"Nordkreuz"-Prozess: Polizist geständig
Vor dem Landgericht Schwerin hat ein angeklagter Polizist den illegalen Besitz von Waffen, darunter eine Maschinenpistole, und größerer Mengen Munition eingeräumt. Von seinem Verteidiger ließ der 49-Jährige aus Banzkow (Landkreis Ludwigslust-Parchim) eine Erklärung verlesen. Als Mitglied des Spezialeinsatzkommandos (SEK) hat er demnach die Grenzen des Legalen und des Illegalen verschwimmen lassen.
Staatsanwaltschaft lehnt Deal mit der Verteidigung ab
Die von Ermittlern in seinem Haus gefundenen 55.000 Schuss Munition habe er sich von Kollegen geben lassen, die Munition sei bei Schießübungen übrig gewesen, er habe sie auch weiterhin nur für Übungen einsetzen wollen. Den Angaben vor Gericht zufolge stammte die Munition aus Beständen der Polizei und der Bundeswehr aus mehreren Bundesländern, neben Mecklenburg-Vorpommern auch aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Brandenburg. Waffen habe er auch besessen, ein Schnellfeuergewehr will er auf einer Waffenbörse gekauft haben. Eine vor Beginn des Prozesses angedachte Vereinbarung zwischen den Beteiligten über eine mögliche Bewährungsstrafe bei einem umfassenden Geständnis lehnte die Staatsanwaltschaft ab. Die Anklage listet gegen den Mann Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz auf. Sollte er schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.
Angeklagter war Präzisionsschütze und Schießtrainer
Der Angeklagte ist seit 1999 im Landesdienst der Polizei, war seit 2004 im SEK und unter anderem als Präzisionsschütze und Schießtrainer tätig. Er verfügte über Waffenbesitzkarten und konnte sich in diesem Zusammenhang legal Waffen und Munition beschaffen. Ende August 2017 waren bei Durchsuchungen im Zuge der Ermittlungen gegen den terrorverdächtigen Bundeswehroffizier Franco A. auf Liegenschaften G.s in Banzkow laut Staatsanwaltschaft 23.800 Schuss Munition sowie zahlreiche Waffen und Blendgranaten aus Beständen der Polizei und der Bundeswehr gefunden worden.
Erneuter Fund bei Durchsuchung im Juni 2019
Obwohl dem Polizisten danach die Waffenbesitzkarten entzogen wurden, fanden und beschlagnahmten Ermittler bei einer weiteren Durchsuchung im Juni 2019 erneut Waffen, Sprengkörper und rund 31.000 Schuss Munition. 1.400 Schuss Munition unterlagen laut Staatsanwaltschaft dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Sie würden von den Herstellern nur an Polizeibehörden und Streitkräfte ausgeliefert. Weiterhin fanden die Ermittler eine Maschinenpistole, die 1993 bei der Bundeswehr in Brandenburg gestohlen worden war. Der Angeklagte sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er wurde vom Dienst suspendiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei weitere Polizisten, auch sie gehörten zum SEK in Mecklenburg-Vorpommern. Sie sollen die Munition für den Angeklagten besorgt haben.
Angeklagter soll führender Kopf der "Nordkreuz"-Preppergruppe sein
In seiner Erklärung räumte der Angeklagte auch ein, Administrator der Chatgruppe "Nordkreuz" gewesen zu sein, deren Mitglieder sich mit dem Anlegen von Vorräten und mit Überlebenstrainings auf einen Katastrophenfall vorbereitet hätten. Die Gruppe soll laut Medienberichten außerdem Listen mit Namen potenzieller politischer Gegner angelegt haben, die sie bei einem befürchteten Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung internieren oder liquidieren würden. Dem widersprach Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) jedoch wiederholt.
Der Angeklagte galt ursprünglich als Zeuge in einem Verfahren der Bundesanwaltschaft gegen einen Rostocker Rechtsanwalt und einen weiteren Polizisten, die auch zur Chatgruppe gehört haben sollen. Sie stehen im Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Ergebnisse der Sonderkommission erwartet
Als Konsequenz aus den Vorfällen hatte Innenminister Caffier noch im Juni eine Sonderkommission unter Leitung des ehemaligen Verfassungsschutz-Präsidenten Heinz Fromm eingerichtet. Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet. Als erste Maßnahme hatte Caffier das Training des SEK auf einem weitläufigen Schießplatz bei Güstrow (Landkreis Rostock) stoppen lassen. Der Verdacht kam auf, dass Munition von diesem Gelände entwendet wurde. Für den Prozess gegen G. sind zunächst sieben weitere Verhandlungstage bis Mitte Januar 2020 angesetzt.
