Homeschooling: ADS- und ADHS-Kindern fällt es besonders schwer
Den ganzen Januar bleiben die Schulen - bis auf die Notbetreuung - zu. Das ist für alle herausfordernd - aber besonders für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Eine Therapeutin aus Elmshorn hilft.
von Lisa Synowski
Nach und nach räumt Jeannine Hohmann ihre Arbeitsutensilien auf den Tisch. Bunte Legosteine, kleine Wurfsäcke und einen roter Buzzer. Diese Gegenstände sollen Kindern helfen, sich beim Lernen besser zu konzentrieren. Jeannine Hohmann ist Lerntherapeutin in Elmshorn. Sie hilft Kindern, die Schwierigkeiten beim Lernen haben. Es sind Kinder, bei denen zum Beispiel eine Aufmerksamkeitsstörungen wie ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) oder ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) diagnostiziert wurde. Einer von ihnen ist Lennox, der jetzt zur Tür hereinkommt und sich gegenüber von Jeannine Hohmann an den Tisch setzt. Mit Glasscheibe und Abstand geht das auch in Corona-Zeiten, obwohl die Lerntherapeutin die meisten Stunden momentan online abhält. Auch Lennox hat sie in den vergangenen Wochen nur virtuell gesehen. "Der persönliche Austausch ist und bleibt aber ganz wichtig, und deswegen ist es toll, dass er heute hier in der Praxis ist", sagt sie.
Homeschooling lässt Strukturen wegbrechen

Jeannine Hohmann arbeitet seit zwei Jahren mit Lennox. Er ist zehn Jahre alt, geht in die dritte Klasse und hat ADS. In diesem Monat muss Lennox von zu Hause aus lernen. Genau wie alle anderen Grundschüler in Schleswig-Holstein. Doch für den Zehnjährigen ist das eine besondere Herausforderung. Denn zum Lernen braucht er klare Strukturen. "Also zum Beispiel morgens aufzustehen und zu wissen, ich gehe zur Schule, habe dort meine Rahmenbedingungen, meine Regeln. Ich treffe dort meine Freunde. Und innerhalb der Schule gibt es dann auch wieder Regeln und Strukturen, die dem Kind Sicherheit geben. Und das fehlt jetzt komplett", erklärt Jeannine Hohmann. Lennox berichtet ihr, dass es ihm zu Hause schwerer falle, sich zu konzentrieren. So geht es den meisten der 18 Kinder, mit denen Jeannine Hohmann gerade arbeitet. Sie versucht, ihnen deswegen Strategien an die Hand zu geben, mit denen sie sich ihre Schulaufgaben strukturieren können.
Legosteine stehen für Hausaufgaben
In der Stunde mit Lennox kommen als erstes die Legosteine zum Einsatz. Jeder Legostein steht für eine Hausaufgabe. Lennox soll so eine Übersicht über seine Hausaufgabenfülle bekommen. Danach übt Jeannine Hohmann mit Lennox, sich Zahlenfolgen zu merken. 361592 zum Beispiel. Das klappt gut, doch nach einigen Minuten sinkt die Konzentration. Jetzt kommt Hilfsmittel Nummer zwei zum Einsatz. Die kleinen Wurfsäckchen. Die werfen sie einige Minuten gemeinsam in die Luft, als Auflockerung und Koordinationsübung. Danach noch einmal Konzentration. Jetzt soll Lennox kurze von langen Vokalen unterscheiden. Hilfsmittel Nummer drei - der rote Buzzer - liegt neben ihm. Auf den darf er vor jeder Antwort drücken. Das hilft ihm, seine Impulse zu kontrollieren und sich nicht ablenken zu lassen.
Tabuthema ADS/ADHS
Jeannine Hohmann arbeitet seit zehn Jahren als Lerntherapeutin in ihrer eigenen Praxis in Elmshorn. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin und hat sich über Weiterbildungen zur ADHS/ADS-Trainerin ausbilden lassen. Für ihre Therapie arbeitet sie mit allen Elmshorner Grundschulen zusammen. Auch mit der Klassenlehrerin von Lennox ist sie in Kontakt, bespricht mit ihr regelmäßig, wie die Schule Lennox beim Lernen unterstützen kann. "Man merkt ganz deutlich, dass das Thema ADS/ADHS sich langsam von einem Tabuthema wegentwickelt und mehr in den Vordergrund rückt", sagt Jeannine Hohmann. Sie wünscht sich trotzdem noch mehr Verständnis für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Täglich melden sich momentan Eltern mit Anfragen für Therapiestunden bei ihr.
