tage verteilen. Das heißt: An den einzelnen Arbeitstagen muss länger gearbeitet werden. Der Lohn bleibt gleich.

Die spannende Frage nach dem Lohn

Variante zwei lautet: weniger Wochenarbeitszeit, aber auch weniger Lohn. Variante drei ist für die Beschäftigten am attraktivsten: weniger Wochenarbeitszeit und keine Abstriche beim Lohn.

Für die Variante drei tritt auch die IG Metall ein. Die Gewerkschaft hat zuletzt für die Stahlindustrie eine Vier-Tage-Woche ins Gespräch gebracht. Konkret soll dem Vorschlag zufolge die Arbeitszeit pro Woche von 35 Stunden auf 32 Stunden reduziert werden. Dieser Schritt könne einen "großen Fortschritt für die Lebensqualität und die Gesundheit" der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stahlindustrie bringen, so die IG Metall. Zudem könne die Branche dadurch attraktiver für junge Menschen gemacht werden.

Viele Lösungen sind denkbar

Auch in Norddeutschland stellen sich viele Arbeitgeber die Frage: Wie können wir Arbeitssuchende für uns begeistern? So mancher Betrieb setzt auf eine Vier-Tage-Woche. Dabei zeigt sich, dass es viele verschiedene Ausgestaltungen gibt.

So bietet eine Software-Firma aus Hamburg statt 40 Stunden nun eine 32-Stunden-Woche an - bei gleichem Lohn. Ein Dachdecker-Betrieb im niedersächsischen Nordstemmen hat auch die Vier-Tage-Woche eingeführt, aber statt acht Stunden wird nun jeden Tag zehn Stunden auf der Baustelle gearbeitet. Ähnlich handhabt es ein Tischlermeister in Hamburg: In der Regel sollen die Mitarbeitenden an vier Tagen der Woche zehn Stunden arbeiten. Wer am Ende der Woche aber nur auf 36 oder 37 Stunden kommt, erhält trotzdem den vollen Lohn. Und bei einem Pilotprojekt der IG Metall in Niedersachsen läuft es so: Die Beschäftigten eines Wochenmarkt-Wagen-Herstellers in Rotenburg (Wümme) arbeiten jeden Tag eine halbe Stunde länger und haben dafür zwei Mal im Monat am Freitag frei.

Welcher Tag ist dann zusätzlich frei?

Unterschiedliche Regelungen gibt es auch in der Frage, welcher Tag in der Woche zusätzlich frei sein soll. Einige Betriebe ermöglichen allen Beschäftigten einen freien Freitag - für ein langes Wochenende. Manchmal können aber auch die Mitarbeitenden den freien Wochentag wählen - in Abstimmung mit dem Arbeitgeber. So soll es auch bei der Stadtverwaltung in Wedel geregelt werden. Denn die Öffnungszeiten der Behörden sollen durch die Vier-Tage-Woche nicht eingeschränkt werden.

Oft eine Win-Win-Situation

Die bisherigen Erfahrungen offenbaren, dass häufig auch Arbeitgeber sehr gut mit einer Vier-Tage-Woche leben können. Viele Arbeitgeber berichten, dass sich nun mehr Bewerber auf Stellenausschreibungen melden und dass weniger Mitarbeitende ihren Job kündigen oder wegen Krankheit fehlen.

Und was schätzen die Angestellten an einer Vier-Tage-Woche? Häufig heißt es, dass ein zusätzlicher freier Tag in der Woche ideal für Termine wie Friseur, Arztbesuche oder Behördengänge sei. Zudem bleibe mehr Zeit für die Familie und Freunde - und wer freitags nicht mehr arbeiten muss, berichtet über eine bessere Erholung durch das lange Wochenende. Außerdem sind viele Pendler froh, dass sie im Wochendurchschnitt auf weniger Fahrtzeit kommen.

Sind zehn Stunden Arbeit am Tag erlaubt?

Bei aller Begeisterung für eine Vier-Tage-Woche bleibt die Frage, welche Regelungen arbeitsrechtlich erlaubt sind. Klar ist: Eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden ist arbeitsrechtlich möglich, mehr aber auch nicht. Denn laut dem Arbeitszeitgesetz darf die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden pro Werktag verlängert werden. Zugleich bedeutet dies auch: Bei einer Vier-Tage-Woche sind maximal 40 Arbeitsstunden pro Woche erlaubt.

Es gibt aber Ausnahmen: Bei Jugendlichen - zum Beispiel Auszubildende - darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht übersteigen. Bei einer Vier-Tage-Woche dürften sie also höchstens 32 Stunden eingesetzt werden. Schwangere und Stillende dürfen nicht länger als 8,5 Stunden am Tag beschäftigt werden, was maximal 34 Stunden in einer Vier-Tage-Woche ergibt.

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"Man muss sich jeden Tag erholen können"

Eine Vier-Tage-Woche biete nicht nur Vorteile, sagt die Arbeitspsychologin Simone Kauffeld von der Technischen Universität Braunschweig: "Die Nachteile liegen auf der Hand: Es wird nicht leichter für die Arbeitgeber, solch ein Arbeitszeit-Modell im Team zu koordinieren - zum Beispiel, wenn es darum geht, einen Kunden zufriedenzustellen."

Kauffeld sieht es auch kritisch, dass bei manchen Varianten der Vier-Tage-Woche bis zu zehn Stunden am Tag gearbeitet werden soll. "Man muss bedenken, dass man sich jeden Tag erholen muss. Das kann ich nicht allein auf das Wochenende schieben. Man muss jeden Tag entsprechende Erholungsphasen haben. Und das muss man als Arbeitgeber gewährleisten." Die Arbeitspsychologin wundert sich jedenfalls nicht, dass sich die Vier-Tage-Woche noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat.

"Das Interesse ist bislang überschaubar"

Wie groß ist das Interesse an einer Vier-Tage-Woche? Axel Fick vom Kompetenzzentrum "mv works" hält es bislang für "überschaubar" - zumindest in Mecklenburg-Vorpommern. "Andererseits gibt es kaum noch Bereiche, in dem man die Vier-Tage-Woche oder andere flexible Arbeitszeit-Modelle nicht einsetzen kann", sagt Fick. Er berät Firmen auch bei Fragen zur Vier-Tage-Woche. "Für viele Menschen wird es immer wichtiger, Arbeitszeit und Lohn in Einklang zu bringen." Hier könne die Vier-Tage-Woche eine von mehreren möglichen Lösungen sein, so Fick.

Wie wird eine Vier-Tage-Woche geregelt?

Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber kann bestimmen, wie die Arbeitszeiten in seinem Betrieb verteilt werden - sofern dies vertraglich nicht anders vereinbart wurde. Zugleich kann ein Arbeitgeber aber nicht ohne Weiteres die Arbeitszeit reduzieren. Im Idealfall handelt der Arbeitgeber die Details einer Vier-Tage-Woche mit dem Betriebsrat oder - in kleineren Firmen - gemeinsam mit seinem Team aus. Wichtig ist dabei, dass alle Mitarbeiter gleichbehandelt werden. So ist es nicht erlaubt, nur einzelnen Mitarbeitern eine Vier-Tage-Woche zu ermöglichen, anderen aber nicht, ohne dass es hierfür eine Rechtfertigung gibt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 14.04.2023 | 08:00 Uhr

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