Wie eine Cannabis-Plantage in der Fußgängerzone unentdeckt blieb
Nach der Entdeckung mehrerer professioneller Cannabisplantagen im südlichen Harz präsentiert die Staatsanwaltschaft neue Erkenntnisse. Zugleich kritisieren die Ermittler die teilweise Legalisierung der Droge.
Drei Plantagen hatte die Polizei zwischen Mitte und Ende April in leer stehenden Gebäuden in Bad Lauterberg sowie in Hattorf und Wulften (Landkreis Göttingen) entdeckt. Insgesamt fanden die Beamten laut Staatsanwaltschaft 4.000 Cannabispflanzen. Eine alltägliche Menge sei das nicht gewesen, sagt Andreas Buick jetzt. Dem Sprecher der Staatsanwaltschaft zufolge wäre das beschlagnahmte Cannabis auf dem Schwarzmarkt etwa eine Million Euro wert gewesen.
Niemand hat etwas gerochen
Insbesondere die Plantage in Bad Lauterberg hat die Ermittler ins Staunen versetzt: Sie befand sich in einer früheren, leer stehenden Fleischerei mitten in der Fußgängerzone der Stadt am Harz. Dass in dem beschaulichen Fachwerkhaus mit Erker laut Buick seit mindestens einem Jahr Cannabis wuchs, haben Nachbarinnen und Nachbarn nicht mitbekommen, wie sie dem NDR in Niedersachsen bestätigten.
"Diebstahlversuch im Drogenmilieu"
Aufgeflogen seien die Kriminellen wegen eines "Diebstahlversuchs im Drogenmilieu", erklärte Buick jetzt. Drei Verdächtige wollten demnach Cannabispflanzen aus der Plantage in Bad Lauterberg stehlen, zwei für die Plantage zuständige Gärtner erwischten sie. Die nächtliche Auseinandersetzung rief erst die Nachbarn und dann die Polizei auf den Plan. Dank Verstärkung aus benachbarten Polizeiwachen und Unterstützung durch einen Polizei-Hubschrauber konnten die Beamten fünf Verdächtige vor Ort festnehmen.
Zwei Gärtner lebten offenbar auf der Plantage
Und erst im Rahmen dieser Festnahme flog die illegale Plantage auf, für die die Innenräume des dreistöckigen Hauses fast vollständig umgebaut worden waren. Neben Leichtbauwänden sei auch eine eigene Wasser-, Strom und Frischluftversorgung installiert worden, so die Polizei. Zugleich hätten die Kriminellen das Haus mit Bauschaum gegen Gerüche abgedichtet - und damit kein Licht nach außen drang, wurden die entsprechenden Stellen mit Alufolie verklebt. Wie Staatsanwalt Buick nun bestätigte, richteten die Kriminellen auch Schlafplätze ein - offenbar für die beiden Gärtner, die später an der Auseinandersetzung mit den weiteren Verdächtigen beteiligt waren.
Schusswaffen gefunden
"Dass es in unmittelbarer Nähe der belebten Fußgängerzone überhaupt möglich ist, so lange unbemerkt ein derartiges 'Drogenunternehmen' zu betreiben, hätten wir so nicht erwartet und uns auch nicht vorstellen können", sagte Guido Schwarze, Leiter des Bad Lauterberger Polizeikommissariats nach dem Einsatz. Erschreckt habe ihn insbesondere, dass dort auch zwei scharfe Schusswaffen gefunden worden seien. "Das lässt auf eine erhebliche kriminelle Energie der Täter schließen", so Schwarze.
Viele Hintergründe sind unklar
Eine Woche später bestätigte sich das: In einem alten Gehöft nahe Wulften und in einer alten Fabrikanlage in Hattorf fanden die Beamten zwei weitere Großplantagen, die nicht minder professionell waren als der erste Fund in der Fußgängerzone von Bad Lauterberg. Ein 56-Jähriger aus dem Altkreis Osterode (heute: Landkreis Göttingen) wurde zwischenzeitlich festgenommen. Er hat laut Polizei Bezüge zu allen drei Objekten. Die Staatsanwaltschaft wollte sich zur Rolle dieses Mannes nicht äußern. Zu Personalien von Beschuldigten könne er aus grundsätzlichen Erwägungen nichts sagen, so der Oberstaatsanwalt.
Falsche Aushänge am Gebäude?
Ein Fleischer aus Wernigerode, auf den zuletzt mehrere Aushänge an dem Bad Lauterberger Gebäude hinwiesen, bestreitet hingegen jegliche Beteiligung. Er hat inzwischen einen Anwalt beauftragt. Dieser erklärte, sein Mandant habe mit der gesamten Immobilie schon lange nichts mehr zu tun. Vielmehr habe der Eigentümer oder der ehemalige Vermieter die Aushänge gegen den Willen des Fleischers aufgehängt. Schon länger laufen mehrere Klagen des Wernigeröders, wie auch das Landgericht Göttingen bestätigt.
Staatsanwalt sieht Cannabislegalisierung kritisch
Ansonsten sind viele Hintergründe auch für die Staatsanwaltschaft noch unklar. Es sei durchaus möglich, dass es sich um Clankriminalität handele. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann man das meines Erachtens nach noch nicht mit Gewissheit sagen", so Buick. Zugleich zeigt sich bei den Funden dem Oberstaatsanwalt zufolge auch, dass der Cannabis-Schwarzmarkt trotz der Teillegalisierung blüht - während die Strafverfolgung unter anderem durch die teilweise Entkriminalisierung schwieriger geworden sei.
