Keine Milch, keine Butter, kein Käse mehr im Gasnotfall?
Ein möglicher Gasmangel sorgt auch bei den Meiereien in Schleswig-Holstein für Sorgen. Denn ohne Gas können die Milchprodukte nicht pasteurisiert werden und sind dann nur sehr kurz haltbar.
Pasteurisierung ist Pflicht für Milchprodukte, wenn sie - in welcher Form auch immer - in den Regalen der Deutschen Lebensmittelhändler stehen sollen. Nach Angaben von Klaus Peter Lucht vom Milcherzeugerverband Schleswig-Holstein könnten die Molkereien ohne Gasenergie nur noch für kurze Zeit ihre Produktion aufrechterhalten: "Wenn die Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 in der kommenden Woche abgeschlossen sind und kein Gas mehr nach Deutschland kommt - dann kann bei uns schon bald alles stillstehen", sagt Klaus-Peter Lucht.
Milch als Frischeprodukt besonders anfällig
"Wir können die Milch, die uns geliefert wird, maximal zwei Tage aufbewahren - mehr geht nicht", ergänzt Christoph Bossmann, Geschäftsführer von Nordseemilch eG, einer Molkerei in Witzwort im Kreis Nordfriesland. Hier werden jeden Tag 500.000 Liter Milch angeliefert, aber: "Hier sind die Volumen, die eine Molkerei verarbeitet, nicht mehr relevant. Milch ist ein Frischeprodukt. Sie muss schnell verarbeitetet werden", so Bossmann.
Molkereien aktuell "nicht systemrelevant"
Das Problem: Die Molkereien gelten bislang nicht als systemrelevant. Der Verband fordert daher, dass dies geändert wird, damit die Meiereien für eine Gas-Versorgung nach dem Gas-Notfallplan nach oben rutschen. Schleswig-Holstein ist nach Angaben des Milcherzeugerverbandes der drittgrößte Milchproduzent in Deutschland - hinter Bayern und Niedersachsen. Die 16 Meiereien im Land verarbeiten täglich rund 8 Millionen Kilogramm Milch. Sie kommt von insgesamt 4.000 Bauern beziehungsweise von 400.000 Kühen.
Pasteurisierung: Wie Milch haltbar gemacht wird
Die Pflicht zur Pasteurisierung von Milch liegt darin begründet, dass dadurch Keime und Bakterien vor der weiteren Verarbeitung abgetötet werden. Zwei Verfahren gibt es in der Milchverarbeitung. Die Kurzzeiterhitzung: Die Milch wird für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt und danach sofort wieder abgekühlt. Die Milch ist somit gekühlt sieben bis zehn Tage haltbar. Bei der Hocherhitzung wird die Milch für bis zu vier Sekunden bei 85 bis 127 Grad erhitzt und danach sofort wieder abgekühlt. Dadurch erhält man eine längere Haltbarkeit von bis zu drei Wochen.
Umstieg auf Öl würde zu lange dauern
Für das Verfahren wird viel Energie gebraucht. Daher wird fast überall Erdgas eingesetzt. Es ist nach Angaben des Milcherzeugerverbandes bislang günstig zu beschaffen und dabei die bisher effizienteste Energiequelle gewesen. Doch nun droht alles anders zu werden. "Die Molkereien hätten auch schon überlegt, auf Öl umzusteigen. In den meisten Fällen kommt das allerdings nicht in Frage, weil allein das Genehmigungsverfahren bis zu einem Jahr dauern kann", sagt Lucht.
Horrorszenario: Entsorgen der Milch
Es gibt noch zwei weitere Probleme: Milch und Milchpulver sind Vorprodukte für viele andere Lebensmittel in der Nahrungsmittelindustrie. Dazu gehören unter anderem Brot, Pizza, Schokolade. Auch hier wären die Regale leer, wenn die Produktion stillsteht, meint Lucht. Und wenn es soweit käme, müssten Millionen Liter Milch beseitigt werden: "Einfach in die Gülle oder auf die Felder kippen - das geht nicht. Die Milch müsste fachgerecht entsorgt werden", erklärt Molkerei-Geschäftsführer Bossmann. "Und das bedeutet: Kosten und Kapazitäten", ergänzt Lucht - allein letztere wären in der benötigten Größenordnung nicht vorhanden.
Hoffen auf die Politik
Von den Problemen einmal abgesehen, könne die Entsorgung des wertvollen Produktes Milch keine Lösung sein, so Lucht. Deshalb hat der Vorsitzende der Milcherzeuger nun einen Brief an den schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsminister geschickt. Er erhofft sich, dass die Meiereien dann vielleicht doch in die relevante Gruppe für Gaszuteilungen kommen.