Die 833 Tage der "Bismarck"
Am 14. Februar 1939 feiert Nazi-Deutschland in Hamburg den Stapellauf der "Bismarck". Gut zwei Jahre später versinkt das Schlachtschiff nach einer Verfolgungsjagd im Atlantik.
Schlachtschiffe sind "seltsame, riesengroße, anmutige, geheimnisvolle Wesen", schreibt der britische Marinesoldat und Journalist Ludovic Kennedy. Damit meint er besonders die "Bismarck", jenes größte Schlachtschiff der Welt, das am 14. Februar 1939 in Hamburg vom Stapel läuft. Schlachtschiffe sind derart imposant, dass sie im Zweiten Weltkrieg nicht nur als schwimmende Kampfmaschinen, sondern auch als Prestigeobjekte fungieren. Dabei sind die grauen Riesen - angesichts der rasanten Entwicklung der Luftwaffe - schon damals eigentlich Auslaufmodelle.
Abkommen regelt den Bau von Kriegsschiffen
Der 18. Juni 1935 sei der schönste Tag seines Lebens, verkündet Adolf Hitler. An diesem Tag wird das deutsch-britische Flottenabkommen geschlossen, das den Deutschen den Bau echter Großkampfschiffe erlaubt. Nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland an den Friedensvertrag von Versailles gebunden und durfte lediglich Schiffe bauen, die die Obergrenze von 10.000 Tonnen Wasserverdrängung nicht überschritten. Doch auch das neue Abkommen setzt Grenzen: Die deutsche Flotte darf künftig nur ein Drittel der britischen Flotte umfassen. Zudem ist die Größe jedes Schiffs auf 35.000 Tonnen begrenzt, damit England seine Stellung als wichtigste Seemacht bewahren kann. Diese Einschränkungen nehmen die Nationalsozialisten jedoch gerne in Kauf, hoffen sie doch auf ein Bündnis mit Großbritannien. Bis auf Weiteres.
Ein alter Plan wird umgesetzt
Erste Entwürfe für das Schlachtschiff "F", das später in "Bismarck" umbenannt wird, reichen bis in das Jahr 1932 zurück. Schon damals war es das geheime Ziel der Reichsmarine, Großkampfschiffe zu bauen, die mit den Flotten der Großmächte wie England und Japan mithalten können. So ist der Auftrag für die "Bismarck" auf den 16. November 1935 datiert. Gebaut wird das Schiff auf der Hamburger Werft Blohm + Voss. Zwar fertigt diese Werft vor allem Handelsschiffe, doch wurden hier bereits vor dem Ersten Weltkrieg Großkampfschiffe gebaut. Die Kiellegung der "F" findet am 1. Juli 1936 statt. Mehr als 5.000 Schiffbauer sind in den folgenden Jahren an der Konstruktion beteiligt, um das ehrgeizige Projekt so schnell wie möglich zu realisieren. Die Baukosten belaufen sich auf 200 Millionen Reichsmark. Von Anfang an wird eine Wasserverdrängung von mehr als 40.000 Tonnen anvisiert - hinter dem Rücken Englands. Dort ahnt niemand, dass dieses Schiff einmal das größte Schlachtschiff der Welt sein wird.
Kurz nach dem Baustart für die "F" beginnt in Wilhelmshaven der Bau eines weiteren Schiffs desselben Typs, des Schlachtschiffs "G", der späteren "Tirpitz".
Staatsakt zum Stapellauf
Am 14. Februar 1939 ist es so weit: Die Straßen sind mit Flaggen geschmückt, Tausende Zuschauer drängen sich am Hamburger Hafen, die ganze Stadt feiert mit. Auch Hitler lässt sich das Spektakel nicht nehmen, reist nach Hamburg und erklärt den Stapellauf zum Staatsakt. Er hält eine Festrede, in der er die Bedeutung des früheren Reichskanzlers Otto von Bismarck würdigt und die künftige Schiffsbesatzung dazu ermutigt, "in Stunden schwerster Pflichterfüllung" - sollte es zu diesen kommen - ganz im Geiste des Ex-Kanzlers zu handeln.
Auch Großadmiral Erich Raeder hält eine Rede, in der er vor allem dem Führer dankt. Dorothea von Loewenfeld, eine Enkelin Otto von Bismarcks, führt die Taufzeremonie durch: "Auf Befehl des Führers und Reichskanzlers taufe ich Dich auf den Namen 'Bismarck'", ruft sie. Die Sektflasche zerbirst am Bug, an der Seite des Schiffes wird der Name "Bismarck" enthüllt, der Schiffsrumpf wird in die Elbe eingelassen und schwimmt das erste Mal im Wasser.
Der Krieg gibt den Zeitplan vor
Am 24. August 1940 findet ein weiterer Festakt statt: Mit der Jungfernfahrt nimmt die "Bismarck" ihren Dienst auf. Die gesamte Besatzung von mehr als 2.000 Mann tritt an, darunter der Kommandant und Kapitän zur See Ernst Lindemann und Flottenchef Admiral Günther Lütjens. Das Schiff ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig, doch die Zeit drängt: Das Deutsche Reich befindet sich seit fast einem Jahr im Krieg, auch mit England. Erst Monate später, am 18. Mai 1941, läuft die "Bismarck" in den Atlantik aus. Sie startet von der Hafenstadt Gotenhafen (heute: Gdynia) in der Danziger Bucht. An ihrer Seite fährt das Kriegsschiff "Prinz Eugen". Beide Schiffe sollen im Nordatlantik die Geleitzüge zur Versorgung Englands bekämpfen, also Handelskrieg führen. Doch sie werden schon bald entdeckt und von Schiffen der Royal Navy verfolgt.
Ein Sieg gegen die Briten
Am 24. Mai 1941 kommt es auf der "Dänemarkstraße" zwischen Grönland und Island zur Seeschlacht. Die "Bismarck" vernichtet dabei jenes Schiff, das vielen bis dahin als stärkstes Kampfschiff der Welt gilt: den britischen Schlachtkreuzer "Hood", Stolz der Royal Navy. Von den 1.418 Besatzungsmitgliedern können nur drei gerettet werden. Auch die "Bismarck" wird beschädigt, unter anderem ist die Treibstoffzufuhr defekt. Die Besatzung versucht, so schnell wie möglich den französischen Hafen St. Nazaire zu erreichen. Doch in den folgenden Tagen setzt die Royal Navy alle verfügbaren Kriegsschiffe im Atlantik auf die "Bismarck" an.
Soldaten sterben beim Untergang der "Bismarck"
Die größte Verfolgungsjagd der Seekriegsgeschichte endet am 27. Mai. Die "Bismarck" wird von britischen Schiffen völlig zusammengeschossen. Burkard Freiherr von Müllenheim-Rechberg, der das Unglück überlebt und seine Erinnerungen aufgeschrieben hat, schildert das Chaos an Bord: das Feuer überall, die Leichenberge. Seine Kameraden und er sehen "ein Bild des Schreckens, einen grausigen Tummelplatz aller entfesselten Kräfte einer hochgezüchteten Kriegsmaschinerie". Etwa 1.000 Kilometer westlich von Brest geht die "Bismarck" unter. Bis heute ist nicht einwandfrei geklärt, ob die angeordnete Selbstversenkung oder der feindliche Beschuss entscheidend für das Sinken des Schiffes war. Rund 2.000 Mann, einschließlich des Flottenchefs und des Kommandanten, sterben. 115 Soldaten werden aus dem Atlantik gerettet.
Das Wrack als Gedenkstätte
Am 8. Juni 1989 wird das Wrack der "Bismarck" entdeckt. Der US-amerikanische Forschungstaucher Robert Ballard sichtet es in 4.750 Metern Tiefe. Um die Trümmer vor möglichen Plünderern zu schützen, wird die Fundstelle geheim gehalten. Die Bundesregierung erklärt das Wrack zum Soldatenfriedhof.
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