Celle: Die Angeklagte steht kurz vor Prozessbeginn in einen Saal vom Oberlandesgericht Celle und spricht mit ihrem Verteidiger Johannes Pausch (l). Die Frau soll 2014 gemeinsam mit einer 16-Jährigen nach Syrien ausgereist sein und sich dort der terroristischen Vereinigung «Islamischer Staat» (IS) angeschlossen haben. © dpa-Bildfunk Foto: Moritz Frankenberg

Celle: Drei Jahre und drei Monate in Haft für IS-Rückkehrerin

Stand: 01.06.2022 20:48 Uhr

Im Prozess gegen eine frühere Anhängerin der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat das OLG Celle sein Urteil gefällt. Die 34-jährige Frau aus Osnabrück muss für drei Jahre und drei Monate in Haft.

Die Strafkammer würdigte, dass die 34-Jährige radikal mit der islamistischen Szene gebrochen habe. "Die Angeklagte wird fraglos dort als Verräterin gesehen", sagte der Vorsitzende Richter Frank Rosenow. Romiena S. muss unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, schwerer Entziehung Minderjähriger und Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Haft. S. hat "zumindest kurzzeitig die Arbeitskraft einer versklavten Jesidin ausgenutzt", sagte Andreas Keppler, Sprecher des OLG Celle, dem NDR in Niedersachsen. Das Opfer war als Nebenklägerin aufgetreten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Täterin verzichtet laut Anwalt auf Revision

Von Seiten der Verteidigung ist keine Revision zu erwarten. "Meine Mandantin hat dann entschieden, dass wir keine Revision einlegen, sondern das Urteil akzeptieren, den Strafvollzug antreten, den dazu nutzen, möglichst gute Dinge zu tun", sagte Rechtsanwalt Johannes Pausch dem NDR in Niedersachsen. S. hoffe "auf eine vorzeitige Entlassung nach zwei Dritteln" der Strafe. Unter anderem wollen sie im Gefängnis die Möglichkeit nutzen, die Schule nachzuholen, so Pausch.

Angeklagte ist geständig und in Aussteigerprogramm

Das Urteil hätte deutlich härter ausfallen können. "Der Senat ist trotz allem zu einem relativ milden Urteil gekommen, weil er sieht, dass die Angeklagte keine Hardlinerin war", sagte OLG-Sprecher Keppler. "Das Geständnis, dass die Angeklagte hier abgegeben hat, das war schon sehr weitgehend. Und wenn man auch über einzelne Details diskutieren kann, war das glaubhaft." Das Gericht habe S. auch anerkannt, dass sie an einem Aussteigerprogramm mitarbeite. Zum Motiv sagte Keppler: "Die Angeklagte hatte eine verkorkste Kindheit. Sie ist in sehr unsteten Verhältnissen aufgewachsen. Sie hat Halt gesucht in diesen vorgeblich klaren und einfachen Strukturen, die der IS darstellt. Dadurch war sie anfällig für die Verlockung, dort mitzumachen."

Tochter in Syrien in Lebensgefahr gebracht

Es sei allerdings unbestritten, dass sie sich der Organisation über mehrere Jahre angeschlossen und in dieser Zeit drei IS-Kämpfer geheiratet habe. "Besonders schwerwiegend war natürlich, dass die Angeklagte ihrem früheren Lebenspartner die Tochter entzogen hat und diese Tochter und auch die anderen Kinder, die in Syrien geboren wurden, ganz erheblichen Gefahren ausgesetzt hat", so Keppler. Sie habe ihre Tochter ohne das Wissen des Vaters mit nach Syrien genommen, wo diese eine Steinigung und Kämpfe teilweise hautnah miterlebt habe, und habe das Kind dadurch in konkrete Lebensgefahr gebracht. S. war Ende 2014 mit ihrer damals vierjährigen Tochter und einer 16-Jährigen, die sie angeworben haben soll, nach Syrien ins IS-Gebiet gereist.

Bundesanwaltschaft: S. hat persönliche Beteiligung relativiert

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer viereinhalb Jahre Haft für Romiena S. gefordert. Oberstaatsanwalt Helmut Grauer sagte nach der Urteilsverkündung, dass Senat, Verteidigung und Bundesanwaltschaft in Grundzügen "sehr nah beieinander gewesen" seien. "Aus unserer Sicht hat sie jedoch an einigen Punkten, insbesondere wenn es um ihre persönliche Beteiligung gegangen ist, diese doch relativiert. Dem haben wir einen größeren Beitrag zugemessen bei der Strafzumessung als der Senat", sagte Grauer. "Das Kind wurde nicht nur körperlich, sondern auch in seiner geistigen Entwicklung erheblich gefährdet."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 01.06.2022 | 14:00 Uhr

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