Ukraine-Krieg: Deutsch-russische Kulturbeziehungen im Fokus
Was hat sich alles in den kulturellen Beziehungen zwischen Norddeutschland und Russland verändert? Wo sind Veränderungen zu verzeichnen? Ole Wackermann ist den Fragen nachgegangen.
Im Westen ist die politische Haltung des Opern-Stars aus Russland, Anna Netrebko, umstritten. Netrebkos Konzert in der Elbphilharmonie soll zwar nachgeholt werden, aber ihre Distanzierung von Wladimir Putin findet Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda wenig glaubwürdig. Die Nähe zu Putin und dass sie 2014 mit einem Separatistenführer in umkämpften ukrainischen Gebieten posiert hat, all das holt Netrebko ein.
Musikhochschule Hannover setzt auf verbindende Kraft der Musik
In Hannover setzen Studierende und Lehrende gerade jetzt auf die verbindende Kraft der Musik, erzählt Guido Heidloff Herzig, Vizepräsident an der Musikhochschule: "Relativ schnell nach Ausbruch hat unser Cello-Professor Leonid Gorkov ein Konzert mit ukrainischen und russischen AkteurInnen organisiert, bei dem auch Musik von ukrainischen und russischen Komponisten gespielt wurde. Es war also ein sehr bewegendes Konzert in der Marktkirche - gleich zu Beginn des Krieges in der Ukraine."
Ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit. Naiv sind die jungen Künstlerinnen und Künstler in Hannover aber nicht. Dafür sind die Folgen des Krieges zu konkret. Gerade für die Studierenden aus Russland, so Hertzig: "Wegen der Sanktionen sind die Bankgeschäfte nicht möglich. Dadurch konnten eben Gelder von Zuhause nicht mehr fließen. Da gab es Einmalhilfen des Fördervereins. Das war für die Betroffenen sehr erleichternd zu wissen: Ich komm für die nächsten Wochen erst mal wieder über die Runden."
Forderung nach Konsequenzen für Kulturschaffende
Zahlungen aus Russland bleiben auch für ein Orchester in Mecklenburg-Vorpommern aus. Sponsor des Baltic Sea Philharmonic war die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream 2 - bis die Verträge nach dem Angriff auf die Ukraine gekündigt wurden. Nun sucht Thomas Hummel, Geschäftsführer der Baltic Sea Music Education Foundation, nach neuen Geldgebern.
Für den Intendanten des Schleswig-Holstein Musik-Festivals Christian Kuhnt reicht es nicht aus, die verbindende Kraft der Musik zu beschwören. Er fordert, dass Kulturschaffende nach dem Angriff auf die Ukraine Konsequenzen ziehen sollten: "Bei Künstlerinnen und Künstlern die sich zur Regierung bekennen, die sich auch missbrauchen lassen für Propagandazwecke, die muss man mehr als kritisch hinterfragen. Wir als Festival oder Konzerthäuser müssen auch aufpassen, wem wir ein Podium bieten. Das ist auch ein Preis den wir zahlen. Sie können ja nicht sagen, wir sanktionieren die Wodka-Exporte, aber die Musik macht einfach so weiter."
Bestehende Angst vor Konsequenzen bei Äußerungen
Sollten wir von allen Künstlerinnen und Künstler aus Russland, die im Westen auftreten, verlangen, dass sie Putins Politik öffentlich verurteilen? So weit würde Christian Kuhnt nicht gehen. Denn er weiß, dass das nicht für jeden ohne Risiko ist. Das spüren auch die russischen Studierenden an der Musikhochschule Hannover, die sich kritisch geäußert haben, erzählt Vizepräsident Guido Heidloff Herzig. Sie befürchten, "dass das vielleicht Konsequenzen für sie hat, wenn sie diese Solidarität zeigen. Konkret: dass bestimmte Äußerungen auf Social Media von russischen Behörden mitgelesen werden. Das allein erzeugt schon Sorgen oder Ängste ohne dass damit schon konkrete Maßnahmen verbunden wären." Weil es ohnehin keine Flüge gibt, verzichten einige lieber auf eine Reise in die Heimat und bleiben während der Semesterferien in Hannover.
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