Zschäpe vor Gericht - Opferanwälte enttäuscht
"Licht ins Dunkle hat das Ganze nicht gebracht" - so bewertet Gül Pinar, Anwältin der Hamburger Nebenkläger, die erste Aussage von Beate Zschäpe im NSU-Prozess. Die Hauptangeklagte legte zuvor am Mittwoch ein Teilgeständnis ab. Ihre Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten ihr jeweils erst später von den Morden erzählt, erklärte Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel im Namen seiner Mandantin. Einer der Morde war in Hamburg, einer war in Rostock geschehen. In ihrer Aussage räumte Zschäpe lediglich eine "moralische Schuld" für sich ein und bat die Opfer um Entschuldigung. Opferanwältin Pinar sagte dazu im Interview bei NDR 90,3: "Dass das jetzt kommt, klingt nach Taktik." Zschäpe muss sich in dem Prozess als Mittäterin im Fall von zehn Morden und weiteren Verbrechen verantworten, die dem NSU zugeordnet werden.
"Müssen gucken, wie das Gericht damit umgeht"
Pinar sagte, die Stimmung sei am Morgen vor der Aussage sehr gespannt gewesen. "Wir alle wollten hören, was da gesagt wird. Und es ist nahezu enttäuschend, was dann gekommen ist." Die Anwältin kritisierte auch, dass Zschäpe mitteilen ließ, auf Fragen des Gerichtes erst später schriftlich und auf Nachfragen der Nebenkläger gar nicht antworten zu wollen. "Wir müssen mal gucken, wie das Gericht damit umgeht." Pinar kündigte an, aus der Sicht der Hamburger Hinterbliebenen Fragen zu formulieren und das Gericht zu bitten, diese Fragen Zschäpe zu stellen. Zur "Entschuldigung" Zschäpes sagte Pinar, der Zeitpunkt komme so spät, dass sie ihr diese nicht abnehmen könne. "Ich habe immer gesagt, dass sie auch ohne Schuldeingeständnis von Anfang an hätte sagen können: 'Das, was geschehen ist, tut mir aufrichtig leid.'"
"Dann hat sie brav weitergemacht"
Zu der Tat in Hamburg im Jahr 2001 äußerte sich Zschäpe lediglich indirekt. Sie habe erst hinterher von zwei Morden in diesem Jahr erfahren und sei "sprachlos und fassungslos" gewesen, so Zschäpe. Anwältin Pinar bilanzierte, ihre Aussage zu den einzelnen Taten sei insgesamt sehr detaillos gewesen. "Sie hat nicht einmal den Namen Süleyman Tasköprü in den Mund genommen."
Opferanwalt Mehmet Gürcan Daimagüler sagte NDR Info, Zschäpe habe nichts gesagt, was sie entlasten würde. "Sie hat nur das zugegeben, was ohnehin nicht zu widerlegen ist." Er kritisierte, Zschäpe habe viele Gemeinplätze von sich gegeben: "Nach jedem Mord will sie schockiert gewesen sein, nach jedem Mord will sie verzweifelt gewesen sein - aber dann hat sie brav weitergemacht über all die Jahre."
Lange Zeit in die falsche Richtung ermittelt
Jahrelang hatte die Polizei im Fall der bundesweiten Mordserie im Dunkeln getappt. Schutzgelderpressung oder Drogengeschäfte hielten die Ermittler für den Hintergrund, zeitweise war auch von "Ehrenmorden" die Rede.
In Hamburg war 2001 im Stadtteil Bahrenfeld der 31-jährige Süleyman Tasköprü im Gemüseladen seines Vaters erschossen worden. Die Polizei vermutete als Motiv eine Verbindung des Opfers zur organisierten Kriminalität. Auch als 2004 in Rostock in einem Dönerimbiss der 25-jährige Mehmet Turgut durch mehrere Schüsse getötet wurde, gingen die Ermittlungen in diese Richtung. Die Polizei fand allerdings heraus, dass es sich um eine ganze Mordserie handelte. Die Opfer der sogenannten Dönermorde wurden alle mit der gleichen Waffe erschossen. Erst seit November 2011 ist bekannt: Die neun Taten sowie der Mord an einer Polizistin gehen offensichtlich auf das Konto von Rechtsextremisten.
Schwere Fehler der Ermittlungsbehörden?
Seit Mai 2013 läuft in München der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des NSU. Die Anwälte der Opfer-Familien, die dort als Nebenkläger auftreten, kritisierten von Anfang an, dass die Ermittlungsbehörden offensichtlich jahrelang gravierende Fehler gemacht hätten. Dieser Eindruck verstärkte sich durch die Ergebnisse von Untersuchungsausschüssen des Bundestages und mehrerer Landesparlamente.
Die Mitangeklagte Zschäpe, die mit den beiden mutmaßlichen Haupttätern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zusammenlebte, brach am Mittwoch nach zweieinhalb Prozessjahren zum ersten Mal ihr Schweigen. Böhnhardt und Mundlos hatten sich im November 2011 auf der missglückten Flucht nach einem Banküberfall das Leben genommen. Neben Zschäpe sitzen noch weitere mutmaßliche Mittäter des NSU auf der Anklagebank.
