"So eine Wärmepumpe ist eine kleine Zauberkiste"
Für den Klimaschutz ist auch beim Heizen ein Umdenken erforderlich. Wie kann die Abkehr von Öl- und Gas-Heizungen gelingen? Wärmepumpen gelten als eine klimafreundliche Technologie der Zukunft. Ideal sind sie für neue oder sanierte Einfamilienhäuser, aber es gibt auch Lösungen für ganze Wohnquartiere.
Auf einmal ist der Boom da! Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind 35 Prozent mehr Wärmepumpen verkauft worden als im Vorjahreszeitraum. Und schon im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 154.000 Wärmepumpen als Heizungsanlage verkauft - so viele wie nie zuvor.

Auch der Wärmepumpen-Experte und Ingenieur Axel Sörensen aus Schleswig-Holstein spürt die große Nachfrage. Jahrelang versuchte er zusammen mit seinem Team, die Kunden von den Vorzügen einer Wärmepumpe zu überzeugen. Lange Zeit vergeblich. "Für unsere Büro-Crew ist es total frustrierend, dass wir plötzlich die Aufmerksamkeit haben, die wir eigentlich seit 26 Jahren verdient gehabt hätten", sagt Sörensen. "Jetzt haben wir diese Aufmerksamkeit und müssen den Kunden sagen: Wir können im Moment leider nichts für dich tun. Obwohl man am liebsten eigentlich ganz lange 'Jaaaa' sagen würde." Seine Firma stn, die Lösungen mit Erneuerbaren Energien anbietet, ist schon jetzt für das ganze Jahr ausgebucht.
Viele Hausbesitzer wollen jetzt umsteigen
Was macht eine Wärmepumpe für viele Hausbesitzer so attraktiv? "Die Kunden sehen natürlich, dass der Gaspreis gestiegen ist und sie sehen, was die Technik, die auf Erneuerbare Energien setzt, kostet", berichtet Thorsten Bock von den Stadtwerken SH in der neuen Folge des NDR Podcasts "Mission Klima - Lösungen für die Krise". "Und da sagen sich viele Hausbesitzer nun: Warum steige ich nicht gleich um auf Erneuerbare?"
Wärmepumpen können Energie aus der Luft holen
Wärmepumpen brauchen kein Öl, keine Kohle, kein Gas. Sie ziehen die Wärmeenergie einfach aus der Umgebung. Das kann die Außenluft vor dem Haus sein, der Erdboden auf dem Grundstück oder das Grundwasser. "So eine Wärmepumpe ist eine kleine Zauberkiste", sagt stn-Geschäftsführer Axel Sörensen. "Denn wenn ich einen Teil Energie hineinstecke, dann kommen drei, vier, teilweise über fünf Teile Wärme wieder heraus."
Ein Beispiel: Eine Wärmepumpe nutzt die Wärme, die bei 10 Grad Celsius in der Außenluft ist. Mit dieser Wärmeenergie wird ein Kältemittel erwärmt und zu Gas verdichtet. Dadurch entsteht mehr Wärme, die das Wasser des Heizkreislaufs im Wohnhaus erhitzt. Am Ende wärmt die Heizung das Wohnzimmer auf beispielsweise 20 Grad. In der Regel laufen Wärmepumpen mit Strom. Am klimafreundlichsten sind Anlagen mit Ökostrom.
In unsanierten Häusern brauchen Wärmepumpen viel Strom
Im Wesentlichen gibt es drei verschiedene Wärmepumpen-Arten: Luft-, Erd- und Wasser-Wärmepumpen, je nachdem welche Energiequelle sie anzapfen. Am beliebtesten sind Luft-Wärmepumpen - sie haben in Deutschland einen Marktanteil von 80 Prozent. Sie sind die zunächst preiswerteste Lösung.
Bei Minusgraden im Winter muss eine Luft-Wärmepumpe aber viel leisten, um die richtige Heiztemperatur zu erreichen. Im Neubau oder in gut sanierten Häusern geht das gut, weil dort wenig Wärme entweicht und die Heizung nicht so heiß werden muss. Im zugigen, komplett ungedämmten Altbau stößt die Wärmepumpe aber an Grenzen und verbraucht viel Strom. Das kann teuer werden. Deshalb ist eine Sanierung oder Teilsanierung oft der erste Schritt vor dem Einbau einer Wärmepumpe.
Habeck setzt auf Millionen neue Wärmepumpen
Im Moment haben in Deutschland drei Viertel der Wohngebäude noch eine Öl- oder Gasheizung. Und viele Heizungen sind hierzulande in die Jahre gekommen: Vier von zehn Heizungsanlagen in Wohnhäusern sind 20 Jahre oder älter. Zwar sind die Treibhausgas-Emissionen der Gebäude in der Zeit von 1990 bis 2016 um rund 40 Prozent gesunken, etwa durch den Abschied von Kohle-Heizungen und das Sanieren von Häusern. Aber das reicht längst noch nicht für das Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft. Und so hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang des Jahres - als einen Baustein der Energiewende - das Ziel vorgegeben, dass bis 2030 in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen eingebaut sind. Aktuell gibt es rund 1,2 Million Wärmepumpen.
Klassische Erdgas-Leitungen sind ein Auslaufmodell
"Die reine Erdgas-Heizung bauen wir nicht mehr ein", sagt Thorsten Bock von den Stadtwerken SH. "Auch weil die Kunden es nicht mehr wünschen. Sie wünschen Alternativen, manchmal noch in Kombination mit Erdgas, aber die reine Gasheizung wird nicht mehr angefragt." Das lange erfolgreiche Geschäftsmodell ist nun ein Auslaufmodell. Der Wandel bei den Stadtwerken SH begann allerdings schon vor einigen Jahren. "Wir haben sonst immer klassischerweise Erdgas-Leitungen in Baugebieten verlegt", erzählt Beck. "Wir haben aber festgestellt, dass die Anschlussquote bei diesen Erdgas-Leitungen rapide gesunken ist: Wo wir früher noch 100 Prozent Anschlussdichte hatten, sind es vor acht Jahren nur noch 30 bis 40 Prozent gewesen."
Auch für ganze Wohnquartiere sind Lösungen möglich

Und so begannen die Stadtwerke SH bei Neubaugebieten mitunter ganz auf Erdgas-Leitungen zu verzichten - und stattdessen eine Lösung mit Wärmepumpen anzubieten. So wie im Wohngebiet Berender Redder in Schleswig. Die Energie beziehen die dortigen Wärmepumpen aus der Erde. Dafür haben die Stadtwerke Kollektoren unter einer Wiese verlegt, die die Erdwärme einfangen. 200 von 250 Wohneinheiten in dem Gebiet werden nun mithilfe der Wärmepumpen beheizt.
Das Beispiel zeigt: Auch größere Wohnquartiere können auf klimafreundliche Wärmepumpen setzen. Der Vorteil: Es ist bei Quartiers-Lösungen nicht mehr nötig, für jedes einzelne Haus eine klimafreundliche Lösung zu suchen. Die Quartiers-Lösung wird zentral geplant und umgesetzt.
"Wir müssen uns vom Fokus auf einzelne Gebäude befreien"
"Es ist richtig und wichtig, dass Städte und Gemeinden diesen Weg jetzt gehen, die Klimaschutz-Maßnahmen in einem größeren Kontext zu verfolgen", sagt Lamia Messari-Becker. Sie ist Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen und gilt als eine der profiliertesten Klima-Expertinnen, was das Bauen und Heizen von Gebäuden angeht. Man müsse sich zunehmend vom Fokus auf einzelne Gebäude befreien, fordert Messari-Becker. "Und das wird dazu führen, dass wir schneller vorankommen. Insgesamt sind die Projekte auf Wohnquartiers-Ebene ökologischer, kostengünstiger und sogar sozialverträglicher."
Schließlich sei nicht jeder in der Lage, viel Geld für eine neue Heizungsanlage auszugeben - auch wenn der Staat den Einbau von Wärmepumpen stark fördert. "Wir haben auch immer ältere Gesellschaften", gibt Messari-Becker zu bedenken. Menschen, die gerade in Rente gehen und gerade das Haus abbezahlt haben, die werden ganz bestimmt nicht mal eben einen Kredit aufnehmen, um alles zu sanieren."
