Geomar-Experte: Ökosystem Ostsee braucht andere Landwirtschaft
Wie können die Anrainerstaaten die Ostsee besser schützen? Darüber beraten seit Dienstag die zuständigen Minister in Lübeck beim Treffen der sogenannten Helsinki-Kommission. Der Kieler Meeresbiologe Thorsten Reusch hält die Lage für ernst, aber nicht hoffnungslos.
"Der Patient Ostsee ist in einem kritischen Zustand", sagt der Meeresbiologe Thorsten Reusch vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Aber die Lage ist nach seiner Einschätzung nicht hoffnungslos. Das Hauptproblem ist die sogenannte Eutrophierung, also eine Anreicherung von Nährstoffen: Sie gelangen aus ungeklärten Abwässern, aber vor allem aus Düngemitteln der Landwirtschaft über Flüsse der Anrainerstaaten in die Ostsee. Dort sorgen sie für ein unnatürliches Algen-Wachstum.
Die Pflanzen sterben ab und zersetzen sich. Dabei entziehen sie dem Wasser Sauerstoff, der dann anderen Meeresbewohnern fehlt. Gleichzeitig trübt sich durch die Algen das Wasser der Ostsee stark. Auch das wirkt sich negativ auf die Tier- und Pflanzenwelt aus.
Das Ökosystem Ostsee ist träge
Auch wenn die Folgen noch nicht zu erkennen sind, der Nährstoffeintrag in die Ostsee ist laut Reusch in den vergangenen Jahren etwas zurückgegangen. "Wir hatten die Spitze der Einträge in den 90er-Jahren, inzwischen ist eine Reduktion zu erkennen", so der Biologe. "Seitdem ist das Wasser etwas klarer geworden, wir konnten beobachten, dass Seegraswiesen und Algen-Vorkommen etwas weiter in die Tiefe der Ostsee vordringen konnten. Da sehen wir eine leichte Verbesserung."
Mit den entsprechenden Maßnahmen könne es also Verbesserungen geben. Sie reichen laut Reusch aber aus meeresbiologischer Sicht noch nicht aus. Und auf kurzfristige Veränderungen sollte man nicht hoffen. "Das Ökosystem Ostsee ist träge", erläutert Reusch. "Veränderungen gehen im Guten wie im Schlechten relativ langsam vonstatten."
Die Art der Landwirtschaft muss sich verändern
Der Schlüssel ist aus seiner Sicht ein generelles Umdenken in der Landwirtschaft. "Der Nährstoffeintrag ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", sagt Reusch. Und dabei reicht es seiner Meinung nach nicht aus, mal hier und da eine Kläranlage auf den neuesten Stand zu bringen. "Mittelfristig müssen wir zu einer besseren Landwirtschaft kommen." Reusch meint damit eine Landwirtschaft, die ohne zusätzliche Düngung auskommt. "Es reicht aber nicht, wenn wir jetzt zehn Prozent Bio-Landwirtschaft haben. Insgesamt muss sich das System ändern, wie wir wirtschaften."
Altlasten aus den Weltkriegen sind ein Problem
Ein weiteres Problem sind die militärischen Altlasten, die sich in der Ostsee befinden. "Das ist sehr lange nicht angegangen worden. Und es wird immer dringender, denn die Munitionsreste rosten durch", sagt Reusch. Die giftigen Schadstoffe aus den Munitionsresten gelangen in die Organismen der Ostsee und reichern sich dort an. Die Stoffe gelangen so in den Nahrungskreislauf. "Da müsste man Millionenbeträge in die Hand nehmen, um die großen Mengen von Altlasten zu beseitigen" schätzt Reusch.
Hoffnung auf Treffen der Helsinki-Kommission
Er setzt große Hoffnungen auf das Treffen der sogenannten Helsinki-Kommission, das seit Dienstag in Lübeck stattfindet. Die Ostsee-Anrainerstaaten Dänemark, Schweden, Finnland, Polen, Russland, Estland, Lettland, Littauen und Deutschland wollen dort am Mittwoch gemeinsam mit Vertretern der EU über einen besseren Schutz der Ostsee beraten. Ziel ist es, den Ostsee-Aktionsplan zu aktualisieren. Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte schon vorab gesagt, es bleibe die Hauptaufgabe, die Überdüngung zu bekämpfen.
