Mehrere katholische Kirchen in Südholstein sollen schließen

Stand: 12.03.2023 05:00 Uhr

Fünf Gotteshäuser sollen im Norden des Kreises Stormarn dichtmachen. Um sie zu erhalten, fehlt das Geld, sagt die Pfarrei. Das Erzbistum schätzt, dass zahlreiche Kirchen im Land schließen werden.

von Johannes Tran

Lange ist her. Im Jahr 1967 hat Regina Bönicke in der Heilig-Geist-Kirche in Großhansdorf geheiratet. Später wurden ihre Kinder dort getauft, dann ihre Enkelkinder. Mit dem Gotteshaus verbindet die Katholikin viel, es ist für sie ein Stück Heimat. "Das sind alles Erinnerungen", sagt sie wehmütig. "Die bewahren wir später in unserem Herzen. Aber traurig ist es schon."

Ihre Kirche soll schließen. Geht es nach der katholischen Pfarrei St. Ansverus, soll dort schon in einem Jahr kein Gottesdienst mehr stattfinden. Entweihung, Verkauf, Abriss. Das ist ein mögliches Szenario. Als "Sekundärimmobilie" hat die Pfarrei das Gebäude eingestuft. Sekundärimmobilie, das heißt: Wird nicht mehr gebraucht.

13 von 22 Immobilien sollen dichtmachen

Die Schließungspläne gehen weit über Großhansdorf hinaus: 13 von 22 Immobilien will die Pfarrei im Norden der Kreise Stormarn und Herzogtum-Lauenburg aufgeben. Darunter mehrere Pfarr- und Gemeindehäuser, außerdem die Kirchen in Bad Oldesloe, Bargteheide, Reinfeld und Trittau. Nur die Gotteshäuser in Mölln, Ratzeburg und Ahrensburg sollen erhalten bleiben.

"Ich hatte immer Angst vor diesem Moment", sagt Pfarrer Christoph Scieszka. Zusammen mit einer Kommission aus Gemeindemitgliedern erarbeitete er das Immobilienkonzept in den vergangenen Monaten. Bis in die Nachtstunden saßen sie zusammen und grübelten über der Frage: Was kann weg? Und was kann bleiben?

Diakon: Würden sonst in Insolvenz rutschen

Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die Finanzen. "Wir haben im vergangenen Jahr fast 60 Prozent unseres Jahresbudgets für unsere Gebäude ausgegeben", sagt Diakon Tobias Riedel, ebenfalls Mitglied der Immobilienkommission. Unterm Strich stand zuletzt ein Defizit von rund 175.000 Euro. "Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, würden wir in die Insolvenz rutschen."

Dazu kommt ein gewaltiger Sanierungsbedarf in den Kirchengebäuden. Der Glockenturm der Kirche in Großhansdorf: baufällig. Das Dach des Gemeindehauses in Ahrensburg: undicht. Die Heizung der Kirche in Reinfeld: defekt. "Wir geben viel Geld für Immobilien aus, die wir in dieser Größe gar nicht brauchen", sagt Riedel. Zurzeit laufen in mehreren betroffenen Gemeinden Gespräche mit der evangelischen Gemeinde. Das Ziel: Gottesdienste in deren Räume zu verlegen.

Erzbistum: Jede zweite oder dritte Kirche könnte schließen

Die Pfarrei kämpft wie viele andere im Land mit einem enormen Rückgang bei den Gottesdienstbesuchern. Oft bleibt bei den Messen ein Großteil der Plätze unbesetzt. Weil zugleich immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, sinken die Kirchensteuern und damit die Einnahmen. Innerhalb von viereinhalb Jahren habe die Pfarrei mehr als 1.000 Mitglieder verloren, erzählt Pfarrer Christoph Scieszka.

"Was wir zurzeit in St. Ansverus erleben, ist eine landesweite Entwicklung", sagt der Sprecher des Erzbistums in Schleswig-Holstein, Marco Chwalek. "Ich gehe davon aus, dass jede zweite oder dritte Kirche in den kommenden Jahren schließen könnte." Das bedeute aber nicht, dass die Gotteshäuser danach zwangsläufig abgerissen würden. Wie Chwalek sagt, könnten manche Kirchengebäude nach der Schließung umfunktioniert werden - und etwa als Kita oder Mensa weitergenutzt werden.

Gemeindemitglieder wollen Schließung nicht akzeptieren

In Bad Oldesloe stoßen die Pläne der Pfarrei bei einigen Gemeindemitgliedern auf Unverständnis. Claudia Struck geht seit mehr als 30 Jahren in Bad Oldesloe in die Kirche St. Vicelin. "Seit das bekannt geworden ist, ist da ganz viel Wehmut und Traurigkeit", sagt sie. "Ich hoffe, dass man noch andere Wege finden kann. Bad Oldesloe braucht eine eigene Kirche." Auch Gemeindemitglied Hans-Georg Smak will für die Kirche kämpfen: "Dieses Gotteshaus platt zu machen, wäre ein großer Verlust für jeden einzelnen. Wenn die Pläne so umgesetzt werden, wäre das nördliche Stormarn ein weißer Fleck auf der Karte."

In einer Gemeindeversammlung haben Gegner der Schließungspläne beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu gründen. Sie wollen erreichen, dass der Hamburger Erzbischof den Plänen nicht zustimmt und ihre Kirche erhalten bleibt. Die Entscheidung des Bischofs, so schätzt die Pfarrei, soll bis Ende Juni fallen.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 12.03.2023 | 19:30 Uhr

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