LNG-Terminals: Kommunen fühlen sich schlecht informiert

Stand: 30.09.2022 21:32 Uhr

Einige Gemeinden auf Rügen wundern sich, wie schnell vor ihrer Nase neue Flüssiggas-Terminals genehmigt werden.

von Martin Möller, NDR Nordmagazin

Auf dem idyllischen Mönchgut im Südosten Rügens haben Urlauber und Einheimische die große Energiepolitik direkt vor der Nase. Erst wurde zu DDR-Zeiten das riesige Kernkraftwerk Lubmin errichtet und gut 20 Jahre später wieder abgebaut. Danach kamen Nord Stream 1 und 2, die vor der Halbinsel auf dem Grund des Greifswalder Bodden verlaufen und mittlerweile wohl unbrauchbar sind. Nun sollen LNG-Terminals kommen. Es sind gleich zwei Projekte, eine private und eine staatliche Anlage, um Flüssiggas anlanden zu können.

Schneckentempo gewohnt

Das private Projekt der ReGas Deutschland ist bereits im Bau, ohne dass die anliegenden Gemeinden ein Wörtchen mitreden durften. Der Amtsleiter von Mönchgut-Granitz, Arne Fründt, und Sellins sowie Göhrens Bürgermeister Reinhard Liedtke und Torsten Döring können bislang nur orakeln, welche Auswirkungen der Flüssiggasverkehr auf ihre Gemeinden haben könnte. Bei Planung, Genehmigung und Bau ähnlich großer Vorhaben sind sie eigentlich Schneckentempo gewohnt. Selbst der Bau von Radwegen zieht sich meist über viele Jahre hin, weil Anwohner und die sogenannten Träger öffentlicher Belange angehört werden müssen. Der Energiekrieg mit Russland scheint der sonst eher trägen deutschen Verwaltung Beine zu machen.  

Investor: "Überall grünes Licht"

Im Industriehafen Lubmin, nur 20 Kilometer südlich am gegenüberliegenden Ufer des Greifswalder Boddens, wird bereits gebaut. Maschinen rütteln Dalben in den Boden, Bagger vertiefen das Hafenbecken, eine Anschlussleitung wird vorbereitet, damit der 283 Meter lange Tanker "Neptune" anlegen kann. Er kann minus 163 Grad kaltes LNG in Gas umwandeln. Sicherheitsprobleme sieht Investor ReGas Deutschland nicht. ReGas-Chef Stefan Knabe erklärt: "Wenn man ein Streichholz in Flüssiggas hält, dann erlischt es. Wir haben das Institut für Schiffssicherheit und den TÜV Nord mit ladungsbasierten Risikoanalysen betraut. Wir schauen uns das alles genau an. Wie das Schiff im Hafen liegt, wie das zu den Nachbarn passt. Und überall bekommen wir grünes Licht."

Shuttle-Schiffe für Flüssiggas

So soll es funktionieren: Vor der Südostküste der Insel Rügen geht ein Lagerschiff vor Anker. Das wird regelmäßig mit LNG aufgefüllt. Kleinere Shuttle-Schiffe, von Schleppern begleitet, bringen das Flüssiggas durch den Greifswalder Bodden nach Lubmin. Dort wird es in Gas umgewandelt und direkt ins Gas-Netz eingespeist, wo bislang Gas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ankam. Stephan Knabe unterstreicht, dass das Terminal der ReGas besonders Ostdeutschland mit Energie versorgen soll.

Informationen aus den Medien  

Allerdings würden die Kommunalpolitiker auf Rügen gerne vom Land Mecklenburg-Vorpommern erfahren, was das LNG-Terminal für sie konkret bedeutet. Amtsleiter Arne Fründt: "Vielleicht kommt die Beteiligung später, wir wissen das nicht. Natürlich fragen unsere Bürger: Was geht draußen vor? Dann können wir leider nur sagen: Wir erfahren das auch nur über die Medien, denn ein Beteiligungsverfahren gab es noch nicht." Es müsse auch an die örtliche Gefahrenabwehr gedacht werden, zur Sicherung der Strände und zur Sicherung der Natur und Landschaft.

Hoffnung auf sinkende Energiepreise

Die hohen Energiekosten bereiten ihnen allerdings im Moment viel mehr Kopfzerbrechen. Die Preise für Übernachtungen steigen, erste Gäste haben schon storniert. Einige Pensionen und Hotels wollen ab November sogar ganz schließen. Auch deshalb sind sie nicht gegen das LNG-Terminal. Es könnte helfen, die Energiekosten zu senken, hoffen die Rüganer. Sellins Bürgermeister Reinhardt Liedtke formuliert es so: "Ich denke, dass alle, die bis drei zählen können, sagen: Leute baut das Ding jetzt. Jeder Kubikmeter Gas zählt." Er findet, dass sich die große Politik ein Beispiel an ihnen nehmen sollte, wie pragmatisch sie die Dinge auf der Insel regeln, ohne parteipolitischen Hickhack. Das alles verstehe sowieso kein Mensch mehr.

Beteiligung auf dem kurzen Dienstweg

Investor Knabe will die Herbstferien mit seiner Familie auf Rügen verbringen und beim Amtsleiter und den Bürgermeistern vorbeischauen - Beteiligung auf kleinem Dienstweg sozusagen. Knabe, der eigentlich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist, will Bedenken ausräumen und für sein ehrgeiziges Projekt werben. Vermutlich rennt er offene Türen ein. Denn der Winter steht vor der Tür. Der kann an Rügens windiger Ostküste ziemlich kalt und ungemütlich werden.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 30.09.2022 | 19:30 Uhr

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