Einbruch: Plötzlich leuchtet "eine Taschenlampe im Schlafzimmer"

Stand: 08.02.2023 12:08 Uhr

In Itzehoe (Kreis Steinburg) wurden am Mittwoch fünf Männer verurteilt, die im Raum Elmshorn (Kreis Pinneberg) in mehrere Häuser eingebrochen waren. Auch Walter Lienau und seine Frau wurden Opfer der Bande.

von Oliver Kring

"Das war ein Schock", sagt Walter Lienau, "vor allem später für meine Frau!" Das Paar schlief bereits, als Lienau mitten in der Nacht aufwachte. Dann sah er das Licht einer Taschenlampe, das über die Türen des Kleiderschranks im Schlafzimmer huschte. "Und dann hab ich gedacht: Was macht deine Frau da nachts am Kleiderschrank? Ich habe ja überhaupt nicht an Einbrecher gedacht", sagte der 97-Jährige. Doch schnell stellte er fest, dass seine Frau neben ihm im Bett lag.

Uhren und Schmuck im Wert von rund 10.000 Euro entwendet

Aus Reflex nahm er seine Taschenlampe, leuchtete in Richtung Kleiderschrank und sah einen fremden Mann. Auch der Einbrecher schien einen kurzen Moment erschrocken. "Und dann ist der sofort abgehauen. Ich habe den nur von hinten gesehen", erzählt Lienau. "Der ist durch die Wohnung, durch die Haustür und weg."

Ehefrau hat Ängste und Albträume

Der Einbrecher hinterlässt das Haus in Klein Nordende am Rand von Elmshorn komplett durchwühlt. Vom Keller bis zum Obergeschoss sei alles durcheinander gewesen, so Lienau. Die Beute: Uhren und wertvoller Schmuck im Wert von rund 10.000 Euro. Das Problem sei aber nicht das Geld, nicht der Wert der Gegenstände. Das Problem seien die Erinnerungen, die damit zusammenhängen.

Er habe das gut überstanden, glaubt Walter Lienau. Bei seiner Frau war das anders: "Der ist das bös nahe gegangen!", sagt der 97-Jährige. Sie habe die erste Zeit kaum geschlafen, fährt nachts hoch, träumt vom Einbruch. Mindestens anderthalb Jahre dauerte es, bis sie den Vorfall verarbeitet hatte, erinnert sich ihr Mann.

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Häuser systematisch durchsucht

Wenig später stiegen Einbrecher im acht Kilometer entfernten in Mooregge (Kreis Pinneberg) ins Haus von Jens Hinrichs (Namen geändert) ein. Die Familie war nicht zu Hause. "Gott sei Dank", sagt Hinrichs. Er selbst kam am frühen Nachmittag vom Dienst nach Hause, sah die offene Nebentür, dachte aber zuerst überhaupt nicht an Einbrecher, wie er berichtet. Erst nachdem er in mehreren Räumen war, habe es bei ihm "Klick!" gemacht.

"Die haben drei ungefähr sechs Zentimeter lange Schließzylinder rausgehebelt und die Tür so aufgekriegt", sagt Hinrichs. Dann ging es offenbar ganz schnell und systematisch: Durch den Heizungsraum in die Küche, alle Schränke wurden geöffnet, sogar die Dunstabzugshaube. Auch im angrenzenden Wohnzimmer wurden die Schränke durchsucht, Bilder von der Wand genommen. "Vielleicht waren sie auf der Suche nach einem Tresor dahinter", nimmt Hinrichs an. Dann gingen die Täter in die erste Etage: Arbeitszimmer, Kinderzimmer, Bad, Schlafzimmer und zum Schluss auf den Dachboden.

Die Beute in diesem Fall: Bargeld und Uhren im Wert etwa 4.000 bis 5.000 Euro. Hinrichs sagt von sich, dass er ganz gut mit dem Einbruch klar komme. Er hat allerdings nachgerüstet: Draußen und im Haus sind jetzt 30 Kameras installiert, die jeden Winkel überwachen. Im Haus hat Hinrichs mehrere Alarmanlagen eingebaut.

Einbrecherbande: Prozess vor dem Landgericht Itzehoe

Hinter diesen und weiteren Einbrüchen an insgesamt sechs Orten steckt eine Einbrecherbande aus insgesamt fünf Männern. Das Landgericht Itzehoe hat jetzt vier von ihnen zu Bewährungsstrafen sowie den fünften Mann zu einer Strafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Die vergleichsweise milden Strafen seien aufgrund eines Deals zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Landgericht zustandegekommen, sagte ein Verteidiger. Bedingung war demnach, dass alle Angeklagten ein volles Geständnis im Sinne der Anklage ablegten. Dem kamen die Beschuldigten nach. Nach ihrem Geständnis entschuldigten sich einige der Männer bei Jens Hinrichs und Walter Lienau. Die Reaktion des 97-Jährigen: "Entschuldigung angenommen - wenn du es ernst meinst."

Insgesamt ist die Zahl der Einbrüche im Land in den vergangenen Monaten laut Polizei wieder gestiegen. Bis Dezember waren es über 400 Taten mehr als im Vorjahr. Grund ist, dass wieder mehr Menschen zur Arbeit fahren und nicht wie in Corona-Hochzeiten dauerhaft zu Hause sind, sagt die Polizei.

Weißer Ring hilft Betroffenen

Um Betroffene von Einbrüchen kümmert sich - wie auch bei anderen Straftaten - der Weiße Ring. Joachim Brand ist ehrenamtlich dabei. "Wichtig ist zum Anfang wirklich ein persönliches Gespräch", erklärt er. "Darüber reden ist für die Menschen wichtig, damit sie so ein Stückchen der Last alleine durch Gespräche loswerden." Der Weiße Ring vermittelt den Kontakt zu Psychologen. "Sie helfen den Menschen dann eben, ihr Trauma, was sie im Zweifel dadurch erlangt haben, zu mildern", sagt Brand. Außerdem sei es aus seiner Sicht aber wichtig, über Präventionsmaßnahmen zu sprechen, um zu verhindern, dass sich so ein Ereignis noch mal wiederhole.

Die Polizei verfolgt bei diesem Thema den Ansatz: Erst Mechanik dann Elektronik. Je länger Einbrecher durch gut gesicherte Fenster und Türen aufgehalten werden, desto höher ist die Chance, dass sie aufgeben. Weitere Informationen und Kontakt zur Einbruchschutzberatung gibt es auf den Seiten der Landespolizei.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 08.02.2023 | 12:00 Uhr

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