Killt Corona die Kultur? Eine Langzeitbeobachtung
Killt Corona die Kultur? Was bedeutet das Verbot von Konzerten für eine freiberufliche Sängerin, was für einen Musikclub? Und wie kommt ein privates Museum durch die Krise? Susanne Birkner hat die Hamburger Sängerin Sarajane McMinn, das Béi Chéz Heinz in Hannover und das Kunstmuseum Ahrenshoop ein halbes Jahr lang begleitet.
Clubs sind Orte der Ekstase, Orte der Ausgelassenheit, Orte der Nähe. Im März ist die Zeit der Nähe erst einmal vorbei. Trotzdem ist die Stimmung am Anfang der Krise gut unter den Mitarbeitern des Béi Chéz Heinz. Innerhalb weniger Tage hat der Club aus Hannover so viele Soli-Tickets verkauft, dass die Fixkosten für einen Monat wieder drin sind. "Was uns natürlich wirklich erstmal unheimlich weit nach vorne bringt.", freut sich Jürgen Grambeck, der das Bei Chéz Heinz leitet.
Als Geschäftsführerin des Kunstmuseums Ahrenshoop rechnet sich auch Marion Schael durch die Krise. "Der erste Gedanke war: 'Oh Gott' und für uns einfach besonders schmerzlich, weil kein Geld fließt, wenn Tür zu. Es kommt keine müde Mark rein", beschreibt Schael die desolate Situation. Das Museum an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns wird - wie auch das Béi Chéz Heinz - komplett privat finanziert. Förderungen vom Bund helfen beiden erstmal.
Wegen Corona-Schließungen: Zu Pfingsten das große Tief

"Was mich beunruhigt: Es heißt immer: 'ja, wenn dann der Impfstoff da ist'. Wann ist der denn da? Ich kann ja nicht bis Ende des Jahres ein Berufsverbot haben, wie soll das denn gehen?", fragt Sarajane verzweifelt. Die freiberufliche Hamburger Sängerin ahnt noch nicht, dass sie tatsächlich in diesem Jahr kein Konzert vor Publikum mehr spielen wird. Mit den geltenden Abstandsregeln lohnt es sich für sie auch aktuell in den kleinen Clubs noch nicht. Es geht, weil sie sich extrem einschränkt. "Ich habe alle Ausgaben runtergefahren. Eigentlich hab ich nur noch Miete und Essen", berichtet die Hamburger Sängerin.
Auch bei Jürgen Grambeck und seinen Mitarbeitern vom Béi Chéz Heinz wächst die Sorge. "Ja, wir sind mitten drin in der Talsohle", sagt Grambeck. Beinahe täglich buchen sie Konzerte in den Herbst oder ins nächste Jahr um. Dabei ist der Club nur noch wenige Wochen finanziell abgesichert.
Immerhin kann das Kunstmuseum Ahrenshoop an Pfingsten wieder öffnen. Aber es kommen zu wenige Leute. "Die Mitarbeiter sind teilweise aus der Kurzarbeit rausgeholt. Und da wir 100 Prozent eigen finanziert sind und dann relativ wenig Umsatz an den Kassen läuft, muss ich mir Gedanken machen, ob das Sinn macht?", bringt Geschäftsführerin Schael die verzweifelte Lage auf den Punkt.
Spätsommer 2020 - Chéz Heinz wieder mit Veranstaltungen
Und jetzt im Spätsommer? Es kommen allmählich mehr Gäste ins Museum. Die Sängerin Sarajane ist schwanger und versucht, vor der Babypause wenigstens noch ein bisschen Geld zu verdienen: Moderationen von Konzertreihen, Studioaufnahmen von zuhause aus. Auch die Neustartprämie der Stadt Hamburg über 2.000 Euro hat ihr etwas Luft verschafft.
Das Béi Chéz Heinz hat das drohende Ende um ein paar Wochen herauszögern können. Es finden wieder Veranstaltungen statt. Mit 60 bis 70 Besuchern im Innenhof. "Es gibt eine kleine Mini-Welle nach oben. Aber die wird, sowie der Sommer vorbei ist, wieder abebben. Wenn die Corona-Zahlen jetzt wieder steigen, kann es gut sein, dass sowas wieder nicht mehr erlaubt ist", fürchtet Jürgen Grambeck.
Sarajane McMinn: "Musik ist Heilung"
Kultur in Corona-Zeiten - für Sarajane McMinn, Jürgen Grambeck und Marion Schael war es ein halbes Jahr im Ausnahmezustand. Der erste Schock, leichte Zeichen der Hoffnung, immer wieder Rückschläge und die ständige Ungewissheit. Denn der Ausnahmezustand: hält an. "Ich werde jetzt nicht aufgrund eines Virus' mein Berufsbild kippen", gibt sich Sarajane McMinn kämpferisch. "Musik bedeutet mir alles. Musik ist zuhause, es ist Heilung, es ist Therapie. Mit Menschen zusammen Musik zu machen, ist ein Gefühl, dass ich noch nirgendwo anders gefunden habe."
