Erwin Sellering auf einer Pressekonferenz © dpa Foto: Jens Büttner

Akte Nord Stream 2: Hat die Klimaschutzstiftung ein Steuerproblem?

Stand: 20.05.2022 16:03 Uhr

Stiftungsvorstand Erwin Sellering (SPD) beharrt darauf: Auf die 20 Millionen Euro, die die Nord Stream 2 AG in die "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" steckte, entfallen keine Steuern. Diese Aussage wird aktuell stark angezweifelt.

Podcast Akte Nord Stream 2 - Eine Pipeline unter Wasser © iStock Foto: golero
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von Anna-Lou Beckmann, NDR 1 Radio MV

Im Frühjahr und im Sommer 2021 stattet die Nord Stream 2 AG die umstrittene Klimaschutzstiftung finanziell aus. In zwei Chargen fließen je 10 Millionen Euro. Dem Jahresbericht ist zu entnehmen, dass der Klimaschutz-Teil der Stiftung davon im vergangenen Jahr 603.000 Euro für Projekt- und Pressearbeit ausgegeben hat. Das deckt sich mit der Aussage von Stiftungsvorstand Erwin Sellering (SPD), dass noch etwa 19 Millionen Euro des Gazprom-Geldes übrig sind. Alle Zuwendungen "sind ordnungsgemäß mit Steuerklärungen angezeigt worden", heißt es in einem schriftlichen Statement, dass Sellering bei einer Pressekonferenz verteilen ließ. Eine schriftliche NDR-Anfrage, ob die Stiftung bis jetzt Steuern abgeführt habe und wenn ja in welcher Höhe, bleibt bis heute unbeantwortet. In der schriftlichen Stellungnahme, die Sellering verteilen ließ, heißt es: "Diese Zuwendungen sind steuerbefreit, weil sie einem öffentlichen Zweck, dem Klima- und Umweltschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, zugutekommen."

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Finanzamt beruft sich auf Steuergeheimnis

Die Frage ist, ob es dazu auch einen entsprechenden Steuerbescheid gibt. Das zuständige Finanzamt in Ribnitz-Damgarten beruft sich auf NDR-Anfrage auf das Steuergeheimnis. Von diesem könnte der Stiftungsvorstand das Finanzamt entbinden, hat es aber bislang nicht getan. Zeitgleich mehren sich die Stimmen derer, die eine Steuerbefreiung für unwahrscheinlich halten. Darunter der FDP-Fraktionsvorsitzende René Domke. Er war vor seiner Zeit als Abgeordneter im Landtag Mitarbeiter im Finanzamt. "Wenn man im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz nachschaut, findet man für diese Stiftung, die ja nur einen Teil Gemeinwohlorientierung hat, aber einen sehr großen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, (…) keinen Nachweis, dass es dafür eine Steuerbefreiung geben würde." Das liege, so Domke, daran, dass die Stiftung nicht gemeinnützig ist.

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Fehlen 10 Millionen Euro Steuern in der Landeskasse?

Auch Stephan Schauhoff, Vorstandsmitglied im Bundesverbandes Deutscher Stiftung, kommt im NDR MV Podcast "Akte Nord Stream2: Gas, Geld, Geheimnisse" zu einem eindeutigen Ergebnis: "Eine Stiftung privaten Rechts, auf die Vermögen übertragen wird, ist grundsätzlich schenkungssteuergeschuldet." Schauhoff wundere sich darüber, wie man zu dem Schluss kommen könnte, dass die Zuwendungen steuerbefreit sein könnten. Er sagt, genauso wie Domke, nur gemeinnützige Stiftungen könnten befreit werden. Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV hat diese Anerkennung jedoch nicht. Sollten Domke und Schauhoff mit diesen Einschätzungen recht behalten, geht es um einen Steuersatz von 50 Prozent. Dementsprechend ist die Rede von 10 Millionen Euro, die die Klimaschutzstiftung dem Land schuldig wäre.

Möglicherweise Fall für das Schwarzbuch

Das ruft den Bund der Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern auf den Plan. "Sollte es sich bewahrheiten, dass hier eigentlich Schenkungssteuer hätte fließen müssen - und nach allem was wir bisher wissen, ist das so - dann ist das höchst fraglich, warum das nicht passiert ist", so Michaela Skott vom Bund der Steuerzahler. Sie hält es im Gespräch mit dem NDR deshalb für denkbar, dass die Klimaschutzstiftung mit diesem Vorfall im kommenden Schwarzbuch landen wird. Darin listet der Bund der Steuerzahler Steuerverschwendungen auf. Im Schwarzbuch 2021 war die Klimastiftung bereits einer von insgesamt sechs Fällen aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Steuerfragen werden auch Teil des neuen parlamentarischen Untersuchungsausschusses werden. Außerdem liegt eine Anzeige in der Angelegenheit bei der Staatsanwaltschaft vor.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 21.05.2022 | 05:00 Uhr

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