Eine junge Frau lehnt aus einem Fenster. Sie trägt eine Mund-Nasen-Bedeckung. In der Spiegelung des Fensters sieht man sie ohne diese lächeln. © photocase.de Foto: Andoni

Omikron: 300.000 Neuinfektionen pro Tag zu erwarten

Stand: 03.02.2022 15:00 Uhr

Zwischen Ende Februar und Anfang März könnte die Omikron-Welle in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht haben - und das, ohne dass es zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt.

von Claus Hesseling, Björn Schwentker, Anna Behrend

Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung von Forscherinnen und Forschern der Humboldt-Universität (HU) Berlin und des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor. Die Untersuchung bestätigt zudem die große Bedeutung von Impfungen für den weiteren Pandemieverlauf.

Bis zum Peak der Omikron-Welle könnte sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen noch deutlich erhöhen. Auch das geht aus der Modellrechnungen der Forschenden hervor. Im Mittel könnten sich in den kommenden Wochen rund 300.000 Menschen täglich neu infizieren. In anderen Szenarien könnte der Wert bis auf 500.000 oder gar 800.000 Neuinfektionen pro Tag steigen. Wieder andere Rechnungen sehen Werte von 55.000 bis 180.000 Corona-Neuinfektionen pro Tag.

Dass die Ergebnisse der Rechenmodelle sich so stark unterscheiden, liegt daran, dass sie Annahmen über viele Faktoren beinhalten, die nicht genau bekannt sind: Wie schnell sich Omikron von einem Infizierten zum Nächsten verbreitet, wie die Menschen ihre Kontakte im Lauf der Zeit reduziert haben und wie effektiv eine Auffrischimpfung gegen eine Corona-Infektion schützt.

Das Ganze sei keine Prognose, wie sich die Corona-Pandemie in Deutschland entwickeln wird, betonen die Forschenden, sondern es gehe um verschiedene Szenarien, die unter bestimmten Annahmen skizziert wurden. Insgesamt wurden 180 verschiedene dieser Szenarien betrachtet. Die obige Grafik zeigt, was daraus im Mittel für die Inzidenzwerte folgt: In allen Modellen kommen die Forscher zum Schluss, dass die Omikron-Welle Mitte Februar bis Anfang März ihren Höhepunkt erreichen könnte.

Dunkelziffer: Wahre Fallzahl rund doppelt so hoch geschätzt

In den Modellen der Forschenden geht es nur um die offiziell gemeldeten Corona-Fälle. Die Autoren des Berichts gehen davon aus, dass die Dunkelziffer um die 50 Prozent liegt, dass also die wahre Zahl der Neuinfektionen etwa doppelt so hoch sein könnte.

Überlastung der Intensivstationen wird nicht erwartet

Die Forschenden haben nicht nur berechnet, wann und wie die Corona-Fallzahlen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen könnten, sondern auch, wie sich abhängig davon die Lage in den Krankenhäusern und speziell den Intensivstationen entwickeln könnte. Und ihre Ergebnisse machen Hoffnung, denn in den allermeisten Szenarien kommt es demnach auch bei dem zu erwartenden Omikron-Peak nicht zu einer Überlastung der Intensivstationen oder der Krankenhäuser insgesamt.

Basierend auf den bisher verfügbaren Informationen nehmen die Forschenden an, dass das Risiko, mit oder wegen einer Omikron-Infektionen ins Krankenhaus zu kommen, rund ein Drittel so hoch ist, wie bei einer Infektion mit der Delta-Variante.

Das Risiko, mit Omikron auf die Intensivstation zu kommen, sehen sie bei rund einem Zehntel im Vergleich zu Delta. Setzt man dies voraus, so könnten es sein, dass in der zweiten Februar-Hälfte täglich 2.000 Menschen neu mit oder wegen Corona ins Krankenhaus aufgenommen werden. In den meisten Szenarien wird die Belegung der Intensivstationen jedoch nicht den hohen Wert aus dem Dezember 2021 erreichen.

Deutlicher Effekt von Kontaktreduktionen in Modellen

Die Forschenden haben auch simuliert, mit welchen politischen Maßnahmen sich die Omikron-Welle beeinflussen lassen könnten: Eine lange, schwache Kontaktreduktion würde den Peak deutlich abschwächen, um etwa ein Drittel der Fälle. Eine kurze, schwache Kontaktreduktion würde auch die Omikron-Welle brechen und zur Verflachung der Infektionskurve führen. Eine kurze, starke Kontaktreduktion Anfang Januar hätte zu einer noch stärkeren Welle im Februar führen können.

Gedankenexperiment: Erstimpfungen helfen massiv

In einer Art Gedankenexperiment simulierten die Autorinnen und Autoren des Berichts außerdem, welchen Effekt auf den weiteren Pandemie-Verlauf es hätte, wenn im Januar auf einen Schlag 15 Millionen Menschen zusätzlich eine Erstimpfung erhalten hätten. In dem Bericht heißt es dazu: "Eine hypothetisch höhere Zahl von Erstimmunisierten (...) würde das Risiko maximal belasteter Intensivstationen wiederum stark verringern."

Politische Empfehlungen wollen die Forscherinnen und Forscher jedoch nicht aus ihren Modellen ableiten. Sie weisen zudem auf die Limitation der Rechnungen hin. Das liege unter anderem an der Dunkelziffer bei den Infizierten und Genesenen, der Wirkung der Impfstoffe bei Omikron und anderen Effekten wie der anstehenden Umstellung der Teststrategie. Die Modelle beziehen sich auf die Omikron-Variante B.1, Informationen über die in Dänemark vorherrschende Variante B.2 wurden nicht berücksichtigt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 03.02.2022 | 13:35 Uhr

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