Traumatisierte Veteranen kämpfen um Anerkennung der Bundeswehr
Hunderte psychisch kranke Veteranen ringen oft lange Jahre um Anerkennung ihrer Einsatzschädigung und Versorgung der Bundeswehr. Ein Fallschirmjäger aus Stade und sein Lüneburger Anwalt gingen mit als Erste in den Konflikt mit der Wehrbürokratie. Um das Thema geht es in der neuen Staffel des Podcasts "Killed in Action".
Der gebürtige Rostocker Robert Müller war als Fallschirmjäger der Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan. Besonders die Bilder aus dem Balkankrieg lassen ihn bis heute nicht los, "weil ich einfach viel mehr Tod, Verwundung, Gerüche, Bilder tagtäglich erlebt habe und Menschen, die sich auf bestialische Art und Weise umgebracht haben."
Im Afghanistaneinsatz sucht er mit seinem Diensthund nach Sprengstoff und ist 2002 dabei, als eine Rakete entschärft werden soll. Sie explodiert, fünf Soldaten sterben. Robert Müller überlebt verletzt. Zurück zu Hause in Stade bekommt er Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Er magert ab, bekommt Hautausschlag, kann kaum mehr schlafen und bricht bei einem Arztbesuch zusammen.
Wehrdienstbeschädigung zunächst nicht anerkannt
Robert Müller hat PTBS, aber die Bundeswehr erkennt seine Krankheit zunächst nicht als Wehrdienstbeschädigung an und verweigert ihm damit auch finanzielle Versorgung, die Einsatzgeschädigten zusteht. Gemeinsam mit seinem Anwalt Arnd Steinmeyer aus Lüneburg geht er vor Gericht. Steinmeyer hat inzwischen Hunderte an PTBS erkrankte Soldaten vertreten. "Soldaten haben damit große Schwierigkeiten, den Dienstherrn zu verklagen und fühlen sich eben auch sehr im Stich gelassen, weil sie große Teile ihrer Gesundheit im Einsatz gelassen haben und jetzt noch um ihr Recht und Geld kämpfen müssen. Das führt schon zu einer großen Verbitterung bei vielen Soldaten."
22 Monate bis zum ersten Bescheid
Wehrdienstbeschädigungsverfahren wegen psychischer Erkrankungen dauern deutlich länger als Verfahren wegen körperlicher Schäden. Durchschnittlich vergehen 22 Monate bis zum ersten Bescheid. Oft folgen Widersprüche und Prozesse, die sich manchmal auch mehr als zehn Jahre hinziehen. Allein der bundesweit bei diesen Verfahren führende Wehrrechtler Arnd Steinmeyer hat nach eigenen Angaben mehrere Hundert Fälle jährlich gezählt. "Wir wollen auf der einen Seite Soldaten haben, die für die Gesellschaft in Einsätze ziehen und das Land verteidigen", so der Lüneburger Anwalt mit Blick auf die Nachwuchswerbung für die Landes- und Bündnisverteidigung.

"Dann muss man sich auf der anderen Seite aber auch sehr großzügig um diese Soldaten kümmern und kann sie dann nicht in ganz kleinteilige Verfahren reinlaufen lassen und am langen Arm verhungern lassen."
Der PTBS-Beauftragte der Bundeswehr, Peter Zimmermann, hingegen sagt, Deutschland habe "eines der fürsorglichsten Systeme überhaupt in der Welt. Wir haben immer mal wieder Menschen, die auch mal durchs Raster fallen, was aber ganz sicher kein böser Systemwille ist, sondern eine Fehleinschätzung, so was kann tatsächlich in jedem System passieren."
Diagnose häufig erst nach Ende der Dienstzeit
Die Bundeswehr erreicht allerdings mit ihren Behandlungsangeboten selbst nach eigenen Schätzungen nur 10 bis 20 Prozent der PTBS-kranken Einsatzgeschädigten. Damit könne man jedoch nicht zufrieden sein, räumt der PTBS-Beauftragte Zimmermann im Interview mit dem NDR ein, "denn eine psychische Erkrankung, die über längere Zeit schwelt, ist zwar dann immer noch behandelbar, aber es wird nicht unbedingt leichter", weil die Erkrankung dann chronisch werde. Bundeswehreinrichtungen registrierten nach Berechnungen des NDR seit 2011 knapp 2.800 einsatzbedingte PTBS-Erkrankungen. Nach Schätzungen auf Basis einer Bundeswehrstudie dürften aber mindestens 13.000 Soldaten nach Auslandseinsätzen PTBS entwickelt haben. Oftmals wird die Diagnose jedoch erst nach Ende der Dienstzeit von zivilen Ärzten gestellt.
Robert Müller: "Musste mir Hilfe hart erkämpfen"
Bei Robert Müller aus Stade dauerte es zwölf Jahre, bis er seine Ansprüche durchsetzen konnte. Heute ist er finanziell versorgt, aber die Krankheit bleibt. Immerhin denkt der dienstunfähige Ex-Soldat inzwischen nicht mehr jeden Tag an Selbstmord. "Es gab Hilfe, aber die musste ich mir immer hart erkämpfen", sagt der 47-Jährige. "Ich habe nie etwas einfach so geschenkt bekommen. Im Gegenteil. Ich kenne wirklich keinen einsatzgeschädigten Veteranen, wo das einfach so funktioniert hat. Jeder musste das hart für sich erkämpfen. Und viele scheitern."
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