Coronavirus-Podcast: "Kinder sind Teil dieser Pandemie"
Die Virologin Sandra Ciesek hebt in der neuen Podcast-Folge des Coronavirus-Update hervor, dass Kinder unterschiedlichen Alters ganz andere Infektionszahlen aufweisen.
Dieser Punkt sei wichtig in der aktuellen Diskussion darüber, in welcher Form der Unterricht an den Schulen in den Wintermonaten aufrechterhalten werden soll und ob womöglich Kindergärten wieder schließen müssen. "Wir können die verschiedenen Altersgruppen wie Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder bis sechs Jahre, Grundschulkinder, ältere Kinder, Teenager und junge Erwachsene nicht miteinander vergleichen", sagt Ciesek. Man könne die Daten aus einer Gruppe nicht einfach auf eine andere Gruppe übertragen - zu unterschiedlich seien die Immunsysteme, aber auch die Verhaltensweisen. Wichtig für eine treffende Beurteilung sei es, jede Gruppe für sich zu betrachten.
Schüler können das Coronavirus weitergeben
"Kinder sind auch Teil dieser Corona-Pandemie", führt die Virologin aus Frankfurt weiter aus. Es sei nicht so, dass die Kinder keine Rollen spielen. "Was wir wissen ist: Kinder können sich anstecken, sie können in seltenen Fällen auch schwer erkranken und sie können das Virus weiter geben an Mitschüler und Lehrer." Zu der Diskussion, ob das ständige Tragen von Alltagsmasken in Klassenräumen schädlich für die Mädchen und Jungen sei, sagt Ciesek: "Medizinisch gesehen braucht man keine Bedenken zu haben."
Sie verweist auf eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie. Dort heißt es: "Das Tragen von Masken führt auch bei Kindern nicht zu einer relevanten Erhöhung der Kohlendioxid-Konzentration. Auch für Kinder mit kontrolliertem Asthma über 6 Jahren stellt die Maske keine Gefahr und keine zusätzliche Belastung dar."
Jugendliche stärker betroffen als Grundschulkinder
Mit Blick auf die Infektionszahlen lässt sich sagen: Mit jedem Lebensjahr steigt die Zahl der Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. "Die höchste Inzidenz lag in Deutschland zuletzt bei Jugendlichen und jungen Menschen im Alter von 15 bis 29 Jahren", hält Ciesek fest. "Die kleinen Kinder sind nicht unser Hauptproblem." Aber die Infektionszahlen steigen auch in dieser Altersgruppe, wenn die Zahlen - so wie zuletzt geschehen - in der Gesamtbevölkerung stark ansteigen.
Jedes fünfte infizierte Kind zeigt keine Symptome
Gefragt nach den häufigsten Symptomen nennt die Virologin: Fieber und trockenen Husten. "Die meisten Kinder zeigen eher milde Symptome und sie erholen sich nach ein bis zwei Wochen", weiß Ciesek. Jedes fünfte hierzulande als infiziert gemeldete Kind zeigt nach einer Auswertung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie keine Symptome, unerkannte Fälle nicht eingerechnet. Und nur extrem selten ist eine Behandlung auf einer Intensivstation notwendig. Bislang sei in Deutschland erst ein Corona-Todesfall unter Kindern bekannt, so Ciesek.
Anders als Erwachsene reagieren manche Kinder mit dem Magen-Darm-Trakt auf eine Corona-Infektion. "Durchfall oder Bauchschmerzen sind bei Kindern gar nicht mal so selten", sagt Ciesek.
"In Deutschland noch lange nicht in einer entspannten Situation"
Die aktuelle Corona-Situation in Deutschland hält die Virologin weiter für angespannt. "Wir sind bei den Infektionszahlen noch lange nicht auf einem Niveau, mit dem wir zufrieden sein können", stellt Ciesek klar. Auch wenn die Dynamik der Neuinfektionen inzwischen deutlich zurückgehe: Die Lage in den Krankenhäusern habe sich noch nicht entspannt. In der zurückliegenden Woche gab es bundesweit mehr als 1.000 Corona-Todesfälle, am Montag waren es allein 267 Todesfälle. "Dies ist der höchste Wert seit April." Ciesek verweist auf Schätzungen von Experten, wonach erst Mitte Dezember das Ziel einer 50er-Inzidenz erreicht sein könnte.
Teil-Lockdown: Mobilität deutlich höher als im Frühjahr
Auch wenn seit nunmehr gut zwei Wochen der Teil-"Lockdown" gilt und dementsprechend die Mobilität abnimmt: Die Bevölkerung ist derzeit noch wesentlich mehr in der Öffentlichkeit unterwegs als während des "Lockdowns" im Frühjahr. Daten zeigen: Am 10. November 2020 beispielsweise habe die Mobilität zehn Prozent unter dem Wert des gleichen Tages im Vorjahr gelegen. "Das ist ein anderes Verhalten als im März, als die Mobilität um bis zu 40 Prozent zurückgegangen ist", sagt Ciesek.
Impfstoff-Entwicklung: "Das ist eine wahnsinnige Leistung"
Mit Blick auf den aktuellen Stand der Impfstoff-Forschung sagt die Virologin: "Wir können jetzt relativ sicher sagen, dass es bald Impfstoffe geben wird, die - nach den vorliegenden Daten zu urteilen - hocheffizient sein werden." Das US-Biotechnologie-Unternehmen Moderna hatte am Montag bekannt gegeben, dass sein entwickelter Impfstoff eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent besitze. Und erst vor einer Woche hatten das Mainzer Unternehmen Biontech und dessen US-Partner Pfizer einen Durchbruch bei der Corona-Impfstoff-Entwicklung gemeldet.
"Das ist eine wahnsinnige Leistung der Impfstoff-Forscher", lobt Ciesek. Es seien aber bei beiden Impfstoffen noch viele Fragen offen: Wir wirken die Impfstoffe bei älteren Menschen oder bei ganz kleinen Kindern? Kann mit dem Wirkstoff die Übertragung gestoppt werden oder wird lediglich ein schwerer Verlauf verhindert? Und: Wie lange hält die Immun-Antwort?
Biontech und Co.: Nicht nur auf einen Impfstoff bauen
Ein Vorteil des Moderna-Impfstoffs: Er muss nicht bei minus 70 Grad gelagert werden, sondern kann nach Angaben des Unternehmens bis zu zwölf Stunden bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. "Das macht eine Verteilung des Impfstoffs deutlich einfacher", betont Ciesek. Generell ist es ihrer Ansicht nach wichtig, nicht nur auf einen Impfstoff zu bauen. Ein Grund: Es werde immer Menschen geben, die einen Impfstoff aus bestimmten Gründen nicht bekommen dürfen. Zudem könne ein bestimmter Impfstoff unter Umständen längeren Schutz bieten als das Produkt eines anderen Unternehmens.
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