Kinder und Erwachsene laufen im Kreis aufeinander zu und schwingen ein buntes, großes Tuch über sich. © NDR

Landesunterkunft Bad Segeberg: Ankommen nach der Flucht

Stand: 02.05.2022 13:20 Uhr

Die Landesunterkunft Bad Segeberg ist für viele ukrainische Geflüchtete die erste Anlaufstelle in Deutschland. Ihr Alltag dort ist geprägt von Sorge, aber auch von Hoffnung und Freizeitaktivitäten.

von Lisa Synowski

Es ist ein leises Lachen, das aus einem großen Backsteingebäude nach außen dringt. Im Erdgeschoss befindet sich ein kleines Café für die Bewohnerinnen und Bewohner der Landesunterkunft Bad Segeberg. Drinnen sitzt die junge Mutter Margarita, gemeinsam mit mehreren anderen ukrainischen Frauen. Sie trinken Kaffee, essen Kekse und plaudern. Einen Tisch weiter machen ihre Kinder Daria und Dimitri Hausaufgaben. "Es ist hier fast wie zu Hause, wir fühlen uns sicher und das erste Mal seit langer Zeit entspannt", sagt Margarita. Sie ist erst seit wenigen Wochen in Deutschland, hat gemeinsam mit ihren Kindern eine lange Flucht hinter sich. Mit dem Zug von Charkiw über Polen nach Deutschland. Immer wieder mussten sie die Reise unterbrechen. Wegen Bomben auf dem Weg. Im Café ist das heute aber kein großes Thema, sondern es geht um die Zukunft.

Eine Dolmetscherin ist zu Gast, die selbst erst seit wenigen Jahren in Deutschland lebt. Sie berichtet den geflüchteten Frauen, wie sie damals mit ihren Kindern in Deutschland Fuß gefasst hat. Margarita erzählt, dass sie sich Sorgen um ihren Mann macht, der aktuell in der ukrainischen Armee kämpft - aber auch, dass sie nach vorne blickt, und in Deutschland bald wieder in ihrem Job als Krankenschwester arbeiten möchte.

DRK organisiert Freizeitprogramm

Xenia Giday vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) hat gemeinsam mit ihrem Team nicht nur das Café auf die Beine gestellt, sondern organisiert das gesamte Freizeitangebot in der Landesunterkunft. Das reicht von Fahrradausflügen nach Bad Segeberg bis hin zu einem Mitmachzirkus für Kinder. "Wir merken, dass es für die Menschen hier ganz wichtig ist, auch mal aus ihren Wohncontainern rauszukommen und sich in einem geschützten Raum mit anderen auszutauschen." Heute gibt es ein besonderes Event auf der Wiese direkt vor dem Café. Das ehrenamtlich organisierte Spielmobil ist zu Besuch - mit Geschenken für die Kinder. Sie bekommen Bücher, Lego und Malsachen. Anschließend können sie sich bei den Mitarbeitenden des DRK auch noch Spielgeräte fürs Wochenende ausleihen. Schon nach wenigen Minuten schallt lautes Kinderlachen durch die Luft, Mütter und Großmütter stehen erst am Rand und spielen kurze Zeit später mit. Xenia Giday ist zufrieden. "Das ist immer das Schönste, wenn man den Menschen für einen kurzen Moment etwas Unbeschwertheit zurückbringen kann", sagt sie.  

Geflüchtete bringen Haustiere mit 

Ein paar hundert Meter weiter auf dem Gelände ist das laute Kinderlachen nicht mehr zu hören. Stattdessen ein leises Miauen. Mehrere Bewohnerinnen und Bewohner stehen dort mit Katzen auf dem Arm. Sie sind für die offene Tierarztsprechstunde gekommen, die zwei Mal in der Woche auf dem Gelände angeboten wird. Deri Tierschutzverein Bad Segeberg hat die Sprechstunde organisiert, gibt auch Futter und Zubehör für die Tiere aus. Das Angebot gibt es erst seit März, denn die ukrainischen Bewohnerinnen und Bewohner sind die ersten überhaupt, die Haustiere mit nach Deutschland bringen.

Tierärztin Heike Schwalenberg untersucht drinnen gerade Katze Mira. Sie ist erst vor wenigen Tagen mit ihrer Besitzerin nach Deutschland gekommen. "Die meisten Tiere haben keine Tollwut-Impfung und keinen Mikrochip. Beides ist aber Pflicht in Deutschland", erklärt die Tierärztin, während sie Mira abtastet. Ihr Gesundheitszustand scheint okay, sie kann sowohl Mikrochip als auch die Impfung sofort bekommen. Für ihre Besitzerin gibt es im Anschluss noch die entsprechenden Papiere. "Die Tiere sind für die Menschen hier wirklich so was wie Familie. Wir spüren eine ganz große Dankbarkeit, dass sie sie hier auf dem Gelände behalten können und wir sie behandeln", sagt Heike Schwalenberg - und hebt schon die nächste Katze auf ihren Behandlungstisch.  

Essen für 300 Menschen in der Kantine 

Draußen vor der Tierarztpraxis wird die Schlange langsam kürzer. Dafür füllt sich ein großes Gebäude, für das man einmal über die Straße muss. In der Kantine der Unterkunft gibt es für die Bewohnerinnen und Bewohner drei Mal am Tag Essen. An der Ausgabe kann heute zwischen Nudeln, Eintopf und Salat gewählt werden. Auch Margarita und ihre Kinder sind inzwischen vom Café hierhin gewechselt. "Ich bin wirklich dankbar, dass wir so gut versorgt sind", sagt sie. Margarita weiß noch nicht, wie lange sie in der Unterkunft in Bad Segeberg bleiben wird. Am Wochenende will sie sich mit ihren Kindern Lübeck anschauen - und dort vielleicht auch irgendwann leben.  

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Das Bild zeigt den Unterricht in einer Schule. © picture alliance/dpa Foto: Philipp von Ditfurth

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 02.05.2022 | 19:30 Uhr

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