Trockenheit: Wenn der Feind Wasser plötzlich zum Freund wird
Seit Jahrhunderten kämpfen die Menschen an der Westküste Schleswig-Holsteins gegen das Wasser an. In trockenen Wochen wie diesen zeigt sich, dass sich nicht nur die Einstellung zum Wasser ändern muss.
Wenn Jan Rabeler zeigen will, wie es aktuell um die Trockenheit steht, bringt er Interessierte als erstes an eine Staustufe des Poppenbüller Sielzugs auf Eiderstedt (Kreis Nordfriesland). Der Wasserstand sinkt dort bereits ab, wenn auch nur um fünf Zentimeter. "Das ist bis jetzt noch nicht viel", bemerkt Rabeler, "aber wenn es weiter so trocken bleibt, wird man zuschauen können, wie die Pegel in den Gräben abnehmen." Ein Teil verdunstet, einen Teil nimmt sich die Natur, die in diesen Tagen förmlich explodiert.
Trockenheit in SH: Wasserstände und Pegel im Blick

Der 55-Jährige ist Landwirt und hat allein schon deshalb das Wasser immer im Blick. Zusätzlich ist er aber auch Oberdeichgraf von Eiderstedt. Daher wird er in erster Linie mit dem Kampf gegen das Wasser der Nordsee in Verbindung gebracht - ein Kampf, den die Eiderstedter schon seit Jahrhunderten führen.
Ein Grabensystem von 5.400 Kilometern
Neben den Deichen stehen die Wassergräben für diesen Kampf. Wie ein Straßennetz aus Autobahnen, kleineren Bundes-, Landes- und noch kleineren Kreisstraßen durchziehen sie die Halbinsel. 5.400 Grabenkilometer, durch die das Wasser Richtung Eider und Nordsee geschickt wird, lange getreu dem Motto: Hauptsache, weg!
Immer trockenere Sommer werden zur Herausforderung

Doch dieser Ansatz verändert sich: Aufgrund trockener werdender Sommer kämpfen Rabeler und seine Kollegen zunehmend um Wasser. Dass der Poppenbüller Sielzug überhaupt noch so gut gefüllt ist, liegt nach dem nassen Herbst und Winter 2024 vor allem am vergangenen April. In dem Monat fiel die Regenmenge auf Eiderstedt zumindest durchschnittlich aus. Der Januar hingegen war schon trocken und der Februar und der März extrem trocken.
Auch die Marsch kann schnell zu trocken werden
Der Marschboden auf Eiderstedt, wie auch in anderen Gebieten entlang der Westküste, ist ein hervorragender Wasserspeicher. Die wenigen Regentage des Jahres reichten, um die oberen Bodenschichten etwas feucht zu halten, was laut Rabeler momentan ideale Bedingungen für Natur und Landwirtschaft schafft. Nur: "Zwischen ideal und problematisch liegen auch bei uns manchmal nur zwei, vielleicht drei trockene Monate", sagt er.

Und nicht immer sind die Sommermonate so nass wie im vergangenen Jahr. Im Gegenteil: Künftig könnten sie häufiger so trocken sein wie 2017 und 2018, als Gräben auf Eiderstedt komplett trocken fielen und der Süßwasserdruck soweit abnahm, dass Salzwasser vom Meer emporsprudelte.
Auch das Land hat die Trockenheit als Problem erkannt
Auch die Landesregierung hat neben dem Meeres- und Binnenhochwasser das Problem der zunehmenden Trockenperioden in den sogenannten Niederungen als Problem erkannt - dazu gehören insbesondere die Marschgebiete an der Westküste, die meist unter dem Meeresspiegel liegen. Sie fordert und fördert Maßnahmen, die helfen, das Wasser im Land zu halten und zu speichern.

So unterschiedlich die Lösungen in den verschiedenen Gebieten der Westküste sein können, so sehr ähnelt sich die Herausforderung, vor der die Verbände stehen: die Menschen vor Ort, vor allem die Landeigentümer, davon zu überzeugen, dass mehr Wasser im Land gut ist.
Wasser wird in Trockenzeiten sehr kostbar
Jan Rabeler fährt zu einer Stelle am Hauptsielzug des Norderfriedrichkoogs, einem Graben zwischen zwei Feldern, bewachsen mit Schilf. Auf drei Kilometern Länge soll der verbreitert und an den Rändern abgeflacht werden. Es ist eine im Grunde simple Maßnahme, die sowohl in Zeiten mit zu viel als auch in Zeiten mit zu wenig Regen hilft. "Wir müssen in der regenreichen Zeit mehr Wasser halten können", sagt Jan Rabeler. "Einerseits, weil wir es immer öfter nicht werden ausreichend in die Nordsee abfließen lassen können und andererseits, weil wir es für Trockenzeiten brauchen."
Wasser im Land halten? Viele sind skeptisch

Es ist ein Pilotprojekt, das längst hätte starten sollen. Jetzt wird es wohl erst im kommenden Jahr losgehen - und auf dem ersten Abschnitt nur halb, weil lediglich der Landeigentümer auf der einen Seite den dafür notwendigen zwei, drei Meter breiten Streifen verkaufte. Der gegenüberliegende Eigentümer zeigt sich skeptisch und will erst sehen, welche Auswirkungen das Projekt auf die andere Wiese hat, erzählt Rabeler.
Er kann die Bedenken und Widerstände verstehen. Rabeler weiß ja selbst, wie teuer Land mittlerweile auf Eiderstedt ist, weil immer mehr davon versiegelt wird. Und auch, wie wichtig ein optimaler Wasserstand ist, um Felder gut bewirtschaften, mit Maschinen befahren zu können. Als Eiderstedt im vergangenen Sommer quasi unter Wasser stand, verlor er drei Viertel seiner Ernte. Ähnlich sind die Ängste der Landwirte: Was geschieht, wenn wir Wasser halten, aber es bei starkem Regen nicht schnell genug abfließen kann?
Viel Überzeugung und große Investitionen nötig

Für Jan Rabeler besteht hier ein Missverständnis: Größere Gräben seien ja nicht nur größere Wasserspeicher, sondern könnten auch mehr Wasser transportieren. Das System werde insgesamt leistungsfähiger, flexibler. "Zumindest, wenn der Ablauf insgesamt gewährleistet ist", sagt Rabeler. Neben breiteren Gräben und punktuellen, großen Pufferzonen, wie es sie auf Eiderstedt zum Beispiel mit dem Katinger Watt gibt, brauche es deshalb an einigen Stellen künftig auch leistungsstarke Schöpfwerke.
Das Katinger Watt, ein Schutzgebiet für Wiesenvögel, zeige, dass am Ende alle vom Wasser profitierten, die Menschen genauso wie die Natur. "Derzeit steht Wasser auf etwa vier Prozent des Eiderstedter Gebiets", sagt Jan Rabeler. "Ein Prozent mehr Pufferfläche - das würde schon helfen." Besser wären zwei bis drei Prozent mehr. Doch die Menschen von dem einen Prozent zu überzeugen, sei schon schwer genug, so Rabeler.
Kosten der Entwässerung: Finanzierung ist offen
Zudem ist die Frage, wer das Ganze finanzieren soll. Üblicherweise tragen die Flächeneigentümer die Kosten der Entwässerung - sie werden auf alle umgelegt. Allein die Verbreiterung der drei Test-Kilometer am Hauptsielzug des Norderfriedrichkoogs kostet aber rund eine Million Euro - die Gebühren pro Hektar würden stark steigen. In diesem Fall können laut Rabeler Mittel aus dem Naturschutz genutzt werden. Wie es bei künftigen Maßnahmen sein wird, ist aber noch unklar.
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