Zahnärztin Anke Staffeldt steht in ihrer Praxis. © NDR

Hass im Netz - eine Eutiner Zahnärztin im Fokus der Online-Trolle

Stand: 17.01.2022 05:00 Uhr

Der Begriff Social Media wird oft als soziale Medien übersetzt. Sozial bedeutet umgangssprachlich etwa gesellschaftsfördernd, gemeinnützig, hilfsbereit. Das trifft auf die Social Media-Welt nicht immer zu. Manchmal geht es da sehr rauh zu und überschreitet Grenzen, wie ein Beispiel aus Eutin zeigt.

Anke Staffeldt hat seit über 25 Jahren eine gut laufende Zahnarztpraxis in Eutin. Ihre Hobbys sind klassische Musik und Reisen. 2017 entscheidet sie sich, in den sozialen Medien aktiv zu werden. "Ich wollte Gleichgesinnte treffen, mich über Musik und Reisen austauschen," sagt die Eutinerin. Sie legt einen Twitter-Account an - und findet andere User, die ihre Hobbys teilen. Immer öfter fallen ihr allerdings unangenehme Posts auf. Zur Bundestagswahl im gleichen Jahr mehren sich rechte Parolen und rassistisches "Gezwitscher" auf Twitter.

Aus Spaß wird Ernst

Google-Bewertungen der Zahnarztpraxis von Anke Staffeldt. © NDR
Plötzlich bewerten viele Unbekannte die Zahnarztpraxis von Anke Staffeld schlecht..

Anke Staffeldt bezeichnet sich selbst als politischen Menschen. Und als jemand, dem faires Miteinander ein Anliegen ist. Sie beginnt Hass und Hetze im Netz genauer zu betrachten. Fängt an, einzelne Nutzer, die in ihren Augen unangemessene Kurznachrichten auf Twitter posten, zu blockieren, zu melden oder sperren zu lassen. Anke Staffeldt schließt sich sogenannten Meldegruppen an. Das sind Nutzer, die gemeinsam versuchen, Kurznachrichten mit gesetzeswidrigen Inhalten aufzuspüren.

Der Fehler bei der Anmeldung

Twitter-Beschimpfungen gegen die Zahnärztin Anke Staffeldt. © NDR
Anke Staffeldt wird zunehmend auf Twitter beleidigt.

Die Eutiner Zahnärztin veröffentlicht gelungene Sperrungen und Löschungen rechter Parolen bei Twitter. Aber sie hatte am Anfang ihrer Online-Aktivitäten einen entscheidenden Fehler gemacht - mit Folgen. Sie meldete sich mit ihrem echten Namen und einem Foto auf Twitter an. Das nutzen jetzt die, die sich zu Unrecht gesperrt und blockiert fühlen. Plötzlich hagelt es schlechte Online-Bewertungen für ihre Zahnarztpraxis. "Meine 5-Sterne-Praxis ist innerhalb weniger Wochen zu einer No-Go-Praxis geworden. Die neuen, schlechten Bewertungen kommen von anonymen Usern. Unbekannten, die nie die Praxis betreten haben", sagt Anke Staffeldt.

Im Visier der Online-Trolle

Twitter-Beschimpfungen gegen die Zahnärztin Anke Staffeldt. © NDR
Immer öfter fallen Anke Staffeld unangenehme Posts auf.

Parallel zu den schlechten Bewertungen wird Anke Staffeldt nun auch zunehmend auf Twitter beleidigt. Man verfremdet ihr Profilbild, bezeichnet sie als Alkoholikerin und behauptet, sie sei sterbenskrank, wünscht ihr ein baldiges Ableben. Sie bekommt auch ungebetenen Besuch. Vor ihrer Praxis sei sie bepöbelt worden, berichtet die Eutinerin: "Ein junger Mann, vermutlich jemand aus Eutin, hat mir hinterhergerufen: Na, wieder besoffen zur Praxis." Das Praxisschild wird beschmiert, Unmengen von Katalogen und Rechnungen landen täglich in ihrem Briefkasten.

Dokumentieren, Daten sammeln und Vergehen anzeigen

Die Zahnärztin wehrt sich. Macht Screenshots der Hass-Posts, schaltet Polizei und Staatsanwaltschaft ein. Sechs Verfahren sind aus den vergangenen Monaten anhängig. Drei davon sind mittlerweile eingestellt, weil der oder die Täter nicht ermittelt werden konnten.

Zuständig für die Ermittlungen in allen Fällen ist die Polizeidirektion Lübeck. Maik Seidel, Pressesprecher der Polizei in Lübeck, bestätigt die Ermittlungsverfahren um Beleidigungen und Sachbeschädigung. Er kann aber zum Stand der Ermittlungen noch nichts sagen, da die Verfahren noch nicht alle abgeschlossen sind. Auch sollen mögliche Täter nicht gewarnt werden.

Sein Rat in Sachen Social Media ist allerdings eindeutig: "Man kann sich vor Hatespeech und Internetkriminalität einfach schützen, indem ich mich wenig im Internet bewege, meine Aktivitäten möglichst einschränke. Oder wenn ich soziale Netzwerke nutze, meine Profile so einstelle, dass die nur einem bestimmten Personenkreis zur Verfügung stehen", erklärt Maik Seidel und fügt an: "Und wenn ich Kommentare abgeben möchte, mich noch einmal frage, könnte ich jemandem Angriffsflächen bieten, dass der mich daraufhin beleidigt oder dass dann ein Shitstorm entsteht. Auf keinen Fall sollte man private Kontaktdaten oder überhaupt sensible Daten im Internet weitergeben."

Wer allerdings politisch aktiv wird im Netz, begibt sich in ein Umfeld mit vielen kontroversen Meinungen, die sich mit Pech zu unschönen gegenseitigen Verbalattacken entwickeln können.

Aufgeben oder Weitermachen

Anke Staffeldt hat ihren alten Account vor ein paar Monaten gelöscht und einen neuen angelegt - unter einem Fantasienamen, ohne Foto. Sie ist zurzeit auch weniger aktiv auf Twitter. Aber die Eutinerin will sich nicht einschüchtern lassen: "Dieser Hass und diese Hetze sind eher Ansporn für mich. Angst habe ich nicht. Ich mache weiter."

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 17.01.2022 | 19:30 Uhr

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