Neue Vorwürfe gegen NDR SH - Verantwortliche von Aufgaben entbunden
Seit gut einer Woche gibt es Veröffentlichungen in verschiedenen Medien, in denen Vorwürfe gegen die politische Berichterstattung des NDR Schleswig-Holstein erhoben werden. Zwei Führungskräfte sind nun bis zur Aufklärung der Sachverhalte von ihren Aufgaben entbunden.
Der Direktor des Landesfunkhauses, Volker Thormählen, teilte den Mitarbeitenden auf einer kurzfristig anberaumten Videokonferenz mit, dass der Chefredakteur und frühere Leiter des Fernsehbereichs, Norbert Lorentzen, und die Chefin des medienübergreifenden Ressorts Politik und Investigation, Julia Stein, bis auf Weiteres von ihren Aufgaben entbunden seien. Darum hätten ihn die beiden Führungskräfte gebeten, sagte er wenig später auch der Nachrichtenagentur dpa. Er habe dem Wunsch entsprochen und sich für den Schritt der beiden bedankt. Thormählen betonte, dass die Unschuldsvermutung gelte. Die Posten von Lorentzen und Stein übernehmen vorübergehend die Vize-Direktorin und Chefredaktionsmitglied Bettina Freitag und Redakteur Andreas Schmidt aus dem Bereich "Politik und Investigation".
Erste Vorwürfe zur "Causa Grote"
Die ersten veröffentlichten Vorwürfe wurden im Zusammenhang mit der Politik-Berichterstattung vom Landesfunkhaus NDR Schleswig-Holstein (NDR SH) erhoben. In den vergangenen Tagen hatte das Online-Medium "Business Insider" und danach der "Stern" darüber berichtet, das es eine Art politischen Filter durch die Vorgesetzten in der Redaktion geben könnte. Dabei ging es beispielsweise um ein Interview mit dem ehemaligen Innenminister Grote, das ein NDR Journalist habe führen wollen, was seine Vorgesetzten aber abgelehnt hätten. Der NDR hatte den Vorwurf von politischer Einflussnahme zurückgewiesen.
Neue Vorwürfe des "Stern"
Bei den am Mittwoch erschienen Vorwürfen geht es um die Berichterstattung über die skandalösen Praktiken zur Verschickung der Heimkinder in den Nachkriegsjahren. Journalisten und Journalistinnen des Landesfunkhauses recherchierten in dem Fall und wollten den Skandal, in den auch das DRK verwickelt sein sollte, öffentlich machen. Angeblich, so der "Stern", war es nicht gewünscht, dass im Beitrag die Verantwortlichen, also das DRK, benannt werden sollten. Zum Zeitpunkt der Recherchen hat es laut "Stern" persönliche Verbindungen zwischen dem DRK in Schleswig-Holstein und dem Rundfunkrat des NDR gegeben.
Ein weiterer Vorwurf: Ein leitender Redakteur der Politikredaktion soll Wahlkampf für seinen Mann im Kampf um ein Bürgermeisteramt gemacht haben.
Stellungnahme des NDR zu den Vorwürfen
Die NDR Pressestelle teilte am Mittwoch mit, es seien bereits Gespräche über die Vorgänge vom Oktober 2020 geführt worden. Es stünden weitere Gespräche mit den verantwortlichen Entscheidungsträgern innerhalb des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein an, um alles im Detail nachzuvollziehen und bewerten zu können. Den Beteiligten in Kiel liege viel daran, interne Vorgänge im Kreis der Verantwortlichen und mit der gebotenen Sorgfalt zu bearbeiten. Erst nach Abschluss könne eine Bewertung vorgenommen werden, eine inhaltliche Äußerung sei derzeit nicht möglich. Zu den Vorwürfen wegen des Wahlkampfes teilte die NDR Pressestelle mit: "Der Redakteur war an der Berichterstattung über die Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand nicht beteiligt."
Landesrundfunkrat hat bereits Montag Prüfung eingeleitet
Der unabhängige Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein hatte bereits nach den ersten Vorwürfen eine Prüfung eingeleitet. In einer Sondersitzung am Montag wurde beschlossen, dass es eine objektive und umfassende Prüfung geben soll. Laut der Vorsitzenden Laura Pooth wird zunächst an einem Konzept gearbeitet, wie die Vorwürfe geprüft werden sollen. Das sei eine sehr große Verantwortung.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung wurde der "Stern" mit einer Verdachtsberichterstattung über konkrete Personen im Zusammenhang mit der DRK-Berichterstattung zitiert. Aus juristischen Gründen haben wir unseren Beitrag an den entsprechenden Stellen geändert. Die oben geschilderten Vorwürfe des "Stern" gegen eine leitende Redakteurin des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein sind mittlerweile ausgeräumt worden. Der NDR hat eine Unterlassungsverfügung erwirkt, die anerkannt wurde.