Barbara Jansen © NDR

"Friesenhof"-Heime: Barbara Janssens Kampf

Stand: 30.08.2022 21:31 Uhr

Vor sieben Jahren entzog das Landesjugendamt Barbara Janssen die Betriebserlaubnis für ihre Mädchenheime. Seitdem kämpft sie gegen diese Entscheidung an. Zweimal hat sie schon vor Gericht gewonnen. Jetzt verklagt sie das Land auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Die Chancen sind nicht schlecht.

von Andreas Schmidt

Es ist ein heißer Tag im August. In einem versteckten Garten in Bunsoh (Kreis Dithmarschen) knipst Barbara Janssen verwelkte Blüten aus einem Busch. Sie ist jetzt 77 Jahre alt. Das Knie macht Ärger. Außerdem hat sie vor einigen Jahren eine schwere Krebserkrankung überstanden. Ihren Kampfgeist hat sie nicht verloren. "Das Land wird mich nicht los", prophezeit sie. "Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen und das zurückfordern, was ich durch falsche Entscheidungen verloren habe." In Spitzenzeiten hat Barbara Janssen sieben Mädchenheime betrieben. Unter dem Namen "Friesenhof" sind die in Verruf geraten - und mit ihnen Barbara Janssen.

Noch immer betreut sie zwei Frauen, die als Mädchen zu ihr gekommen sind. "Dafür bin ich wohl gut genug." Die Frauen sind jetzt 38 und 43 Jahre alt, sie gehören quasi zur Familie. Viele Aktenmeter erinnern außerdem an die Zeit, in der Barbara Janssen bis zu 60 junge Mädchen in ihren Einrichtungen betreut hatte. "Ich war sehr erfolgreich. Jugendämter aus allen Bundesländern schickten Mädchen hierher. Wir hatten lange Wartelisten." Barbara Janssen verfolgte ein Konzept, das sie selbst "konfrontative Pädagogik" nennt.

Ein System aus klaren Regeln

Die Mädchen, die aus schwierigsten Verhältnissen zu ihr kamen, lebten in einem System sehr klarer Regeln. Bei der Ankunft wurden sie durchsucht, dann gab es acht Wochen Kontaktsperre. "Die Durchsuchungen dienten unserer Sicherheit und der Sicherheit der anderen Mädchen. Wir mussten wissen, ob hier jemand Drogen, Alkohol oder Waffen ins Haus bringen wollte", sagt Barbara Janssen heute. Die Kontaktsperre habe dazu gedient, die Mädchen aus ihrem missbräuchlichen oder kriminellen Umfeld herauszulösen. Einige Bewohnerinnen hatten damals geklagt, sie hätten sich bei den Durchsuchungen nackt ausziehen müssen. Barbara Janssen bestreitet das. Außerdem sei ihr Konzept genehmigt und dem Landesjugendamt bekannt gewesen.

"Mein persönlicher Tsunami"

Im Jahr 2011 musste Frau Janssen wegen ihrer Krebserkrankung mehr als ein Jahr aussetzen. In der Zeit verließen sie Mitarbeiter. Ab 2013 häuften sich Beschwerden, die schließlich die Hamburger Bürgerschaft erreichten. Einige der Mädchen kamen aus Hamburg.

Barbara Jansen © NDR
Barbara Jansen kämpft um Ihren Ruf nach heftigen Vorwürfen gegen ihre Mädchenheime.

Was dann beginnt, nennt sie "mein persönlicher Tsunami". Im Jahr 2015 berichten zunehmend Medien, Mädchen und Mitarbeiter machen schwere Vorwürfe, auch im NDR. Im Juni entzieht das Landesjugendamt Barbara Janssen schließlich die Betriebserlaubnis. Die Beamten sehen das Kindeswohl in den Heimen gefährdet. Barbara Janssen muss Insolvenz anmelden. "Ich habe die Zeit als lebensbedrohlich empfunden. Ich hatte massive Existenzängste. Irgendwann war ich einfach froh, nicht zu hassen." Zwischenzeitlich hält sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, verteilt Leseproben vor Supermärkten. "Beim Einkaufen hatte ich immer zwölf Messer im Rücken."

Parlament und Gerichte bestätigen viele Vorwürfe nicht

Gerichtsprozess © NDR
Die "Friesenhof"-Heime haben schon mehrfach die Gerichte beschäftigt.

Im Herbst 2015 beginnt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, die Zustände in den "Friesenhof"-Heimen aufzuarbeiten. Eine Kindeswohlgefährdung können die Abgeordneten nicht eindeutig feststellen. Dazu stellt sich heraus, dass einer der Hauptbelastungszeugen aus der Belegschaft ein notorischer Lügner und Hochstapler ist. Er hatte sich sein Pädagogenzeugnis gefälscht.

Jürgen Weber, damals für die SPD im Ausschuss, erinnert sich: "Wer den Abschlussbericht genau liest, wird feststellen, dass die meisten der Vorwürfe gegen Frau Janssen dort nicht wiederholt werden. Einfach weil sie nicht beweisbar und deswegen auch nicht behauptbar sind. Gleichwohl wurden sie öffentlich immer wiederholt."

Barbara Janssen klagt gegen den Widerruf der Betriebserlaubnis vor dem Verwaltungsgericht - mit Erfolg: Die Schleswiger Richter urteilen, das Landesjugendamt habe nicht hinreichend Tatsachen ermittelt und sich zu sehr auf die Aussagen der Bewohnerinnen gestützt. Insgesamt sei der der Widerruf rechtswidrig.

Einige Monate später bestätigt das Oberverwaltungsgericht das Urteil. Das Sozialministerium, bei dem das Landesjugendamt angesiedelt ist, schreibt, es sei nicht geglückt, die "vorgeworfenen Handlungen gerichtlich nachzuweisen". Daraus sei aber keineswegs abzuleiten, dass die Vorwürfe gegen Frau Janssen haltlos sind.

Forderung: Mehr als zwei Millionen Euro Schadenersatz

Barbara Janssen fordert jetzt mehr als zwei Millionen Euro Schadenersatz vom Land. Für den Verlust des Betriebs und ihres guten Rufs. "Wenn man den Ruf in diesem Bereich verloren hat, das kann man nicht wieder gutmachen. Aber ich will zumindest finanziell entschädigt werden." Noch in diesem Jahr, hofft sie, wird das Landgericht Kiel ihre Forderung verhandeln.

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Schleswig-Holstein Magazin | 30.08.2022 | 19:30 Uhr

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