Gedenkbibliothek für Holocaust-Überlebende Esther Bejarano
Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus - das war der eindringliche Appell von Esther Bejarano. Sie überlebte das KZ Auschwitz und war berühmte Mahnerin gegen Antisemitismus. Jetzt befindet sich ihr Bücher- und Schallplattennachlass in einem Jugendhaus in Hamburg-Altona.
Bis ins hohe Alter besuchte Esther Bejarano Schulen und Veranstaltungen und kämpfte gegen das Vergessen. Nach ihrem Tod im Juli vergangenen Jahres, müssen nun die nachfolgenden Generationen diesen Kampf weiterführen. Die Familie der Überlebenden hat deshalb beschlossen, den Bücher- und Schallplattennachlass an ein kleines, engagiertes Jugendhaus in Altona zu übergeben. Dort entsteht jetzt eine Esther Bejarano Gedenkbibliothek.
Eine Fundgrube für Musik und Literatur

"Edith Piaf, Paul Robeson, Ella Fitzgerald - sie alle hat sie bewundert. Also eine tolle Fundgrube mit Musik und Literatur, einfach großartig." Bettina Sefkow blättert in einer Kiste voller Schallplatten. Sie ist die Schwiegertochter von Esther Bejarano. Gemeinsam mit der ganzen Familie und einer Freundin hat sie den Nachlass hierhergebracht. Neben ihr stehen Lina Brinkmann und Jonathan Peters, 21 und 22 Jahre alt, sie dürfen jetzt das literarische und musikalische Erbe von Esther Bejarano verwalten und fühlen sich ziemlich geehrt: "Diese Kraft, die sie immer ausgestrahlt hat in dem hohen Alter und diese Entschlossenheit, war super inspirierend und deshalb ist es einfach super schön und toll, dass wir hier einen Teil des Nachlasses haben und den auch anderen jungen Menschen zur Verfügung stellen wollen."
Was mit dem Nachlass von Esther Bejarano passieren soll, war nie festgelegt
Esther Bejarano selbst hat nie geäußert, was mit ihrer großen Bücher- und Plattensammlung passieren soll, erzählt ihre Schwiegertochter: "Nein, das war kein Thema. Bei den Bejaranos gibt es nur Zukunft, da guckt man nicht zurück." Ihre Freundin Doris Schneider, die mit ihr im Auschwitz Komitee aktiv war, schlug der Familie das kleine Jugend- und Stadtteilhaus Tesch in Altona vor. Benannt ist es nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Bruno Tesch, der im Rahmen des Altonaer Blutsonntag 1932 von den Nazis verurteilt und hingerichtet wurde. Junge Menschen bauen hier seit 2020 an der Max-Brauer-Allee einen Ort für Austausch, Gedenken und Erinnern auf.
Die 21-Jährige Lina Brinkmann hat die Anfrage der Bejaranos entgegengenommen und erinnert sich gut, was den Angehörigen wichtig war: "Dass die Bücher an einen Ort kommen, wo Jugendliche und junge Menschen freiwillig hinkommen und nicht an einen Ort, wo es ihnen irgendwie aufgedrückt wird, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Natürlich sollen sie dazu angeregt werden, aber es soll ein freiwilliger Prozess sein, sich damit auseinanderzusetzen."
800 Bücher und 200 Schallplatten müssen noch einsortiert werden
Als eingetragener Verein hat die Gruppe junger Menschen jetzt beim Bezirksamt Altona einen Antrag für Bezuschussung gestellt. Denn noch liegen die rund 800 Bücher und 200 Schallplatten von Esther Bejarano in Kisten. Sie wollen aber schnellstmöglich hohe Bücherregale bauen, alles sortieren, stempeln und kategorisieren, damit schon bald die frei zugängliche Gedenkbibliothek steht. "Wir stellen uns das nicht so vor, dass die Bücher jetzt hier stehen und irgendwie verehrt werden. Also natürlich werden sie mit Würde behandelt, aber sie sollen in erster Linie auch gelesen werden und junge Menschen bewegen. Wir wollen mit der Bibliothek diesen Kampf von Esther weiterführen und das Wissen weitergeben."
Mit dem Nachlass historisches Bewusstsein wachrütteln

Die Bandbreite der Büchersammlung geht von Bertolt Brecht über verschiedenste Romane bis zu Picasso Katalogen. Immer wieder entdeckt Bettina Sefkow handschriftliche Widmungen: "Also persönliche Details, an denen sich die Geschichte noch mal erzählen lässt, die persönliche von Esther Bejarano, aber eben auch die große Weltgeschichte, die wir hier nachzeichnen könne und was ja vielleicht gerade in diesen Tagen nicht verkehrt ist, ein gewisses historisches Bewusstsein wachzurütteln. 'Nie wieder Krieg' war Esthers Slogan, hätten wir gerne weiter so gesagt und jetzt ist doch wieder einer. Also müssen wir dranbleiben am Thema 'Nie wieder Krieg'".
Unermüdlich hat die Musikerin und Holocaust-Überlebende Esther Bejarano gegen das Vergessen gekämpft. Jetzt übernimmt eine Gruppe junger Menschen in Altona die Aufgabe des Erinnerns. Die Schwiegertochter von Esther Bejarano, Bettina Sefkow freut sich darüber. "Das hätte ihr gut gefallen, weil die Jugend - das war immer ihr Leitspruch -, die Jugend, das sind diejenigen, die mein Vermächtnis weitertragen sollen. Sie sollen die Geschichte weitererzählen."
Jeden Donnerstag findet im Jugendhaus ein offenes Treffen statt
Das Jugend- und Stadtteilhaus Tesch macht schon jetzt jeden Donnerstag um 18.30 Uhr ein offenes Treffen, bei dem sich Interessierte jederzeit beteiligen können und die Möglichkeit haben die Gedenkbibliothek mitzugestalten. Außerdem gibt es jeden Monat einen Plattenabend, bei dem Esther Bejaranos Schallplatten aufgelegt werden und man bei Snacks und Getränken ins Gespräch kommen kann.
